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Bernstein
Interessante Quelle für Paläontologen

Schon immer faszinierte Bernstein den Menschen. Doch nicht nur als Schmuck, auch in der Forschung ist das Material von Bedeutung, denn in dem viele Millionen Jahre alten Baumharz haben Insekten überdauert. Durch neue Techniken lassen sich die Tiere besser darstellen und auch neue Fundorte geben der Forschung ein breiteres Spielfeld.

Von Joachim Budde | 08.04.2015
    Ein von Bernstein umschlossenes Insekt.
    Ein von Bernstein umschlossenes Insekt. (dpa / Vladimir Astapkovich)
    Wer Bernstein nur als polierte honiggelbe klare Schmuckstücke kennt, ist beim Blick in Frauke Stebners Probensammlung überrascht. Der Bernstein, den sie aus Indien mitgebracht hat, sieht aus wie brauner Kandiszucker.

    "Man sieht, dass die hier so eine Verwitterungskruste haben außen, und man sieht auch, dass man im Grunde nichts sieht, also man kann nicht reingucken, es ist nicht klar, es ist nicht durchsichtig. Und aus diesem Grund werden die Sachen eben bearbeitet an dieser Schleifmaschine."
    Die Doktorandin am Steinmann-Institut für Geologie, Mineralogie und Paläontologie der Universität Bonn muss viel Arbeit in diese Proben stecken, ehe sie mit der Forschung beginnen kann. Sie nimmt ein Stück und schleift es auf einer Drehscheibe."
    So jetzt kann man schon sehen, dass hier eine plane Oberfläche entstanden ist auf der Seite. Man sieht auch, dass noch viele Rillen da sind, das heißt, man müsste jetzt mit immer feineren Schleifpapieren das Ganze bearbeiten. Und natürlich von allen Seiten.
    Nach dem Schleifen kann die Biologin mit sehr hellem Licht in die Probe hineinschauen. Dieser Bernstein stammt aus einer riesigen Mine in Nordwestindien, wo Lignit – eine Art Braunkohle – im Tagebau gewonnen wird. Diese Lagerstätten haben einen entscheidenden Vorteil gegenüber denen aus dem Ostseeraum.
    Neue Erkenntnisse über die geologische Geschichte Indiens

    "Es ist so, dass wir im indischen Bernstein oder in diesen Ablagerungen, wo der indische Bernstein vorkommt, riesige Bernsteinflüsse gefunden haben. Und von diesen Bernsteinflüssen können wir darauf schließen, dass der Bernstein zumindest teilweise in situ eingebettet worden ist, das heißt, der ist nicht umgelagert worden wie zum Beispiel der baltische Bernstein. Und beim indischen Bernstein haben wir das eben nicht, und können daher durch die Datierung von den Bernstein führenden Sedimenten auch den Bernstein sehr genau datieren."
    Frauke Stebner ist auf der Suche nach kleinen Mücken, deren Körperbau sie mit dem heutiger Verwandter vergleicht. Das erlaubt ihr auch Rückschlüsse auf die geologische Geschichte des Subkontinents: Vor rund 160 Millionen Jahren brach das heutige Indien vom riesigen Kontinent Gondwana ab und driftete langsam Richtung Asien, wo es vor 50 Millionen Jahren anstieß – ungefähr zu der Zeit, als Stebners Bernstein entstand: Paläontologen und Geologen fragen sich schon lange, ob Indien während der gesamten Drift vom Rest der Welt isoliert gewesen ist. Dann hätten dort einmalige Tierarten entstanden sein müssen. Doch bei ihren Vergleichen ist Frauke Stebner zu einem anderen Ergebnis gekommen.
    "In mindestens zwei Familien der Mücken haben wir also sehr starke Beziehungen zwischen der Fauna im indischen Bernstein und der im baltischen Bernstein entdeckt. Es kann natürlich sein, was eher unwahrscheinlich ist, wie ich finde, dass diese Gruppen sehr, sehr alt sind und sich also schon lange bevor Indien nach Norden gedriftet ist, ausgebreitet haben und deswegen in beiden Vorkommen da sind. Es kann aber auch sein, dass es eben Landbrückenverbindungen gab zwischen Indien und Asien oder Afrika. Und dass diese Tiere sich so, schon bevor Indien wirklich mit Asien kollidiert ist, ausbreiten konnten."
    Neue Techniken bieten neue Möglichkeiten
    Um das weiter zu erforschen, muss Frauke Stebner noch viele Proben nach eingeschlossenen Mücken absuchen. Bernsteine mit mehreren Insekten muss sie auseinandersägen, denn sonst verdecken sich die Insekten gegenseitig. Diese Arbeit kann ihr neue Technik erleichtern: Seit kurzem nutzen Forscher bildgebende Verfahren, wie sie aus der Medizin bekannt sind, um tiefer in die Proben zu blicken, sagt Dr. Thomas van de Kamp.
    "Mit der Röntgenmikrotomografie können wir den Bernstein durchleuchten und dann ein digitales dreidimensionales Modell erschaffen, und dort sehen wir dann, ob noch anatomische Strukturen vorhanden sind, und wir können auch die Oberfläche komplett darstellen und irgendwelche störenden anderen Einschlüsse, die sonst im normalen sichtbaren Licht den Blick auf das Tier verhindern, die können wir dann einfach digital entfernen und können das ganze Tier freistellen."
    Er arbeitet am Synchrotronstrahlungslabor ANKA des Karlsruher Instituts für Technologie. Von einem normalen CT-Gerät unterscheidet sich die Anlage am ANKA vor allem durch die Leistung.

    "Mit dem Synchrotron erreichen wir üblicherweise schon eine höhere Auflösung, haben viel mehr Röntgenlicht zur Verfügung und können dann auch diese Scans in viel kürzerer Zeit durchführen."
    Der entscheidende Vorteil der Röntgenaufnahmen aber ist: Man kann in die Insekten hineinschauen. Thomas van de Kamp arbeiten mit winzigen Erzwespen, rund 55 Millionen Jahre alt und nur 1,2 Millimeter lang.
    "Was wir bei dem Tier haben, ist dass wir wirklich eine fantastisch erhaltene Anatomie gefunden haben, das heißt, wir können zum Beispiel die ganze Flugmuskulatur uns anschauen, wir sehen das Gehirn, wir sehen die Augen, und das ist schon wirklich ein wunderbarer Erhaltungszustand, und natürlich ergeben uns diese Merkmale, die wir finden, noch Informationen darüber über die Verwandtschaftsverhältnisse dieser Tiere zu heute vorhandenen Arten."
    Das eröffnet den Forschern ganz neue Möglichkeiten, birgt aber auch Überraschungen, denn von außen lässt sich gar nicht erkennen, wie gut ein Insekt erhalten ist.
    "Das ist immer ein kleines Glücksspiel, man scannt mehrere Tiere durch, und bei einigen hat man dann wunderbar erhaltene Strukturen, und andere sind dann hohl."