Dirk Müller: Am Telefon begrüße ich nun Hans-Peter Uhl, innenpolitischer Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag. Guten Morgen!
Hans-Peter Uhl: Guten Morgen!
Müller: Warum ist die Bundesregierung so unsolidarisch?
Uhl: Wir sind solidarisch und bleiben solidarisch. Bei einem Land wie Malta – ich habe den kleinen Inselstaat vor einem Jahr bereist und mir das Flüchtlingsproblem dort angeschaut -, dort helfen wir. Wir haben geholfen und werden wieder helfen. Völlig anders sieht die Lage bei Italien aus. Das ist Theatralik von Berlusconi, die er da entfacht. Man muss einen nüchternen Blick auf die Zahlen der weltweiten Migration richten, danach sind 6.500 Asylbewerber in Italien vermeldet worden im letzten Jahr, in Deutschland waren es dagegen 41.000, 47.000 in Frankreich. Das heißt, da gibt es ganz andere Zahlen. Und auch wenn 20.000 Flüchtlinge dazu kommen, ist das keine nennenswerte Größe, die Italien als Flächenstaat in Probleme bringt.
Müller: Wenn 20.000 Flüchtlinge, Herr Uhl, Peanuts sind, dann könnte Deutschland beim Peanuts sortieren auch helfen?
Uhl: Genau das ist der Denkfehler. Das sind ja alles Schleuserorganisationen, die auf verbrecherische Weise viel Geld mit dem Herüberbringen von Menschen, die in Verzweiflung sind, in Booten ihr Geschäft machen. Wenn sie einen solchen Pull-Effekt jetzt organisieren, dass alle, die hier herüberkommen, gleich verteilt werden auf ganz Europa, dann werden sie es mit anderen Zahlen zu tun haben, dann sind es nicht 20.-, dann sind es gleich 2.-, 300.000 Menschen, und das wollen wir vermeiden.
Müller: Das heißt, Sie wollen einen Dammbruch vermeiden?
Uhl: Wir wollen das Geschäft der Schlepperorganisationen nicht auch noch unterstützen durch die organisierte Weiterleitung und Verteilung auf Europa. Nein, wir müssen versuchen, so viele Menschen wie möglich in der Region zu belassen. Wir müssen dort etwas organisieren, was ihnen eine gewisse Überlebensperspektive gibt.
Müller: Das ist die politische und auch die perspektivische Dimension. Aber jetzt sagen Sie in dieser Situation, es sind immerhin 20.000, die Insel Lampedusa scheint völlig überfordert mit der Logistik und mit der Organisation. Da sagen Sie, Silvio Berlusconi soll damit alleine zurechtkommen?
Uhl: Selbstverständlich. Das ist überhaupt kein Problem für Italien, der italienischen Insel Lampedusa Flüchtlinge abzunehmen und sie in Flüchtlingslagern auf dem Festland Italiens, Mezzogiorno, der gesamte süditalienische Raum steht zur Verfügung, zu verteilen. 20.000 Menschen ist kein nennenswertes Problem für Italien.
Müller: Nun ist das für Italien seit Jahren ein Problem. Ignorieren Sie das?
Uhl: Italien hat auch andere Probleme, die sie nicht lösen wollen. Sie müssen eine solche Größenordnung von Migranten auf ihrem Land bewältigen können.
Müller: Können Sie Silvio Berlusconi nicht leiden?
Uhl: Nein, um Emotionen geht es nicht, sondern es geht einfach darum, dass man einen nüchternen Blick hat und sich von solcher Theatralik nicht beeindrucken lässt.
Müller: Wir reden aber viel über Europa, über die Europäische Union und auch über Solidarität. Nun sagt der italienische Ministerpräsident, wenn das jetzt nicht funktioniert, dann müssen wir uns wieder trennen. Wenn jeder sich von seinen Ängsten und jeder sich von seinen Egoismen leiten lässt. Ist da nicht etwas dran?
