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Berufliche Hochschule Hamburg
Eine neue Kombination aus Ausbildung und Studium

Schulabgänger sind sich oft nicht sicher, was besser zu ihnen passt: eine Ausbildung in einem Betrieb oder ein Studium. Die neu gegründete Berufliche Hochschule Hamburg (BHH) wolle diese beiden Elemente gleichwertig zusammenbringen, erklärt Gründungspräsident Dieter Euler im Dlf.

Dieter Euler im Gespräch mit Thekla Jahn |
Eine Luftaufnahme des Hafens und der Speicherstadt in Hamburg
Hamburg bekommt eine neue Art Hochschule (dpa / Zoonar.com / Jonas Weinitschke)

Wie sieht das Konzept der Beruflichen Hochschule Hamburg (BHH) aus?

Es läuft konkret so ab, dass Sie in eine Berufsausbildung eintreten – beispielsweise eine Berufsausbildung zum Informatiker oder zum Bankkaufmann, Bankkauffrau oder Industriekaufmann, Industriekauffrau –, und parallel zu dieser Berufsausbildung, die ja traditionell in einer Berufsschule und auch in einem Betrieb stattfindet, dann bereits Module an der Hochschule absolvieren.
Nach gut einem Jahr haben Sie dann die Möglichkeit, eine Entscheidung darüber treffen, ob Sie die Ausbildung erst mal nur zu Ende machen wollen oder ob Sie gleichzeitig auch das Studium weiterführen wollen und dann nach insgesamt vier Jahren einen Doppelabschluss, nämlich einen Berufsausbildungsabschluss und einen Bachelorabschluss absolvieren. Das ist so das Grundkonzept, das ist eigentlich zugeschnitten für genau die Jugendlichen, die nach ihrer Schulzeit im Grunde noch etwas unschlüssig darüber sind, was für sie der beste Weg ist.

Bei der Entscheidung über den Berufsweg sollen Coaches helfen. Wie läuft das ab?

Das Coaching nimmt im Grunde die Erfahrungen auf, die die Jugendlichen sowohl in der Berufsschule, im Betrieb, in der Ausbildung als auch in der Hochschule gewinnen können. Und insofern ist ein Coach jemand, man kann sich das ja vorstellen auch aus dem Sport, der steht am Spielfeldrand, der beobachtet, der gibt Rückmeldungen und führt letztlich die jungen Leute auf ihrem Weg zu einer reflektierten und tragfähigen Bildungswegentscheidung. Das Wesentliche hierbei ist, dass diese Coaches auch versuchen, selbst sehr gut vernetzt zu sein mit den jeweiligen Lehrenden an den Lernorten, um dann auch von dieser Seite her eine tragfähige Informationsbasis zu generieren und diese an die Jugendlichen zurückzugeben.

Interessierte bewerben sich bei Unternehmen. Weshalb nicht an der Hochschule?

Es gibt ja schon Konzepte des dualen Studiums, die sehr häufig darauf hinauslaufen, dass das Studium im Vordergrund steht und Ausbildung entweder gar nicht stattfindet, das ist das sogenannte praxisintegrierte duale Studium, oder die Ausbildung, ich würde es mal so formulieren, am Katzentisch des Bildungskonzeptes sitzt, also so am Rande mitläuft. Und in diesem Konzept ist die berufliche Ausbildung tatsächlich ein gleichwertiger Partner auf Augenhöhe, die beruflichen Schulen übernehmen auch wesentliche Lehraufgaben, nicht nur Coachingaufgaben, einzelne Module werden kooperativ zwischen Berufsschule und Hochschule absolviert. Es werden beispielsweise auch Projekte in Betrieben durchgeführt, die dann in der Hochschule reflektiert werden und dann auch mit Module mit ECTS verbunden angerechnet werden. Sie sehen, es sind sehr viele Kooperationsprozesse hinter diesem Konzept, die allesamt dazu beitragen, dass die Lernorte Betrieb, Berufsschule und Hochschule auf einer sehr gleichwertigen Basis zusammenarbeiten.

Welche Prüfungen und Abschlüsse gibt es?

Der Berufsausbildungsabschluss wird wie bisher von der sogenannten zuständigen Stelle, das ist in der Regel dann die Industrie- und Handelskammer, das kann auch eine Handwerkskammer sein, es können andere Kammern sein, abgenommen. Der Studienabschluss wird an der Hochschule verliehen, das sind akkreditierte Studiengänge, die dann eben mit einem Bachelorabschluss enden.

Welchen Vorteil haben ausbildende Unternehmen?

Es ist bisher eher so, dass Jugendliche, die eine Berufsausbildung in einem Betrieb absolvieren ohne ein Studium, nach der Ausbildung häufig noch studieren. Und diese verlassen dann auch den Betrieb. In diesem Konzept sind sie über vier Jahre im Betrieb, der Betrieb hat die Möglichkeit, sie kennenzulernen. Wenn dieses Konzept so realisiert wird, wie wir es entwickelt haben, gibt es im Grunde auch ein ganz anderes Kompetenzprofil, wir nennen es hybrides Kompetenzprofil, wo Praxis und Theorie sich auf eine sehr hochwertige Weise miteinander verbinden. Und das ist für Betriebe jetzt ein sehr attraktives Modell, weil natürlich auch in den betrieblichen Kontexten sich die Kompetenzanforderungen in den vergangenen Jahren – Stichwort Digitalisierung – wesentlich erhöht haben und sie über diesen Bildungsweg auch Absolventen bekommen, die in ihrem betrieblichen Anforderungsportfolio sehr gut hineinpassen.

Das Projekt läuft zunächst nur in Hamburg? Könnte es sich bundesweit etablieren?

Das ist im Grunde die Gründung eines neuen Hochschultyps, die auch dann in den Regelbetrieb der Hamburgischen Hochschullandschaft eingebettet ist. Hamburg ist natürlich als Stadtstaat prädestiniert, das auch in Form einer eigenständigen Hochschule zu machen. In anderen Bundesländern würde es möglicherweise andere Formen der Realisation geben können, etwa dergestalt, dass Berufsschulen dann mit den lokalen Fachhochschulen kooperieren und dieses Modell, wir sprechen hier von einer sogenannten studienintegrierenden Ausbildung, dann in anderen Organisationsformen dann auch realisiert wird.
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