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Berlusconis Busenfreund

"Schleimer" und "Mafioso" nennen Politiker ihn, oder auch "Berlusconis Hündchen". Innerhalb des Kabinetts gilt Italiens Innenminister Angelino Alfano als Kröte, die es um des Koalitionsfriedens willen zu schlucken gilt. Das liegt vor allem an seinem Einsatz für Silvio Berlusconi.

Von Kirstin Hausen |
    Große, hervorspringende Augen, flacher Hinterkopf, wenig Haar. Italiens Innenminister und Vizepremier sehe aus wie ein Frosch, sagte Roberto Calderoli von der Lega Nord in aller Öffentlichkeit, aber das kann Angelino Alfano nicht anfechten. Er hat Schlimmeres gehört von Politikerkollegen. Der Sizilianer wurde schon als "Mafioso" bezeichnet, als "Schleimer", als "Berlusconis Hündchen". In der Tat ist der 42-Jährige ein ganz treuer Anhänger von Silvio Berlusconi und verteidigt ihn auch gegen die dritte Gewalt im Staat.

    "Die Judikative versucht, per Gerichtsurteil den am meisten gewählten politischen Führer der vergangenen 20 Jahre auszuschalten. Dieser Versuch muss scheitern! Wir werden Silvio Berlusconi, unseren politischen Führer, verteidigen, mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen."

    Was Alfano damit meint? Wird sich Italiens Innenminister vor dem Justizpalast von Mailand anketten, sollte Berlusconi heute definitiv verurteilt werden? Oder in den Hungerstreik treten? Absurde Vorstellungen, aber Angelino Alfano ist sich für fast nichts zu schade. Von 2008 bis 2011 war der studierte Jurist Justizminister unter Berlusconi und hat ein Gesetz zum Schutz seines Chefs vorgelegt, das klar gegen die Verfassung verstieß. Es sah das Aussetzen von Gerichtsprozessen aller Art gegen die Inhaber der vier höchsten Staatsämter für die Dauer ihres Mandats vor. Jemand anderem wäre es peinlich gewesen, das zu unterschreiben, nicht aber Angelino Alfano.

    "Wir haben ein Prinzip aufstellen wollen, dass den Regierenden die Möglichkeit gibt, zu regieren. Sie sollen ihre Zeit nicht aufteilen müssen zwischen dem Regieren dieses Landes und den Reisen zum Gericht."

    Das Gesetz, das Alfanos Namen trug, wurde im Oktober 2009 durch das italienische Verfassungsgericht für ungültig erklärt. Aber Angelino Alfano hat Berlusconi damit bewiesen, dass er für ihn zu allem bereit ist. Und so stellt sich Silvio Berlusconi seinen Kronprinzen vor. Unbedingte Solidarität. Kadavergehorsam. Es ist kein Zufall, dass jemand wie er zum zweiten Mann in Berlusconis Partei "Volk der Freiheit", auf Italienisch "Popolo della libertà" kurz PDL, aufgestiegen ist. Alfano ist der Prototyp des PDL-Politikers. Dem Chef treu ergeben, und ansonsten ohne nennenswerte Eigenschaften. Politik besteht für ihn vor allem aus Machtspielchen, denn inhaltlich hat er in 20 Jahren politischen Engagements keine Initiativen angeregt, die im Gedächtnis geblieben wären. Nach seinem Jurastudium in Agrigent trat er in die Christdemokratische Partei ein. Als die sich unter dem Eindruck des Schmiergeldskandals Tangentopoli auflöste, wechselte Alfano zur neu gegründeten "Forza Italia" und wurde Koordinator für die Region Sizilien. Es war die Zeit, in der angeblich die Mafia auf die neue politische Kraft setzte und ihr massenhaft Stimmen zuführte. Ein Kronzeuge hat ausgesagt, dass Alfanos Vater über die Mafia Stimmen für seinen Sohn gekauft habe. Bewiesen ist das nicht. In der Öffentlichkeit betont Angelino Alfano gerne seine Abneigung gegenüber der Mafia.

    "Ich gehöre einer Generation an, die für die Mafia ein ganz bestimmtes Gefühl entwickelt hat, ein Gefühl des Ekels."

    Angelino Alfano spricht sehr oft im Plural. So als gebe es ihn nur zusammen mit anderen. Mit den Parteikollegen. Mit den Kabinettskollegen. Anfang des Monats ist er im Parlament massiv unter Druck geraten. Alma Shalabajewa, Frau eines kasachischen Ex-Bankers und Regimekritikers, wurde auf Anordnung des Innenministeriums in einer Nacht-und-Nebel-Aktion mit ihrer 6-jährigen Tochter festgenommen und gegen ihren Willen nach Kasachstan ausgeflogen. Alfano sagt, er sei über die Ausweisung nicht informiert worden.

    Sollte das stimmen, macht er als Innenminister eine unrühmliche Figur. Und auch aus dem Ausland hagelte es Kritik. Sogar die UNO beschäftigt sich mit dem Fall. Die italienischen Oppositionsparteien reichten einen Misstrauensantrag gegen Alfano ein. Regierungschef Enrico Letta von den Demokraten hoffte auf einen freiwilligen Rücktritt Alfanos, aber der dachte gar nicht daran. Um die Regierung nicht zu stürzen, haben die Parlamentarier der Demokratischen Partei Angelino Alfano ihr Vertrauen aussprechen müssen. Eine Kröte, die es zu schlucken galt, um weiterregieren zu können. Eines hat Angelino Alfano: Standvermögen. Darin ähnelt er seinem Idol Silvio Berlusconi.