Uhl: Da ist überhaupt nichts dran, weil noch einmal: Dieses Problem kann Italien selbst lösen. Er macht hier Stimmung, indem er diese Menschen benutzt für antieuropäische Stimmungen. Natürlich hat er ganz andere Probleme, die jeden Tag in den Zeitungen zu lesen sind, wenn er vor Gericht steht. Aber hier geht es darum, einen realitätsbezogenen, nüchternen Umgang mit dem weltweiten Migrationsproblem zu suchen. Das heißt, die Menschen müssen in der Region belassen werden. Wir müssen den Menschen in der Region helfen. Jeder muss in Europa seine Aufgaben dazu machen. Noch einmal: Wenn Italien von 20.000 Flüchtlingen spricht, dann haben wir, allein Deutschland, im vergangenen Jahr doppelt so viele gehabt, Frankreich mehr als das doppelte. Ich bitte, diese Zahlen zur Kenntnis zu nehmen.
Müller: Wenn Silvio Berlusconi nun damit droht, Visa zu verteilen, das heißt die Flüchtlinge damit in die Lage versetzt, innerhalb der Europäischen Union mit diesen Visa einzureisen, werden Sie dann Grenzkontrollen einführen?
Uhl: Was soll man denn sonst machen? Denn wenn dieser Rechtsbruch von Italien begangen wird – die Dinge sind genau geregelt, er muss die Flüchtlinge übernehmen und kann sie zurücksenden, wenn er das nicht schafft, dann muss er sie in seinem Land behalten. Wenn er jetzt sagt, wir winken die Flüchtlinge nach Deutschland und nach Frankreich durch, dann ist das ein Bruch mit europäischem Recht. Das heißt, wir können gar nicht anders, als die Kontrollen wieder aufnehmen. Da wir keine Landgrenzen haben zu Italien, das hat nur Österreich und Frankreich in dem Fall, bitten wir diese, das zu tun. Und beim Luftverkehr könnte Deutschland Flugzeuge, die aus Italien kommen, in Deutschland landen, direkt an Bord des Flugzeuges wieder kontrollieren.
Müller: Wieder kontrollieren und dann gegebenenfalls abschieben?
Uhl: Und dann gegebenenfalls im Transitbereich die Flüchtlinge belassen und sie wieder nach Rom zurückschicken.
Müller: Was soll Rom mit den Flüchtlingen machen?
Uhl: Sie in Flüchtlingslager unterbringen, ihnen eine menschenwürdige Perspektive geben und versuchen, sie in das Land ihrer Herkunft zurückzuschaffen.
Müller: Also Abschiebung ist für Sie klare Sache?
Uhl: Das ist das Wesen einer Ausländerpolitik, die weltweit gilt. Wer ein Recht hat zu bleiben, darf bleiben. Wer kein Recht hat, muss wieder gehen.
Müller: Viele Flüchtlinge kommen aus Libyen, Bürgerkriegsflüchtlinge. Ist das für Sie kein Argument?
Uhl: Wir hören – wir wissen noch nichts Genaues -, dass die meisten dieser Flüchtlinge nicht Libyer sind. Das wäre natürlich ein Argument, die Flüchtlinge kurzfristig aufzunehmen. Wir hören, dass es Tunesier sind, Wirtschaftsflüchtlinge schwerpunktmäßig, aber auch schwarzafrikanische Wirtschaftsflüchtlinge, die sich in diesem Raum an der Küste zum Mittelmeer seit vielen Jahren aufhalten.
Müller: Die Bundesregierung bleibt bei ihrer Position, wenn ich Sie richtig verstanden habe, Herr Uhl. Das heißt, die Beratung heute der EU-Innenminister in Luxemburg könnte man sich auch sparen?
Uhl: Nein, man muss es immer wieder tun, hier die Gedanken zurecht rücken und ordnen, sagen, was Recht, was Unrecht ist. Und hier hat offensichtlich die italienische Regierung unter Berlusconi derzeit eine Rechtsbelehrung nötig.
Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk Hans-Peter Uhl, innenpolitischer Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
Uhl: Danke schön, Herr Müller. Auf Wiederhören!
Hans-Peter Uhl: Guten Morgen!
Müller: Warum ist die Bundesregierung so unsolidarisch?
Uhl: Wir sind solidarisch und bleiben solidarisch. Bei einem Land wie Malta – ich habe den kleinen Inselstaat vor einem Jahr bereist und mir das Flüchtlingsproblem dort angeschaut -, dort helfen wir. Wir haben geholfen und werden wieder helfen. Völlig anders sieht die Lage bei Italien aus. Das ist Theatralik von Berlusconi, die er da entfacht. Man muss einen nüchternen Blick auf die Zahlen der weltweiten Migration richten, danach sind 6.500 Asylbewerber in Italien vermeldet worden im letzten Jahr, in Deutschland waren es dagegen 41.000, 47.000 in Frankreich. Das heißt, da gibt es ganz andere Zahlen. Und auch wenn 20.000 Flüchtlinge dazu kommen, ist das keine nennenswerte Größe, die Italien als Flächenstaat in Probleme bringt.
Müller: Wenn 20.000 Flüchtlinge, Herr Uhl, Peanuts sind, dann könnte Deutschland beim Peanuts sortieren auch helfen?
Uhl: Genau das ist der Denkfehler. Das sind ja alles Schleuserorganisationen, die auf verbrecherische Weise viel Geld mit dem Herüberbringen von Menschen, die in Verzweiflung sind, in Booten ihr Geschäft machen. Wenn sie einen solchen Pull-Effekt jetzt organisieren, dass alle, die hier herüberkommen, gleich verteilt werden auf ganz Europa, dann werden sie es mit anderen Zahlen zu tun haben, dann sind es nicht 20.-, dann sind es gleich 2.-, 300.000 Menschen, und das wollen wir vermeiden.
Müller: Das heißt, Sie wollen einen Dammbruch vermeiden?
Uhl: Wir wollen das Geschäft der Schlepperorganisationen nicht auch noch unterstützen durch die organisierte Weiterleitung und Verteilung auf Europa. Nein, wir müssen versuchen, so viele Menschen wie möglich in der Region zu belassen. Wir müssen dort etwas organisieren, was ihnen eine gewisse Überlebensperspektive gibt.
Müller: Das ist die politische und auch die perspektivische Dimension. Aber jetzt sagen Sie in dieser Situation, es sind immerhin 20.000, die Insel Lampedusa scheint völlig überfordert mit der Logistik und mit der Organisation. Da sagen Sie, Silvio Berlusconi soll damit alleine zurechtkommen?
Uhl: Selbstverständlich. Das ist überhaupt kein Problem für Italien, der italienischen Insel Lampedusa Flüchtlinge abzunehmen und sie in Flüchtlingslagern auf dem Festland Italiens, Mezzogiorno, der gesamte süditalienische Raum steht zur Verfügung, zu verteilen. 20.000 Menschen ist kein nennenswertes Problem für Italien.
Müller: Nun ist das für Italien seit Jahren ein Problem. Ignorieren Sie das?
Uhl: Italien hat auch andere Probleme, die sie nicht lösen wollen. Sie müssen eine solche Größenordnung von Migranten auf ihrem Land bewältigen können.
Müller: Können Sie Silvio Berlusconi nicht leiden?
Uhl: Nein, um Emotionen geht es nicht, sondern es geht einfach darum, dass man einen nüchternen Blick hat und sich von solcher Theatralik nicht beeindrucken lässt.
Müller: Wir reden aber viel über Europa, über die Europäische Union und auch über Solidarität. Nun sagt der italienische Ministerpräsident, wenn das jetzt nicht funktioniert, dann müssen wir uns wieder trennen. Wenn jeder sich von seinen Ängsten und jeder sich von seinen Egoismen leiten lässt. Ist da nicht etwas dran?
