Die Berufsorientierung soll besser werden - an allen Schulen. Doch insbesondere die Gymnasien werden im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung genannt. Man will vor allem raus aus dem Automatismus "nach dem Abi gleich ins Studium", sagt Christoph Meier, Geschäftsführer bei der IHK Köln:
"Ganze Klassen an Realschulen beispielsweise gehen an weiterführende Schulen, an Berufskollegs, Gesamtschulen, Gymnasien. Da spielt das Thema duale Ausbildung gar keine Rolle mehr. Die sehen dann die Chance, die vermeintlich bessere Wahl eines Studiums anzutreten. Und von daher müssen die Schülerinnen und Schüler aus unserer Sicht zusehen, dass sie sich verschiedene Berufe ansehen, sich dafür interessieren, aber immer mit der Maßgabe, wenn ich mich für eine entscheide, ist das keine Entscheidung mehr fürs Leben."
Den Ausbildungsbetrieben geht der Nachwuchs aus. Zwei Drittel der Schülerinnen und Schüler eines Jahrgangs machen Abitur. Bundesweit versuchen Handwerk und Industrie gegen den Trend zum Studium anzukommen. Viele Initiativen handeln nach dem Motto: Wir kommen vorbei! Und bringen die duale Ausbildung zum Anfassen mit.
Den Ausbildungsbetrieben geht der Nachwuchs aus. Zwei Drittel der Schülerinnen und Schüler eines Jahrgangs machen Abitur. Bundesweit versuchen Handwerk und Industrie gegen den Trend zum Studium anzukommen. Viele Initiativen handeln nach dem Motto: Wir kommen vorbei! Und bringen die duale Ausbildung zum Anfassen mit.
Ausbildungsbotschafter auf Augenhöhe
Zum Beispiel mit Hilfe von Sven Breitbach. Er ist Ausbildungsbotschafter der IHK für seinen Traumberuf: Veranstaltungskaufmann. 21 Jahre, zweites Lehrjahr, schafft er es, in achten und neunten Klassen an Gymnasien neugierig zu machen auf sich und seine Alternative zum Studium:
"So dieses Organisieren, Zeitmanagement, das war immer so mein Fall. So Geburtstag planen oder damals den Abschluss in der Realschule planen. Oder den Abiball planen. Das war immer so mein Ding. Dafür hab ich geglüht. Da hab ich meine ganze Arbeit reingesteckt. Deswegen kam ich dann halt auch schon früh darauf und das gebe ich auch weiter, wenn ich als Ausbildungsbotschafter unterwegs bin."
"So dieses Organisieren, Zeitmanagement, das war immer so mein Fall. So Geburtstag planen oder damals den Abschluss in der Realschule planen. Oder den Abiball planen. Das war immer so mein Ding. Dafür hab ich geglüht. Da hab ich meine ganze Arbeit reingesteckt. Deswegen kam ich dann halt auch schon früh darauf und das gebe ich auch weiter, wenn ich als Ausbildungsbotschafter unterwegs bin."
Auch vom notwendigen Einsatz, den er bringen musste, dem freiwilligen Praktikum in den Sommerferien, erzählt er gern. Denn am Ende half ihm gerade das, eine Entscheidung zu treffen. So geht "peer-to-peer"-Marketing für die duale Ausbildung :
Ich bin direkt auf einer Augenhöhe, also ich stell mich als Sven vor, bin per Du mit denen. Da kommt dann jetzt erstmal: Ja, was macht ihr denn alles? Ihr baut Puppen, ihr seid auf einem Event, aber ihr macht auch die Nachbereitung. Dann kommt dann manchmal so: Wow - Ihr macht alles?"
Ich bin direkt auf einer Augenhöhe, also ich stell mich als Sven vor, bin per Du mit denen. Da kommt dann jetzt erstmal: Ja, was macht ihr denn alles? Ihr baut Puppen, ihr seid auf einem Event, aber ihr macht auch die Nachbereitung. Dann kommt dann manchmal so: Wow - Ihr macht alles?"
