"Meine Kollegin: Caroline Mährlein, 27 Jahre alt, macht heute ihren Traumberuf, am Theater."
Roland Bedrich steht wie ein Lehrer vor der Klasse, neben ihm Caroline Mährlein:
"Mein Kollege: Roland Bedrich, 33 Jahre, 85 Kilo, wollte als Kind Dirigent werden, arbeitet heute am Theater."
Roland Bedrich und Caroline Mährlein, sie geben an diesem Mittwochmorgen zwei ganz perfide Spielmeister im Klassenzimmer:
"struggle for live"
Vor knapp 30 Mädchen und Jungen, die meisten zehn Jahre alt und jedem, wirklich jedem steht die Frage ins Gesicht geschrieben: Was eigentlich passiert hier?
"Wie weit würdet ihr gehen"
Kaum 5 Minuten sind vergangen und Caroline springt mit Roland auf den Lehrertisch. Das scheint noch harmlos.
"Mal angenommen, du müsstest weniger schlafen und hättest mehr Zeit zum Lernen. Oh!"
Dann packen Caroline und Roland ein paar weiße Pillen aus und laufen durch die Bankreihen.
"Und du wärest nicht so oft nervös, es gibt eine ganze Reihe von Substanzen mit denen wir unser Gehirn dopen können,"
Pfefferminzgeruch macht sich breit. Die Kinder blicken nach links und rechts. Wie entscheidet die Freundin? Was macht der Banknachbar? Soll ich trotzdem eine probieren?
"Probier mal."
"Is doch nur Traubenzucker"
Aussteigen oder mitmachen, das ist das Spiel.
"Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie ihren Arzt oder Apotheker"
Doch für Zweifel bleibt keine Zeit. Die Zuchtmeister vom Theater der Jungen Welt sollen die Kinder innerhalb einer Stunde durchchecken und optimieren. Also: Stühle und Bänke zur Seite. Und: ein straffes Programm.
"Wir wollen jetzt euren Ist-Zustand feststellen und als aller erstes testen wir dazu euer Wissen. Wir machen jetzt ein Quiz."
Wettkampf als Antrieb. Spiel als Vergnügen. Wie im Fernsehen bei den unzähligen Talentshows.
"In welcher Stadt steht der Eiffelturm?"
"Paris!"
"Richtig!!!"
Doch wo hört der Spaß auf? Roland Bedrich war selbst überrascht, wie weit das Thema greift:
"Es gibt ja schon Jungs in der achten Klasse, die regelmäßig ins Fitnessstudio gehen, ihren Körper stählen und formen, es gibt Apps, die helfen, sich selbst besser zu kontrollieren, Schritte zu zählen, oder die mir sagen, wer gute Freunde für mich sind, das ist alles längst im Alltag der Jugendlichen angekommen, die nutzen das auch, reflektieren das aber in den seltensten Fällen, und da docken wir an.
"Immer mehr Menschen vermessen ihre Welt und auch ihr könnt dabei sein!"
Im Zehnminutentakt ändern die zwei Spielmeister die Situation.
"Ihr könnt es nach schaffen, glaubt an Euch!"
Die Gruppe wird nach Siegern und loosern sortiert, überhaupt vollzieht sich hier eigentlich eine üble Art der Auslese, aber:
"Die spielen auch gerne mit, weil das Spiel durch seine Regelhaftigkeit sie auch entlastet, sie folgen unseren Anweisungen, müssen nicht alles selbst entscheiden, und können darüber auch kommunizieren. Wie machst du's wie mach ich's. Das ist irgendwie lustig."
"Besser ich" erinnert in seiner Labor-Atmosphäre an den Film "Die Welle". Wie bringe ich Schüler zum Nachdenken? Und wann setzt dieser Moment ein?
"Und oft ist es so, dass die Schüler eben einem hinterher laufen, so einem Alphatier, so einem Anführer in der Klasse und alle auf einer Seite stehen und dann erst merken, ich mach doch irgendwas falsch. Und dieser Punkt, dieser Bruch löst Reflexionen aus."
Und auch diese eine fiese Frage, die das ganze Theaterstück durchzieht:
"Wie weit würdest du gehen? Ja, wie weit würdest du gehen, ja?
"Also bis wohin ist es in Ordnung und ab wann sag ich, ich geh nicht mehr mit mit dem Spiel. Man muss schon sagen, wir provozieren sie, wir verführen sie schon sehr zu diesem Spiel mitzumachen. Aber es ist noch nie passiert, dass jemand total ausgestiegen ist."
Zwischen Muckibude, Laufstegposing und Seelenwäsche spielen die zwei Leipziger Theaterpädagogen dieses perfide Spiel quälend nah an der Realität,
hier im geschützten Klassenraum macht das richtige Leben durchaus angst. In diesem Fall ist es nur Theater.