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Berufsverkehr
Schnell zur Arbeit auf der Fahrradautobahn

Kopenhagen gilt in Europa bei vielen als das Vorbild schlechthin, wenn es um Fahrradfreundlichkeit geht. Das System der Schnellstraßen wird weiter ausgebaut - mit all dem Service, den Autofahrer bereits von Raststätten kennen.

Von Marc-Christoph Wagner |
    Der Strom der Fahrradfahrer - er reißt und reißt nicht ab. Minutenlang warten die Autos aus den Neben-, bis sie auf die Hauptstraßen einbiegen können. An der Ampel kommen pro Grünphase höchstens zwei Pkw nach rechts. Kopenhagen an einem ganz normalen Morgen. Der Berufsverkehr ist fest in der Hand der Zweiräder.
    "Auf den breiten Radwegen kommt man gut voran, auf den schmaleren kann es sich schon mal stauen. Grundsätzlich aber ist Kopenhagen eine tolle Stadt zum Radfahren."
    "Naja, es ist ganz schön voll. Manche Radfahrer fahren schnell, andere eher gemütlich. Auf diesen breiten Radwegen könnten eigentlich vier nebeneinander fahren, aber wenn die Leute miteinander plauschen, dann kommt es schon mal zum Stau."
    "Ehrlich gesagt habe ich manches Mal schon gedacht, jetzt sind es einfach zu viele Radfahrer. Aber dann komme ich schnell wieder zur Vernunft und denke: Ist doch toll, dass so viele Menschen auf dem Rad unterwegs sind, anstatt mit dem eigenen Auto."
    Fahrradfahren - so der zuständige Bürgermeister Morten Kabell - ist billig, effektiv und umweltfreundlich - und erhöht somit die Lebensqualität in der Stadt. Eben deswegen treibt die Stadt Kopenhagen den Ausbau der Fahrradwege seit Jahren systematisch voran. An manchen Stellen ist der Radweg inzwischen gar breiter als die Straße.
    "Vor 20 Jahren wurde eine unserer Einfallstraßen täglich von 5.000 Fahrradfahrern genutzt, heute sind es über 40.000. Gleichzeitig fuhr der Bus dort noch 2005 mit der gleichen Geschwindigkeit wie die Kutsche 100 Jahre früher. Durch unsere Umlegung weg von den Autos hin zu grünen Transportformen wie Fahrräder und öffentlicher Nahverkehr kommen die Kopenhagener heute sehr viel schneller, angenehmer und auch gesünder durch die Stadt."
    Fahrradautobahnen mit Servicestationen
    Und - geht es nach Bürgermeister Kabell - ist man mit dieser Entwicklung noch lange nicht am Ende:
    Derzeit richten wir sogenannte Fahrradautobahnen ein. Damit wollen wir erreichen, dass auch Menschen, die weiter weg und außerhalb der Stadt wohnen, mit dem Fahrrad fahren. Heute gibt es eine mentale Grenze bei fünf, sechs Kilometern, darüber hinaus nehmen die Leute eher das Auto. Wir wollen diesen Abstand mit den Autobahnen verdoppeln. Diese Schnellstraßen sind breiter, werden kleine Servicestationen anbieten, an denen man einen Platten flicken oder die Reifen aufpumpen kann - im Grunde also all die Serviceangebote, die man auch von normalen Autobahnen kennt.
    Eine Entwicklung, die selbst die Lobbyisten beglückt. Denn auch die Leiterin des dänischen Radfahrerverbandes, Jette Gotsche, hat inzwischen kaum noch Wünsche offen:
    "Mehr Parkplätze für Fahrräder wären toll, denn wenn man mit dem Zweirad fährt, dann muss man es am Ziel ja auch irgendwo abstellen können. Heute ist es so, dass die Plätze vor den Bahnhöfen, die Fußgängerwege, die Abstellplätze vor den Geschäften schlichtweg überfüllt sind, worüber sich alle - Fahrradfahrer wie Passanten - mächtig ärgern."
    Diesen Einwand findet auch Bürgermeister Morten Kabell berechtigt, gleichzeitig fühlt er sich bestärkt darin, den eingeschlagenen Weg weiter zu beschreiten. Und für seine Kollegen in Deutschland hat er nur einen Rat - nämlich dem Kopenhagener Beispiel zu folgen:
    "Natürlich braucht es politischen Mut, man muss tief durchatmen und dann einfach loslegen. Dann aber gibt es keinen Weg zurück, weil man Fortschritte sehr schnell erreicht und eine lebenswertere Stadt erhält. Schließlich gibt es ja einen Grund dafür, dass Kopenhagen Jahr um Jahr zur lebenswertesten Stadt gekürt wird."