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Bertelsmann prüft Verkauf der Buchclubs

Buchgemeinschaften und Buchclubs, so erfolgreich sie einst waren, sind schon lange ein "schrumpfendes Geschäftsfeld", wie es im Branchendeutsch heißt. In Wirklichkeit sind sie wohl ein Auslaufmodell. Matthias Wegner, Publizist und ehemaliger Bertelsmann-Verleger, hält das Problem vor allem für ein deutsches. Denn in den Ländern Frankreich und Spanien beispielsweise mache Bertelsmann sehr gute Geschäfte.

Von Karin Fischer |
    Karin Fischer: Begonnen hat alles im Sommer 1950 als Lesering einer Idee von Reinhard Mohn und geworden ist daraus eine grandiose unternehmerische Erfolgsgeschichte. Heute hat "Der Club" in Deutschland rund drei Millionen Mitglieder. Mit 25 Millionen in 19 Ländern bezeichnet er sich selbst als die größte Lesefamilie der Welt. Wenn Bertelsmann den "Club" verkauft, dann wäre das ganz sicher das Ende einer Ära, bloß welcher. Diese Frage geht an Matthias Wegner, Publizist in Hamburg, der als ehemaliger Verleger bei Bertelsmann und Rowohlt das Verlagsgeschäft seit Jahrzehnten beobachtet. Herr Wegner, was ist das Problem des "Clubs" heute?

    Matthias Wegner: "Man muss dazu sagen, das Problem ist besonders ein deutsches. Denn beispielsweise in den Ländern Frankreich und Spanien macht Bertelsmann, soweit ich weiß, sehr gute Geschäfte. In Deutschland gehen sie seit Jahren zurück. Das liegt ganz einfach an der völlig anderen deutschen Situation der Buchhandlungen, die einen großen Aufstieg hinter sich haben, vor allen Dingen die Großbuchhandlungen und die Kettenbuchhandlungen. Der Markt hat sich für den deutschen Buchclub generell seit Jahren, ja eigentlich seit Jahrzehnten zum Schlechten gewendet. Und heute kämpft Bertelsmann offenbar auf einem ziemlich schwierigen Posten."

    Sie haben es schon gesagt. Es gibt heutzutage natürlich früher die Taschenbuchausgabe eines jeden Buches. Es gibt auch die Hardcover immer früher spottbillig im modernen Antiquariat zu haben. Dazu gibt es Billigbuchketten wie "Weltbild", die den Preisvorteil der Buchclubs schon seit über zehn Jahren schrumpfen lassen.

    "Ja."

    Ist es der Club-Gedanke oder ist es das Lizenzgeschäft, von dem der Buchclub ja lebte, heute das Auslaufmodell?

    "Nein, die Lizenzen sind weiterhin zu kriegen, aber das ganze System des Buchclubs beruht ja auf einer Pflichtabnahme. Von einem Minimum an Büchern bzw., ich sage mal, Gegenständen, man kann ja auch andere Dinge da kaufen. Und dagegen wendet sich das Interesse der Käufer schon lange. Pflicht ist etwas, was an Reiz verloren hat. Und der Konzern "Weltbild", der ja zur Hälfte der katholischen Kirche gehört hat in den letzten Jahren eben ohne Pflicht quasi ein buchclubähnliches System aufgezogen und damit einen gewaltigen Erfolg erzielt."

    Lassen Sie uns, Matthias Wegner, inhaltlich zurückschauen. Die Buchclubs hatten ja die Funktion, Leserschaften zu organisieren, wo es sie noch nicht gab, etwa auf dem Land. Und sie haben damit gepunktet, Hardcover-Bücher ein halbes Jahr nach der Neuerscheinung billiger anzubieten und sie gaben ihren Lesern so eine Art Orientierung. Niemand musste Angst haben, dort mit literarischer Avantgarde konfrontiert zu werden, sondern es gab so etwas, wie die erfolgreiche womöglich ans Herz gehende Durchschnittsware?

    "Ja, wobei, wenn man sich die Buchclubprogramme der letzten 20 Jahre genauer ansehen würde, wäre man erstaunt, wie viel sogenanntes Anspruchsvolles, ja geradezu Avantgardistisches doch auch im Buchclub möglich war. Aber wie gesagt, die Vorteile, die vor allen Dingen mit den günstigeren Preisen verbunden waren, sind durch den veränderten Markt und vor allen Dingen auch seinem gewaltigen Aufstieg des Taschenbuches, und zwar nicht nur des billigen und populären Taschenbuches, sondern des veredelten Taschenbuches, das auch teurer ist, dadurch sind die ganzen Systemvorteile der Buchclubs in sich zusammengesunken. Und es gibt noch einen wichtigen Punkt. Reinhard Mohn selber, der Gründer des Bertelsmann-Leserings hat bei den frühen Konflikten mit dem Buchhandel dem Buchhandel versprochen, "Der Club" wird sich nicht buchhändlerisch betätigen, wird euch nicht in die Quere kommen. Das war ein Versprechen, an das sich Bertelsmann lange gehalten hat, dass ihn aber gewissermaßen an den Strick geliefert hat. Denn andere, beispielsweise "Weltbild", haben sich an diese Zurückhaltung nicht gehalten und ehe sich Bertelsmann versah, war ihm ein Konkurrent erwachsen, der sowohl das Buchclub-Geschäft wie das allgemeine Sortimentsgeschäft präsentierte."

    Um das ein bisschen zu relativieren, Herr Wegner, vor genau zehn Jahren hat Bertelsmann dieses eigene Geschäftskonzept durchbrochen, als es mit einer Erstveröffentlichung herauskam, die dazu noch teuerst bezahlt war, "Das Lazaruskind" hieß der Titel von Robert Mawson. War das der Versuch, das Steuer herumzureißen?

    "Das war ein viel zu später Versuch, das Steuer herumzureißen. Da waren aber die Marktströme bereits in die großen Buchhandelsketten und vor allen Dingen eben auch zu "Weltbild" geflossen."

    Vielen Dank an Matthias Wegner für diese Einschätzungen zur Vermutung, Bertelsmann wolle seine Buchclubs verkaufen. Von "Weltbild" wissen wir ja seit dem Wochenende, dass der Medienkonzern ebenfalls zum Verkauf steht.