Schon 2020 soll so einiges anders werden in der beruflichen Bildung in Deutschland. Moderner, verständlicher und, ja, auch ein bisschen gerechter soll die Ausbildung und die berufliche Weiterbildung werden. So sieht es jedenfalls die CDU, die die Novelle des Berufsbildungsgesetzes gemeinsam mit der SPD auf den Weg gebracht hat. CDU-Bildungspolitiker Stephan Albani warb heute im Ausschuss nochmal für das geplante "Berufsbildungs-Modernisierungsgesetz".
"Das ist keine Reform um der Reform willen, sondern etwas, wo wir gucken wollen, wie können wir dieses System attraktiver gestalten und hier müssen wir das System aus der Brille der jungen Menschen betrachten und nicht derer, die bereits ihre Ausbildung durchlaufen haben und ihre Freude an tradierten Dingen haben."
Was Albani damit meint: Die Berufsbezeichnung. Es soll nämlich neue Etiketten, neue Bezeichnungen für die geben, die sich nach der Ausbildung weiter qualifizieren. Dort herrscht heute ein heilloser Wirrwarr an Bezeichnungen je nach Branche und Qualifikation.
Handwerks-Meister wird zum Bachelor Professional
Wer heute etwa geprüfter Servicetechniker ist, darf sich nach Plänen der Bundesregierung künftig "geprüfter Berufsspezialist" nennen.
Handwerks-Meister und geprüfte Finanzbuchhalter werden zum Bachelor Professional. Geprüfte Betriebswirte und Pädagogen gar zum Master Professional. Gut so, findet Achim Dercks vom Deutschen Industrie und Handelskammertag.
"Wir finden die neuen Titel gut, sie werden vor Ort in vielen Ländern ja auch schon als Übersetzungen genutzt von daher sind sie auch bekannt. Aber als Gattungsbegriff für die Vielfalt der höheren Berufsbildung vom Handwerksmeister über den Bilanzbuchhalter bis zum Fachwirt zum Tourismus bieten sie ne gute Überschrift und Klammer um klarzumachen, dass wir neben der Hochschule ein weiteres hochqualifiziertes Bildungssystem haben."
Kritik an irreführenden Berufsbezeichnungen
Der DIHK stand bei der Expertenanhörung im Bildungsausschuss allerdings so ziemlich allein auf weiter Flur. Fast alle anderen Verbände vom Arbeitgeberverband BDA bis zum DGB sprechen sich gegen die neuen Titel aus. So auch Katharina Weinert vom Deutschen Handelsverband.
"Die neuen Bezeichnungen sind irreführend, insbesondere weil der Zusatz professional keine klare sprachliche Abgrenzung darstellt und schon gar nicht auf die Berufliche Bildung hindeutet. Für uns ist auch nicht nachvollziehbar, warum man ein funktionierendes System, auf das alle in Deutschland stolz sind, komplett ohne Not infrage stellt. Denn durch die neuen Begriffe wird die Arbeit der Sozialpartner infrage gestellt."
Ähnlich sieht es die Opposition. FDP und AfD halten die neuen Titel für Etikettenschwindel. Und auch die Hochschulrektorenkonferenz, die bei der Anhörung heute nicht dabei war, findet: Bachelor und Master Professional seien irreführend. Schließlich würden die Titel europaweit ausschließlich von Hochschulen vergeben und daher im Ausland eindeutig als Hochschulabschlüsse wahrgenommen.
Möglichkeiten zur verkürzten Ausbildung attraktiver als Titel
Um die Berufliche Bildung auch für Abiturienten attraktiver zu machen brauche es keine neuen Titel, sondern klare Regeln für eine verkürzte Ausbildung, meint Katharina Weinert vom Handelsverband.
"Dass man zum Beispiel eine 3,5-jährige Ausbildung auf zwei Jahre verkürzen kann, eine zweijährige, auf anderthalb Jahre, eine anderthalbjährige auf ein Jahr. Das würde zu mehr Transparenz führen, wenn das im Gesetz stehen würde und auch die Attraktivität zumindest für Hochschulzugangsberechtigte steigern."
Weniger Widerspruch gibt es bei der zweiten entscheidenden Neuerung: Die Mindestausbildungsvergütung. Ab 2020 sollen Azubis im ersten Lehrjahr mindestens 515 Euro bekommen, im zweiten gut 600 im dritten 705. Eine wichtige untere Haltelinke, sagt Elka Hannack vom DGB.
"Die Einführung der Mindestausbildungsvergütung ist der größte Pluspunkt der Novelle, die Berufliche Bildung braucht mehr Wertschätzung, die sich auch in harten Euros für die Azubis ausdrücken muss. Die Mindestausbildungsvergütung wird die berufliche Bildung attraktiver machen!"
Dass auch die Arbeitgeberverbände mit dieser "unteren Haltelinie" kein Problem haben, hat allerdings einen einfachen Grund. Nur sehr wenige Betriebe müssten ihren Azubis mehr zahlen, wenn das neue Gesetz in Kraft ist. Drei Prozent, um genau zu sein.
Das hat einen einfachen Grund: Der Mindestlohn für Azubis gilt nur Unternehmen, die nicht tariflich gebunden sind: bezahlen tariflich gebundene Firmen ihre Azubis besonders schlecht, können sie das auch weiterhin.
Trotz aller Kritik – noch in diesem Jahr soll die Novelle im Bundestag beschlossen werden – und schon im nächsten Ausbildungsjahr für alle Azubis gelten.