"Ich stand neben Matt Damon. Das ist Lady Gaga. Jennifer Lawrence hier. Das ist der Regisseur von "The Revenant". Das ist Ridley Scott. (lacht) Das hat man drüben auch überall in den Zeitungen gesehen."
Stolz zeigt Henrich das Gruppenfoto vom Oscar-Luncheon, bei dem sich drei Wochen vor der Verleihung traditionell alle Nominierten in Beverly Hills zu einem feierlichen Mittagessen treffen.
"Das ist jetzt was, das würde ich mir auf jeden Fall aufhängen, weil das finde ich ganz toll. Weil das zeigt irgendwo, dass man - ja- dazugehört ist ein bisschen übertrieben. Aber auf jeden Fall... ich weiß die Worte nicht."
Das kann schon mal passieren, immerhin ist Bernhard Henrich als erster deutscher Filmausstatter für einen Oscar nominiert. Der gebürtige Saarländer ist im kleinen Ort Niederwürzbach aufgewachsen. Für seine Eltern war es schon ein riesiger Schritt, als ihr Sohn nach der Schule im großen Saarbrücken eine Ausbildung im Kaufhaus anfangen wollte - als Schaufensterdekorateur.
"Man musste viel arbeiten für wenig Geld. Und man hat überall ein bisschen reingerochen. So ein bisschen Tischlerarbeiten. Man konnte mit Folien bespannen. Mit Stoffen arbeiten."
Jedes Detail muss stimmen
In den 70er-Jahren zieht es ihn weiter nach West-Berlin. Dort bekommt der junge Schaufensterdekorateur die Chance, probeweise am Berliner Schillertheater zu arbeiten. Obwohl ihm die Ausbildung fehlt, wird er direkt als Theaterplastiker engagiert. Es dauert dann nicht lange, bis Henrich als Requisiteur zum Film weiterempfohlen wird. Schnell steigt er zu dem auf, was wir heute Filmausstatter nennen. Für internationale Produktionen arbeitet er seit den 90er-Jahren mit den Filmstudios in Babelsberg zusammen.
In einem Film wie Spielbergs "Bridge of Spies", der in den 60er-Jahren spielt, muss jedes Detail stimmen. Nicht nur in den großen Szenen, wie beim Austausch der Agenten auf der Glienicker Brücke in Berlin. Auch in den Innenräumen: Von der Tapete über den Lampenschirm bis zum Aschenbecher. Auch nach über 40 Jahren Berufserfahrung kann es einem Filmausstatter noch passieren, dass er in letzter Minute alles umwerfen muss.
Szene aus Bridge of Spies:
- "Mr. Donovan, danke, dass Sie hier sind."
- "Es ist mir eine Ehre, Sie zu treffen, Mr. Dulles."
In dieser entscheidenden Szene in "Bridge of Spies" bekommt der Anwalt James Donovan, gespielt von Tom Hanks, den Auftrag, den Agentenaustausch zu organisieren.
"Sie haben unseren Spion, den Piloten. Wir haben ihren Mann. Sie wollen einen Gefangenenaustausch. Wir wollen, dass Sie die Verhandlungen führen, weil Sie ein Privatmann sind."
Laut Drehbuch sollte die Szene eigentlich in der Suite eines Luxushotels spielen.
"Spielberg hatte sich überlegt mit den Coen-Brüdern, mmmh, bisschen langweilig ein Hotelzimmer. Machen wir doch ein CIA-Büro. Ich glaub, ich hatte zwei Wochen Zeit, da umzudenken. Das Motiv war ein langer Schlauch - riesig - und was stellt man da zusammen?"
Bernhard Henrich ist schnell nach England geflogen, hat ein komplettes Art-Déco-Zimmer aufgekauft und nach Berlin gebracht. Mit Weltkarten an den holzgetäfelten Wänden und kleinen Skulpturen auf den Fensterbrettern ist aus dem langen Schlauchraum das überzeugende Büro eines Pfeife rauchenden CIA-Chefs geworden.
Begeisterung für den Beruf
Noch herausfordernder war für Henrich aber die Arbeit an "Monuments Men". Der Film von George Clooney erzählt die Geschichte einer Spezialeinheit, die kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs nach Europa geschickt wurde, um von Nazis geraubte Kunstwerke vor der Zerstörung zu retten. In einer riesigen Kupfermine werden die "Monuments Men" fündig. Mit der Spitzhacke reißen sie eine Steinmauer ein, hinter der sich eine riesige Schatzkammer verbirgt.
"Lieber James, gestern haben wir 16.000 geraubte Kunstwerke gefunden, in einer deutschen Kupfermine. Die Nazis haben besser auf Gemälde Acht gegeben, als auf Menschen."
Beim Anblick der Kunstwerke in der Mine sollte der Zuschauer sofort überwältigt werden.
"Boah, das ist ja Wahnsinn, was die da geklaut haben. Das muss man mit einem Blick begreifen. Man kann da nicht minutenlang durch irgendwelche Flure oder Höhlen gehen. Das muss mit einem Blick klar sein. Das ist gigantisch."
Auch wenn auch das Budget für die Ausstattung von "Monuments Men" gigantisch war - um tausende echte Kunstwerke zu kaufen, hätte es nicht gereicht. So hat Bernhard Henrich dann zwölf Meter hohe Regale gebaut, vollgepackt mit Kisten, aus denen die echten Gemälde nur herausragen. Aus Schaumgummi hat er tausende Rahmen nachbauen lassen. Und echte Skulpturen mit falschen gemischt.
"Dann hab ich meinen Leuten gesagt: Okay, Hasendraht, Latten und dann bauen wir Skulpturen nach und packen die in Tücher ein, als wären die verpackt. Und nachher sahen die besser aus als die echten."
Wenn Bernhard Henrich die Fotos seiner Filmkulissen zeigt, leuchtet die Begeisterung für seinen Beruf aus seinen blauen Augen. Im Moment kommt es ihm manchmal so vor, als wäre er selbst in einen Film geraten, so unwirklich kommt ihm der Rummel um seine Oscar-Nominierung vor. Ob er den kleinen goldenen Mann am Ende mit nach Hause nimmt, darauf kommt es ihm gar nicht so sehr an. Eine Dankesrede hat Bernhard Henrich jedenfalls nicht vorbereitet:
"Das, was ich auf dem Herzen habe und erzählen möchte, das weiß ich spontan. Man bedankt sich bei seinem Team, die nämlich letztendlich die ganze Arbeit gemacht haben. Das muss ich nicht auswendig lernen, das weiß ich."