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Bertelsmann-Studie zur Bundestagswahl
AfD-Wähler haben Angst vor Modernisierung

Jeder fünfte Wähler aus der bürgerlichen Mitte hat am 24. September für die AfD gestimmt. Das belegt eine aktuelle Bertelsmann-Studie. Doch neben ehemaligen CDU-Wählern ist es der AfD auch gelungen, andere Gruppen und sogar Nichtwähler zu mobilisieren. Ein Grund dafür: die Angst der AfD-Wähler vor Modernisierung.

Von Paul Vorreiter | 06.10.2017
    Die Spitzenkandidatin der AfD für die Bundestagswahl, Alice Weidel
    Die AfD mobilisiere diverse Wählerschichten, erklären die Macher einer aktuellen Bertelsmann-Studie zum Wählerverhalten während der Bundestagswahl 2017. (dpa / Wolfgang Kumm)
    Die AfD hat die deutsche Parteienlandschaft durcheinandergewirbelt und ist dabei tief in die bürgerliche Mitte vorgedrungen. Dort macht die AfD vor allem der Union Konkurrenz. Laut Bertelsmann-Studie hat jeder fünfte Wähler aus dieser Gruppe am 24. September für die AfD gestimmt. Das ist ein Zuwachs um knapp 15 Prozent im Vergleich zur Wahl 2013. Die Union habe in diesem Milieu den höchsten Verlust aller Parteien erlitten. Eine Veränderung in dieser Größenordnung ist neu, sagt Wolfgang Schroeder, Politikwissenschaftler an der Universität Kassel, auch wenn sich der Trend schon früher abgezeichnet hat:
    "Eine ähnliche Entwicklung, haben wir auch bei den vorhergehenden Landtagswahlen, wo nämlich auch durch die Präsenz der AfD, die Wahlbeteiligung nach oben gegangen ist, wir haben ja diesmal eine zunehmende Wahlbeteiligung von fast fünf Prozent und diese führt zu einem Verlust der bürgerlichen Parteien in der Mitte und zu einer Zunahme der Prekären in der Wahlbeteiligung."
    AfD mobilisiert vielseitig
    Das heißt, die AfD mobilisiert vielseitig: In der Mitte, aber auch bei armen oder sozial benachteiligten Bürgern, die sich tendenziell eher von Wahlen fernhalten. Laut Studie konnte die AfD im prekären Milieu ihr stärkstes Ergebnis erreichen, 28 Prozent der Stimmen. Unter den sozial benachteiligten Wählern haben demnach gut 63 Prozent entweder gar nicht gewählt, eine sonstige Partei oder die AfD gewählt. Das zeigt, die Etablierten verlieren in diesem Milieu massiv an Boden. Wenn es eine Partei schafft, sozial benachteiligte Menschen wieder an die Wahlurne zu bringen, dann sei es vor allem die AfD.
    Die Studie deutet darüber hinaus auf eine weitere Trennlinie in der Gesellschaft, die das Wahlverhalten entscheidend geprägt habe. Und zwar die zwischen Modernisierungsbefürwortern und -gegnern. Die Gegner stehen Tendenzen wie Globalisierung, einer weiteren europäischen Integration oder neuen kulturellen Einflüssen zumindest skeptisch gegenüber. Die hätten vor allem für die AfD gestimmt. Dass die Partei bei diesen Wählern so dominant ist, bezeichnen die Macher der Studie als "Alleinstellungsmerkmal". Denn die Mehrheit der Wähler der anderen im Bundestag vertretenen Parteien gehöre zu Milieus, die der Modernisierung etwas Gutes abgewinnen können. Diese Aufteilung greift zur kurz, kritisiert Wolfgang Schroeder:
    "Das fundamentale Ereignis, dass diese starke Basis der AfD möglich gemacht hat, ist die Flüchtlingskrise, insofern ist die Gegenüberstellung Modernisierungsgewinner und -verlierer nur die halbe Wahrheit."
    Dagegen sagt Robert Vehrkamp, der Leiter der Studie, dass viele der anstehenden politischen Kontroversen entlang der Modernisierungs-Konfliktlinie verlaufen und ausgetragen werden könnten.