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Berlusconi in Bedrängnis

Italiens Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi schickt Koalitionsangebote an politische Kontrahenten und tritt auf, als wolle er sich bereits in den nächsten Wahlkampf stürzen. Doch nun holen ihn die Schatten der Vergangenheit ein. Sein Prozess um Sex mit minderjährigen Prostituierten geht in die heiße Phase.

Von Kirstin Hausen | 03.04.2013
    Chefanklägerin Ilda Boccassini beschuldigt während des Ruby-Prozesses die Verteidiger von Silvio Berlusconi, sich unredlich zu verhalten. Die Strategie, Prozesse zu verzögern, sei eine Beleidigung des Gerichtes und inzwischen sattsam bekannt.

    Ilda Boccassini hat auch schon in der Vergangenheit Anklagen gegen Silvio Berlusconi erhoben, immer kam er mit Verjährung, Amnestie oder Freispruch davon. Doch diesmal sieht es schlecht aus für den Angeklagten. In den fast zwei Jahren Prozessdauer sind Dinge ans Licht gekommen, die auch Berlusconis Verteidiger Niccolò Ghedini einen Schuldspruch befürchten lassen.

    "Ich mache mir große Sorgen, weil das Gericht hier in Mailand die Auffassungen der Verteidigung nicht zu teilen scheint."

    Ghedini hat beantragt, den Prozess aus Mailand abzuziehen und nach Brescia zu verlegen. Wegen des feindlichen Klimas gegenüber seinem Mandanten. Eine umfassendere Lösung der Justizprobleme hat er allerdings auch schon parat.

    "Ich habe Berlusconi sehr gerne und halte ihn für einen sehr guten Staatspräsidenten. Das wäre eine gute Lösung für das Land."

    Vor allem wäre es ein Amt, das vor strafrechtlicher Verfolgung schützt. Aber die Chancen stehen schlecht, dass ein Parlament, in dem die Berlusconi-Anhänger in der Minderheit sind, den prozessgeplagten Ex-Regierungschef in so eine prestigeträchtige Position hievt. Doch die politischen Kommentatoren in Italien sind vorsichtig geworden. Totgesagt haben sie Berlusconi schon mehr als einmal, zuletzt vor den Wahlen vor einem Monat. Stattdessen hat Berlusconi mit fast 30 Prozent der Stimmen ein glänzendes Resultat eingefahren und ist laut eigener Aussage bereit, sich an einer Regierung zu beteiligen. Bloß will das siegreiche linke Bündnis, das im Senat die Regierungsmehrheit knapp verpasst hat, nicht mit ihm koalieren. Staatspräsident Giorgio Napolitano hat einen Expertenrat bestellt, um die Pattsituation aufzulösen, doch bisher ist noch keine Lösung in Sicht.

    Derweil wird es für Silvio Berlusconi immer ungemütlicher. Vor einem Monat endete ein weiterer Prozess gegen ihn mit einem Schuldspruch und einer Freiheitsstrafe von einem Jahr. Es ging um Beihilfe in einer Abhöraffäre. Die Richter sahen es als bewiesen an, dass Berlusconi durch das Veröffentlichen eines vertraulichen Telefonates das Ansehen seiner politischen Gegner schädigen wollte. Ins Gefängnis wird er aber nicht gehen müssen, da Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren in Hausarrest oder Sozialstunden umgewandelt werden. Außerdem gehen Berlusconis Anwälte in Berufung.

    Und dann gibt es auch noch ein Gesetz aus Berlusconis Amtszeit, dass Verurteilte ab dem 70. Lebensjahr eine Freiheitsstrafe im eigenen Heim absitzen lässt. Von diesem Gesetz könnte Marcello dell`Utri, Berlusconis langjähriger Vertrauter und Mitbegründer der "Forza Italia", noch profitieren. Er ist 71 Jahre alt und vergangene Woche wegen seiner Kontakte zur Mafia in zweiter Instanz zu sieben Jahren Haft verurteilt worden.

    Dell`Utri sei der Vermittler zwischen der sizilianischen Cosa Nostra und Berlusconi gewesen. In den 1970er Jahren habe Berlusconi – damals noch Unternehmer – Schutzgeld an die Mafia gezahlt, steht in der Urteilsbegründung. Dell`Utri streitet alles ab und Berlusconi verteidigt seinen Freund in einer landesweiten Talkshow.

    "Die Anschuldigungen sind völlig aus der Luft gegriffen. Dell`Utri ist ein anständiger Mann, dazu noch katholisch. Sein einziger Makel: Er stammt aus Palermo."

    Das Publikum in der Talkshow lacht über Berlusconis Beteuerungen wie über einen guten Witz. Doch vielen Italienern bleibt das Lachen inzwischen im Hals stecken. Denn Silvio Berlusconi mischt politisch wieder mit.