Thomas Bernhard: "Ich bin am liebsten allein, im Grunde ist es ein Idealzustand. Mein Haus ist wie ein riesiger Kerker. Die Bücher oder was ich schreib´, gleicht ganz dem, worin ich hause."
Der Dramatiker und Prosaist Thomas Bernhard, der Übertreibungskünstler und "Alpen-Beckett", scheint selber seinem Helden "Reger" aus der Kunstkomödie "Alte Meister" zu ähneln. Reger ist ein grantiger Einzelgänger.
Dieser Musikphilosoph "Reger" sitzt jeden zweiten Vormittag auf einer Bank im Bordone-Saal des Wiener Kunsthistorischen Museums, schaut auf einen "Tintoretto" und schimpft auf die Kunst. Für ihn ist das meiste im Bordone-Saal nur scheußliche "Staats- und Nazikunst".
Zitat: ""Sehen Sie sich den Velazquez an! Nichts als Staatskunst. Den Lotto, den Giotto, doch immer nur Staatskunst wie dieser schreckliche Ur- und Vor-Nazi Dürer, der die Natur an die Leinwand gestellt und getötet hat, dieser schauerliche Dürer", wie Reger sehr oft sagt, weil er Dürer tatsächlich zutiefst hasst, diesen Nürnberger Ziselierkünstler."
Der 42-jährige Wiener Zeichner Nicolas Mahler lässt diesen wortgewaltigen "Reger" als eine Art winziges, unbedeutendes Tonnenmännchen im leeren Ausstellungssaal vor ebenso leeren riesigen Bilderrahmen sitzen oder stehen. Darüber nur die zweizeilige Überschrift:
"Es gibt nichts zu bewundern, sagte Reger gestern."
Dazu sieht man drei leere Bilderrahmen.
Darin die Sprechblase:
"Nichts. Gar nichts".
Und man ist mittendrin in der gegenwärtigen Erfahrung, dass man eigentlich nichts sieht im Museum, weil es zu voll ist oder die Motive schon hundertmal abgebildet wurden. Herausgeber Andreas Platthaus über den Zeichner:
"Nicolas Mahler ist der beste österreichische Comiczeichner, den es jemals gegeben hat. Er hat eine Unzahl von wunderbaren Bänden in den letzten 15 Jahren herausgebracht und war so gesehen der ideale Kandidat, um Thomas Bernhard umzusetzen."
Nicolas Mahler erzählt nicht einfach nach und illustriert nicht. Er arrangiert neu und schält den bösen Kern der Kunstkritik Thomas Bernhards heraus. Die armselige Kunst macht das armselige Leben erträglich.
Wir erfahren etwas, was nicht im Roman steht, etwa wie Martin Heideggers Unterhosen aussehen oder die Sitzbank im Bordone-Saal aussehen könnte. Nicolas Mahler malt die Kritik am Kunstbetrieb. Er illustriert keinen Roman. Mahler legt sogar nahe, dass Bernhards Prosa vielleicht von Anfang an nichts anderes als ein Comic gewesen ist.
Zitat: ""Alle diese Maler waren doch nichts als durch und durch verlogene Staatskünstler, die der Gefallsucht ihrer Auftraggeber entsprochen haben. Da macht nicht mal Rembrandt eine Ausnahme", sagte Reger."
Der erfolgreiche Übertreibungskünstler und Österreichhasser Bernhard wird hier mit leichter Feder neu gesehen. Auf jeder der 158 Seiten befindet sich nur eine Zeichnung. In der Regel sind oben und unten auf der Seite zwei Zentimeter für den originalen Bernhard-Text frei gehalten.
Beschwingt kann man die Komödie aus der Mitte der 80er Jahre hier ganz frisch und anders kennenlernen. Herausgeber Andreas Platthaus zur Absicht:
"Ich glaube einfach, dass ein Comic, der bei Suhrkamp erscheint, eine größere Aufmerksamkeit im Buchhandel und vielleicht auch bei einigen Lesern erwarten darf, als egal bei welchem anderen Verlag in der Bundesrepublik. Wir werden sehen, ob das klappt. Und wenn das funktioniert, ist das sehr schön. Dann werden wir versuchen, das auf eine etwas breitere Basis zu stellen. Aber das ist jetzt, muss man ehrlich sagen, ein Experiment."