Uhl: Da ist überhaupt nichts dran, weil noch einmal: Dieses Problem kann Italien selbst lösen. Er macht hier Stimmung, indem er diese Menschen benutzt für antieuropäische Stimmungen. Natürlich hat er ganz andere Probleme, die jeden Tag in den Zeitungen zu lesen sind, wenn er vor Gericht steht. Aber hier geht es darum, einen realitätsbezogenen, nüchternen Umgang mit dem weltweiten Migrationsproblem zu suchen. Das heißt, die Menschen müssen in der Region belassen werden. Wir müssen den Menschen in der Region helfen. Jeder muss in Europa seine Aufgaben dazu machen. Noch einmal: Wenn Italien von 20.000 Flüchtlingen spricht, dann haben wir, allein Deutschland, im vergangenen Jahr doppelt so viele gehabt, Frankreich mehr als das doppelte. Ich bitte, diese Zahlen zur Kenntnis zu nehmen.
Müller: Wenn Silvio Berlusconi nun damit droht, Visa zu verteilen, das heißt die Flüchtlinge damit in die Lage versetzt, innerhalb der Europäischen Union mit diesen Visa einzureisen, werden Sie dann Grenzkontrollen einführen?
Uhl: Was soll man denn sonst machen? Denn wenn dieser Rechtsbruch von Italien begangen wird – die Dinge sind genau geregelt, er muss die Flüchtlinge übernehmen und kann sie zurücksenden, wenn er das nicht schafft, dann muss er sie in seinem Land behalten. Wenn er jetzt sagt, wir winken die Flüchtlinge nach Deutschland und nach Frankreich durch, dann ist das ein Bruch mit europäischem Recht. Das heißt, wir können gar nicht anders, als die Kontrollen wieder aufnehmen. Da wir keine Landgrenzen haben zu Italien, das hat nur Österreich und Frankreich in dem Fall, bitten wir diese, das zu tun. Und beim Luftverkehr könnte Deutschland Flugzeuge, die aus Italien kommen, in Deutschland landen, direkt an Bord des Flugzeuges wieder kontrollieren.
Müller: Wieder kontrollieren und dann gegebenenfalls abschieben?
Uhl: Und dann gegebenenfalls im Transitbereich die Flüchtlinge belassen und sie wieder nach Rom zurückschicken.
Müller: Was soll Rom mit den Flüchtlingen machen?
Uhl: Sie in Flüchtlingslager unterbringen, ihnen eine menschenwürdige Perspektive geben und versuchen, sie in das Land ihrer Herkunft zurückzuschaffen.
Müller: Also Abschiebung ist für Sie klare Sache?
Uhl: Das ist das Wesen einer Ausländerpolitik, die weltweit gilt. Wer ein Recht hat zu bleiben, darf bleiben. Wer kein Recht hat, muss wieder gehen.
Müller: Viele Flüchtlinge kommen aus Libyen, Bürgerkriegsflüchtlinge. Ist das für Sie kein Argument?
Uhl: Wir hören – wir wissen noch nichts Genaues -, dass die meisten dieser Flüchtlinge nicht Libyer sind. Das wäre natürlich ein Argument, die Flüchtlinge kurzfristig aufzunehmen. Wir hören, dass es Tunesier sind, Wirtschaftsflüchtlinge schwerpunktmäßig, aber auch schwarzafrikanische Wirtschaftsflüchtlinge, die sich in diesem Raum an der Küste zum Mittelmeer seit vielen Jahren aufhalten.
Müller: Die Bundesregierung bleibt bei ihrer Position, wenn ich Sie richtig verstanden habe, Herr Uhl. Das heißt, die Beratung heute der EU-Innenminister in Luxemburg könnte man sich auch sparen?
Uhl: Nein, man muss es immer wieder tun, hier die Gedanken zurecht rücken und ordnen, sagen, was Recht, was Unrecht ist. Und hier hat offensichtlich die italienische Regierung unter Berlusconi derzeit eine Rechtsbelehrung nötig.
Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk Hans-Peter Uhl, innenpolitischer Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
Uhl: Danke schön, Herr Müller. Auf Wiederhören!