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Berufsschule
Chance für junge Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt

Junge Flüchtlinge bekommen im ersten halben Jahr Deutschkurse angeboten und werden dann auf verschiedene Schulformen verteilt. Viele besuchen die Berufsschule - auch wenn sie in ihrer Heimat keine schulischen Erfahrungen sammeln konnten.

Von Tonia Koch |
    Leeres Klassenzimmer
    Junge Flüchtlinge besuchen mitunter in Deutschland zum ersten Mal eine Schule (picture alliance / dpa / Stefan Sauer)
    Es ist ein Uhr in der Nacht. Die Bundespolizei kontrolliert an der deutsch-französischen Grenze den Nachtzug von Paris über Saarbrücken nach Hamburg. Pro Monat fischen die Beamten bis zu 30 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus dem Zug und übergeben sie dem Jugendamt. Dort hat man inzwischen Erfahrung, denn der Zustrom an Minderjährigen, Flüchtlingen, die ohne Eltern unterwegs sind, reißt nicht ab, sagt Mirko Engel vom zuständigen Jugendamt beim Regionalverband Saarbrücken.
    "Wir können mit dem Ansturm sehr viel besser umgehen, weil es halt in der Zwischenzeit gelungen ist, Strukturen aufzubauen, Aufnahmestrukturen und Unterbringungsmöglichkeiten."
    Dazu zählt auch eine schulische Infrastruktur. Vom ersten Tag an werden den jungen Leuten Deutschkurse angeboten und nach etwa einem halben Jahr werden sie je nach Alter und Leistungsstand auf verschiedene Schulformen verteilt. Die meisten besuchen eine Berufsschule.
    Ohne Schulerfahrung
    Vor zweieinhalb Jahren kam auch Esmatullah Jafari nach Deutschland. Sein Weg führte ihn über den Iran, die Türkei, Griechenland, Italien und Frankreich nach Deutschland. Das Geld das er dem Schlepper dafür zahlen musste, damit er ihn nach Skandinavien oder nach Deutschland bringt, hat er sich wie die meisten minderjährigen afghanischen Flüchtlinge mit Kinderarbeit auf Baustellen im Iran verdient.
    "Ich habe im Iran gearbeitet, als Maurer, sieben Jahre."
    Als der heute 19-Jährige nach Deutschland kam, hatte er noch nie eine Schule von innen gesehen und konnte weder lesen noch schreiben.
    "Null Komma Null."
    Esmatullah Jafari hat zunächst eine sogenannte Produktionsschule besucht. In dieser Schulform ist der Praxisanteil besonders hoch. Sie wurde für Schülerinnen und Schüler entwickelt, die es in der Regelschulzeit nicht schaffen, einen Hauptschulabschluss zu erwerben. Mechthild Falk, Rektorin des Berufsbildungszentrums in St. Ingbert.
    "Erstens hatte man keinen Überblick darüber, mit welchen Vorkenntnissen kommen die Schüler, was bringen sie mit. Und die einfachste Vermittlung von Sprache geschieht über Praxis. Je höher der Theorieanteil ist, umso schwieriger ist es, die Schüler zu einem Schulabschluss zu führen, wenn keinerlei Sprachkenntnisse vorhanden sind. Und das Ziel war ja, neben der Vermittlung von Sprache, den Schülern auch die Möglichkeit zu geben, einen Schulabschluss zu erwerben."
    Bessere Chancen mit einem Berufsvorbereitungsjahr
    Esmatullah Jafari hat es geschafft, er hat das begehrte Dokument in der Tasche. Aber es reicht nicht. Denn nur wer in den Kernfächern wie Deutsch oder Mathematik mindestens eine Drei erzielt, bekommt im Saarland einen qualifizierten Abschluss, der auch die Chance auf eine Ausbildung eröffnet. Esmatullah Jafari hat sich daher entschlossen, noch ein Jahr dran zu hängen. Und er hat den Klassenverband, in dem ausschließlich afghanische Schüler unterrichtet werden, verlassen, um besser Deutsch zu lernen.
    "Wir sind alle Afghanen. In der Klasse und in der Pause, sprechen wir nur afghanisch und kein Deutsch. Deswegen wollte ich hier her kommen, Deutsch lernen."
    Auch Karim Nasri hat sich für ein Berufsvorbereitungsjahr entschieden, obwohl sein Hauptschulabschluss bereits ausgereicht hätte, direkt eine Ausbildung zu beginnen.
    "Weil ich meinen Abschluss verbessern will, damit ich einen guten Ausbildungsplatz bekomme."
    Er ist ebenfalls 19 Jahre alt und will Einzelhandelskaufmann werden. Während des Schuljahres besucht er an zwei Tagen in der Woche den Unterricht. An den anderen Tagen absolviert er in einer Rewe-Filiale in Saarbrücken sein Praktikum.
    "Das macht mir Spaß, mit Menschen zu tun zu haben, und ich freue mich, dass ich einer vom Rewe-Team, einer von denen bin und ich überhaupt da arbeiten kann."
    Karim Nasri und Esmatullah Jafari, der als Praktikant bei einem Metallbauer tätig ist, haben verstanden: Ohne formale Qualifikation geht nichts in Deutschland.