Puristen wenden ein, die Musikalität seitenlanger Sätze Bernhards werde hier zerstört. Was antwortet Andreas Platthaus darauf?
"Dem erwidere ich, er soll sich diesen Comic ansehen und dann wird er merken, dass dieses endlose Wiederholen und suadaartige im Endeffekt von Nicolas Mahler ins Bild gesetzt worden ist durch einen ganz strikten Seitenaufbau: ein Bild pro Seite, ganz häufig dieselben Perspektiven im Museum, aus denselben Blickwinkeln, mit denselben Figuren, mit denselben Bildern. Dass dieses Wiederholungsprinzip, das bei Bernhard so stark ist, ist extrem in diesen Comic eingeflossen. Und das suadaartige artikuliert sich hier in gewisser Weise grafisch."
An dem respektlosen Mut des Zeichners darf man sich erfreuen. Der Comic erlaubt, Stifter und Bruckner, Heidegger und El Greco ruhig auch mal kitschig zu finden. Zwei österreichische Künstler haben zusammengefunden, ein alter und ein neuer Meister.
Platthaus: "Was ganz sicher der Comic leistet, ist auch diese spezifische Komik von Bernhard mehr in den Mittelpunkt zu stellen, als es bei einer oberflächlichen Lektüre passiert. Jeder, der Bernhard wirklich intensiv liest, weiß, wie irre komisch der ist, gerade, wenn man ihn laut liest. Bernhard ist eigentlich einer der schönsten Autoren zum Lautlesen und dann wird die Komik ganz deutlich. Aber im Comic kann man dieses Komische auch wunderbar rausarbeiten. Das gelingt Nicolas Mahler, das sind einfach in gewisser Weise verwandte Seelen und das war ein Glücksfall.""
Den Rhythmus und die Parallelität der Bernhardschen Sätze gibt der Zeichner im Bild wieder. Die museumstypische Absperrung vor Bildern aus gedrehtem Tau zieht sich durch fast alle Bilder. Nicolas Mahler ist ein kluger Zeichner, der sich von seiner Vorlage befreit und den alten Meister würdigt.
Platthaus: "Das ist ein Debüt für die Reihe bei Suhrkamp. Das ist natürlich kein Debüt für Mahler selbst. Der hat so viel gemacht, wie wenig andere deutschsprachiger Comiczeichner. Man muss sehr vorsichtig sein mit den Österreichern. Aber es ist in der Tat der erste Comic, der bei Suhrkamp erscheint. Na gut, der Verlag hat leicht andere Ziele als ich, den man netterweise gefragt hat, ob ich Lust hätte bei dieser Reihe mitzuarbeiten. Der Verlag hat logischerweise das Ziel, ein weiteres Standbein aufzubauen, wo man das, was er ohnehin schon besitzt, nämlich die Rechte an interessanten Büchern auch noch interessant weiterverwerten kann. Und die Comicadaption eines Suhrkamp-Autoren ist eine einfach zu lösende Sache, wenn´s bei Suhrkamp erscheint."
Herausgeber und Zeichner ist ein wunderbarer Comic gelungen. Man muss die Bernhardsche Vorlage nicht kennen, hat naturgemäß noch mehr davon, wenn man sie kennt. Kurzum, ein Muss für "Bernhardiner" und ein Einstiegscomic für Genreignoranten.
Platthaus: "Das heißt, wir wollen da sehr gute Comics machen. Die Adaptionen müssen intelligent sein. Und wir wollen, wenn´s denn irgend geht, uns tatsächlich zunächst einmal nur auf Adaptionen beschränken."