Erkundung in der Breite der Berufe
"Also wenn Sie für Ausbildungsberufe werben, dann müssen Sie eine Berufsorientierung machen, wo die Jugendlichen mit diesen Handwerken auch in Berührung kommen", sagt Professor Michael Heister vom BIBB, dem Bundesinstitut für berufliche Bildung. Er setzt auf Projekte, in denen Ausbildungsberufe eine Stimme und ein Gesicht bekommen. Für Berufe könne man nicht - wie es manche immer noch versuchen - in der Klasse und theoretisch begeistern. Hier kann und müsse noch mehr passieren: Selbsterfahrung und Erkundungen in der Breite der Berufe. Von bloßen Stippvisiten in der Arbeitswelt hält er wenig:
"In dem Berufsorientierungsprogramm, was wir haben, haben wir eigentlich für die Jugendlichen als Standard zwei Wochen meist in überbetrieblichen Berufsbildungsstätten, wo sie dann drei Berufe mal kennen lernen können. Vorher machen sie eine Potenzialanalyse: Was liegt Dir, was ist überhaupt Dein Interesse?"
In den meisten Bundesländern ist das längst Standard, und der gilt auch für Gymnasien. Doch nur die wirklich engagierten schaffen es, den Rahmen von Praxiserkundungen, Potenzialanalyse und Bewerbungstraining voll und ganz auch für die duale Ausbildung zu nutzen.
"Also es gibt mit Sicherheit einiges zu verbessern", weiß Michael Heister. Gute Beispiele gibt es durchaus: Gymnasien, die einen Newsletter zur Studien- und Berufswahl herausgeben, der alle zwei Monate Veranstaltungshinweise von Hochschulen, der Bundesagentur für Arbeit, IHK und den Ausbildungsbetrieben bringt. Oder Gymnasien, in denen Eltern als Experten für ihre Berufe werben. Oder eine Gesamtschule, die den Info-Truck zur Ausbildung in Metall- und Elektro-Berufen mit allen Achtklässlern besucht. Auf die Vielfalt kommt es an, sagt Michael Heister:
"Berufsorientierung scheint immer dann ganz wirksam zu sein, wenn es nicht eine Maßnahme ist, sondern mehrere. Und das würde auch jetzt für Gymnasien bedeuten: Es muss eben etwas mehr sein als ein Berufserkundungstag. Es könnte zum Beispiel eine Kombination sein von dem Berufserkundungstag, von einem "boys & girls day", von einem ein- bis zweiwöchigen Praktikum in einem Betrieb. Also diese Vielfältigkeit von Maßnahmen könnte auch Gymnasien an der Stelle etwas bringen.
"Berufsorientierung scheint immer dann ganz wirksam zu sein, wenn es nicht eine Maßnahme ist, sondern mehrere. Und das würde auch jetzt für Gymnasien bedeuten: Es muss eben etwas mehr sein als ein Berufserkundungstag. Es könnte zum Beispiel eine Kombination sein von dem Berufserkundungstag, von einem "boys & girls day", von einem ein- bis zweiwöchigen Praktikum in einem Betrieb. Also diese Vielfältigkeit von Maßnahmen könnte auch Gymnasien an der Stelle etwas bringen.
Fachkräftemangel als Geschäftsrisiko
"Das ist für uns elementar wichtig", kommentiert kurz und knapp Christoph Meier von der IHK Köln:
"Über 56 Prozent unserer Mitgliedsunternehmen geben das Thema Fachkräftesicherung als ihr Geschäftsrisiko Nummer eins an in Umfragen. Sowohl deutschlandweit als auch hier in der Region Köln ist das ungefähr derselbe Wert. Fast zwei Drittel der Unternehmen haben das Thema, können teilweise Aufträge nicht mehr annehmen oder haben, weil sie nicht mehr wissen, wer die hinterher abarbeiten soll."
Weshalb es Lotsen in die Ausbildungsbetriebe braucht - solche wie Sven Breitbach, den angehenden Veranstaltungskaufmann, der Gymnasiasten mühelos auf ganz neue Gedanken bringt:
"Also bei jedem Vortrag kommen mindestens zwei Leute und fragen: Kann man sich bei Euch bewerben? Kann man bei Euch ein Praktikum machen, bei Euch eine Ausbildung machen? Brauch ich ein Abitur? Das ist natürlich auch eine wichtige Frage. Und dann erzählt man natürlich: Ja, ihr könnt jederzeit bei uns ein Praktikum machen. Dann kann man auch mal die guten und schlechten Seiten kennenlernen."