Buchinfos:
Thomas Bernhard (Autor), Nicolas Mahler (Illustrator): Alte Meister, Graphic Novel. Suhrkamp Verlag. 18,99 Euro
Der Dramatiker und Prosaist Thomas Bernhard, der Übertreibungskünstler und "Alpen-Beckett", scheint selber seinem Helden "Reger" aus der Kunstkomödie "Alte Meister" zu ähneln. Reger ist ein grantiger Einzelgänger.
Dieser Musikphilosoph "Reger" sitzt jeden zweiten Vormittag auf einer Bank im Bordone-Saal des Wiener Kunsthistorischen Museums, schaut auf einen "Tintoretto" und schimpft auf die Kunst. Für ihn ist das meiste im Bordone-Saal nur scheußliche "Staats- und Nazikunst".
Zitat: ""Sehen Sie sich den Velazquez an! Nichts als Staatskunst. Den Lotto, den Giotto, doch immer nur Staatskunst wie dieser schreckliche Ur- und Vor-Nazi Dürer, der die Natur an die Leinwand gestellt und getötet hat, dieser schauerliche Dürer", wie Reger sehr oft sagt, weil er Dürer tatsächlich zutiefst hasst, diesen Nürnberger Ziselierkünstler."
Der 42-jährige Wiener Zeichner Nicolas Mahler lässt diesen wortgewaltigen "Reger" als eine Art winziges, unbedeutendes Tonnenmännchen im leeren Ausstellungssaal vor ebenso leeren riesigen Bilderrahmen sitzen oder stehen. Darüber nur die zweizeilige Überschrift:
"Es gibt nichts zu bewundern, sagte Reger gestern."
Dazu sieht man drei leere Bilderrahmen.
Darin die Sprechblase:
"Nichts. Gar nichts".
Und man ist mittendrin in der gegenwärtigen Erfahrung, dass man eigentlich nichts sieht im Museum, weil es zu voll ist oder die Motive schon hundertmal abgebildet wurden. Herausgeber Andreas Platthaus über den Zeichner:
"Nicolas Mahler ist der beste österreichische Comiczeichner, den es jemals gegeben hat. Er hat eine Unzahl von wunderbaren Bänden in den letzten 15 Jahren herausgebracht und war so gesehen der ideale Kandidat, um Thomas Bernhard umzusetzen."
Nicolas Mahler erzählt nicht einfach nach und illustriert nicht. Er arrangiert neu und schält den bösen Kern der Kunstkritik Thomas Bernhards heraus. Die armselige Kunst macht das armselige Leben erträglich.
Wir erfahren etwas, was nicht im Roman steht, etwa wie Martin Heideggers Unterhosen aussehen oder die Sitzbank im Bordone-Saal aussehen könnte. Nicolas Mahler malt die Kritik am Kunstbetrieb. Er illustriert keinen Roman. Mahler legt sogar nahe, dass Bernhards Prosa vielleicht von Anfang an nichts anderes als ein Comic gewesen ist.
Zitat: ""Alle diese Maler waren doch nichts als durch und durch verlogene Staatskünstler, die der Gefallsucht ihrer Auftraggeber entsprochen haben. Da macht nicht mal Rembrandt eine Ausnahme", sagte Reger."
Der erfolgreiche Übertreibungskünstler und Österreichhasser Bernhard wird hier mit leichter Feder neu gesehen. Auf jeder der 158 Seiten befindet sich nur eine Zeichnung. In der Regel sind oben und unten auf der Seite zwei Zentimeter für den originalen Bernhard-Text frei gehalten.
Beschwingt kann man die Komödie aus der Mitte der 80er Jahre hier ganz frisch und anders kennenlernen. Herausgeber Andreas Platthaus zur Absicht:
"Ich glaube einfach, dass ein Comic, der bei Suhrkamp erscheint, eine größere Aufmerksamkeit im Buchhandel und vielleicht auch bei einigen Lesern erwarten darf, als egal bei welchem anderen Verlag in der Bundesrepublik. Wir werden sehen, ob das klappt. Und wenn das funktioniert, ist das sehr schön. Dann werden wir versuchen, das auf eine etwas breitere Basis zu stellen. Aber das ist jetzt, muss man ehrlich sagen, ein Experiment."
Puristen wenden ein, die Musikalität seitenlanger Sätze Bernhards werde hier zerstört. Was antwortet Andreas Platthaus darauf?
"Dem erwidere ich, er soll sich diesen Comic ansehen und dann wird er merken, dass dieses endlose Wiederholen und suadaartige im Endeffekt von Nicolas Mahler ins Bild gesetzt worden ist durch einen ganz strikten Seitenaufbau: ein Bild pro Seite, ganz häufig dieselben Perspektiven im Museum, aus denselben Blickwinkeln, mit denselben Figuren, mit denselben Bildern. Dass dieses Wiederholungsprinzip, das bei Bernhard so stark ist, ist extrem in diesen Comic eingeflossen. Und das suadaartige artikuliert sich hier in gewisser Weise grafisch."
An dem respektlosen Mut des Zeichners darf man sich erfreuen. Der Comic erlaubt, Stifter und Bruckner, Heidegger und El Greco ruhig auch mal kitschig zu finden. Zwei österreichische Künstler haben zusammengefunden, ein alter und ein neuer Meister.
Platthaus: "Was ganz sicher der Comic leistet, ist auch diese spezifische Komik von Bernhard mehr in den Mittelpunkt zu stellen, als es bei einer oberflächlichen Lektüre passiert. Jeder, der Bernhard wirklich intensiv liest, weiß, wie irre komisch der ist, gerade, wenn man ihn laut liest. Bernhard ist eigentlich einer der schönsten Autoren zum Lautlesen und dann wird die Komik ganz deutlich. Aber im Comic kann man dieses Komische auch wunderbar rausarbeiten. Das gelingt Nicolas Mahler, das sind einfach in gewisser Weise verwandte Seelen und das war ein Glücksfall.""
Den Rhythmus und die Parallelität der Bernhardschen Sätze gibt der Zeichner im Bild wieder. Die museumstypische Absperrung vor Bildern aus gedrehtem Tau zieht sich durch fast alle Bilder. Nicolas Mahler ist ein kluger Zeichner, der sich von seiner Vorlage befreit und den alten Meister würdigt.
Platthaus: "Das ist ein Debüt für die Reihe bei Suhrkamp. Das ist natürlich kein Debüt für Mahler selbst. Der hat so viel gemacht, wie wenig andere deutschsprachiger Comiczeichner. Man muss sehr vorsichtig sein mit den Österreichern. Aber es ist in der Tat der erste Comic, der bei Suhrkamp erscheint. Na gut, der Verlag hat leicht andere Ziele als ich, den man netterweise gefragt hat, ob ich Lust hätte bei dieser Reihe mitzuarbeiten. Der Verlag hat logischerweise das Ziel, ein weiteres Standbein aufzubauen, wo man das, was er ohnehin schon besitzt, nämlich die Rechte an interessanten Büchern auch noch interessant weiterverwerten kann. Und die Comicadaption eines Suhrkamp-Autoren ist eine einfach zu lösende Sache, wenn´s bei Suhrkamp erscheint."
Herausgeber und Zeichner ist ein wunderbarer Comic gelungen. Man muss die Bernhardsche Vorlage nicht kennen, hat naturgemäß noch mehr davon, wenn man sie kennt. Kurzum, ein Muss für "Bernhardiner" und ein Einstiegscomic für Genreignoranten.
Platthaus: "Das heißt, wir wollen da sehr gute Comics machen. Die Adaptionen müssen intelligent sein. Und wir wollen, wenn´s denn irgend geht, uns tatsächlich zunächst einmal nur auf Adaptionen beschränken."
Buchinfos:
Thomas Bernhard (Autor), Nicolas Mahler (Illustrator): Alte Meister, Graphic Novel. Suhrkamp Verlag. 18,99 Euro