Als junger Mann begegnete Richard Sennett dem französischen Philosophen Michel Foucault, da war dieser noch ein Unbekannter. Und auch Richard Sennett war noch kein Soziologe, sondern spielte Cello auf einer Konzertreise durch Frankreich. Aus der Begegnung entstand eine Freundschaft, die sich im Schreiben Richard Sennetts bis heute niederschlägt. Vor allem Michel Foucaults späte Schriften zur Lebenskunst haben in der Art und Weise, wie Richard Sennett unsere Welt betrachtet, Spuren hinterlassen. Michel Foucault ging es in seinen späten Schriften um eine Praxis der Selbstsorge. Diese Selbstsorge bedurfte, so Foucault, bestimmter Übungen und Techniken, die es zu lernen und zu verfeinern galt.
Genau hier setzt der Grundgedanke der Trilogie Richards Sennetts an. Er beleuchtet darin sogenannte "Kulturtechniken", die der kontinuierlichen Praxis bedürfen, um sie als individuelles und gesellschaftliches Potential zu erhalten. "Handwerk" lautet der schlichte Titel des ersten Bandes der Trilogie. "Zusammenarbeit" heißt der aktuelle, zweite Band.
Wie Foucault setzt Richard Sennett auf die elementare Kraft der Erfahrung, die uns als Individuen verändert. Was passiert, wenn uns das Handwerk in einer digitalisierten Welt abhanden kommt? Zu welchen Menschen werden wir, wenn wir nur nach ökonomischen Gesetzen funktionieren?
Mit neugierigem, warmem Blick betrachtet Richard Sennett unsere Gegenwart. Kritisch betrachtet er die Entwicklungen der letzten Jahre, die unter einem marktkonformen Stern standen. So hat er zahlreiche Interviews mit Angestellten an der Wall Street geführt, die während der Finanzkrise 2008 ihren Job verloren haben.
"In der Finanzindustrie herrscht starker Stress, und man verlangt von den Beschäftigten extrem lange Arbeitszeiten, sodass sie viel Zeit, die sie mit ihren Kindern und Ehepartnern oder mit geselligen Vergnügungen verbringen könnten, für den Job opfern müssen. Viele der Befragten sind nach dem Trauma von 2008 nicht mehr bereit zu solchen persönlichen Opfern. Im Rückblick empfinden sie einige Bitterkeit, weil sie sich darauf eingelassen haben, das Spiel der Finanzbranche nach deren Bedingungen zu spielen. Sie haben inzwischen erkannt, wie wenig Achtung sie für ihre früheren Chefs empfanden, welch oberflächlichen Charakter ihr Vertrauen zu den Arbeitskollegen hatte und vor allem wie schwach die Kooperation innerhalb der Branche vor dem Ausbruch der Krise ausgeprägt war. Die Befragten haben heute das Gefühl, dass sie kaum Bindungen zu ihren Arbeitskollegen und ihrem Arbeitsplatz entwickelt hatten."
Wie entstehen konstante, zwischenmenschliche Bindungen? Wie lässt sich Kooperation gestalten? Richard Sennett liefert keine Glücksrezepte, er macht bewusst, in welcher Zeit wir leben. Damit möchte er die Leserinnen und Leser selbst zu einem kritischen Engagement bewegen, inspirieren und anregen. Denn gerade in unserer heutigen komplexen Lebenswelt sei, so Sennett, Kooperationsfähigkeit unerlässlich:
""Kooperation verlangt gewisse Fertigkeiten. Vielleicht geht es Ihnen wie mir und Sie mögen den Ausdruck 'soziale Fertigkeiten' nicht, weil er an Menschen denken lässt, die geschickt darin sind, auf Cocktailpartys Konversation zu betreiben oder Ihnen Dinge zu verkaufen, die Sie nicht brauchen. Es gibt indes auch soziale Fertigkeiten seriöser Art. Dazu gehört ein ganzes Spektrum, das von gutem Zuhören und taktvollem Verhalten über das Ausfindigmachen von Übereinstimmungen bis hin zum geschickten Umgang mit Meinungsverschiedenheiten oder der Vermeidung von Frustration in schwierigen Diskussionen reicht. Für diese Tätigkeiten gibt es eine technische Bezeichnung: 'Dialogfähigkeiten'."
Der aufmerksame Dialog ist Sennetts Geheimrezept für eine gelingende Kooperation. In diesem Kontext zitiert er den sowjetischen Literaturwissenschaftler und Kulturtheoretiker Michail Bachtin, der Sprache als "dialogische Handlung" beschrieb. Bachtins Ansatz aus den 1920er-Jahren beinhaltete eine Ideologiekritik gegenüber monologischen, diktatorischen Sprechweisen. Wie viel gesellschaftlicher Zündstoff in seiner Literaturtheorie steckte, zeigte sich, als seine Arbeiten während der Stalin-Ära nicht erscheinen konnten.
Wenn Richard Sennett vom Dialogischen spricht, wendet er sich gegen das neoliberale Dogma des "anything goes". Gegen Oberflächlichkeit, Unverbindlichkeit und Konformität.
"Wenn wir über Kommunikationsfähigkeit reden, legen wir das Schwergewicht meist auf die Fähigkeit, klar und verständlich vorzutragen, was wir denken und fühlen. Dazu bedarf es tatsächlich gewisser Fähigkeiten, doch die sind deklarativen Charakters. Zuhören erfordert eine Reihe anderer Fähigkeiten. Hier gilt es, genau darauf zu achten, was andere sagen, und es zu interpretieren, bevor man antwortet, und zwar die Gesten und Sprechpausen ebenso wie das explizit Gesagte. Obwohl wir uns möglicherweise zurückhalten müssen, um beobachten zu können, wird das Gespräch dadurch reicher, kooperativer, dialogischer."
Richard Sennett weiß um die Kunst des Zuhörens. Er spielt heute wieder Cello in einem Orchester, nachdem er seine frühe Karriere als Cellist aufgeben musste.
In diesem Kontext erklärt Richard Sennett episch und breit, welche gute Gesellschaftsschule ein Orchester ist. Diese Langatmigkeit ist leider eines der Schwächen seines Buches. Die Quintessenz hätte gereicht: das eigene Instrument exzellent spielen zu können und zugleich die Andersartigkeit der anderen Instrumente anzuerkennen und wertzuschätzen, sorge für das Beste gemeinsame Ergebnis, so die treffende Erkenntnis Sennetts. Und auch ein paar weitere Beobachtungen sind bereichernd. So beschreibt er den Unterschied von Sympathie und Empathie auf präzise Weise:
"Sowohl Sympathie als auch Empathie bringen Anerkennung zum Ausdruck, und beide schaffen eine Verbindung, doch im einen Fall ist diese Verbindung eine Umarmung, im anderen eine Begegnung. Sympathie überwindet Unterschiede durch eine in der Vorstellung vollzogene Identifikation. Empathie geht auf den anderen nach dessen eigenen Bedingungen ein."
An anderer Stelle jedoch wagt Richard Sennett Thesen mit wenig Hand und Fuß. So probiert er mit Halbwissen aus der Primatenforschung zu erklären, ob Kooperation angeboren ist und wie sie vererbt wird, blendet aber aus, dass genau diese Fragen ein mittlerweile in der Evolutionsbiologie gut erforschtes und kontrovers diskutiertes Feld sind.
Er verankert damit seine "Kooperationstheorie" immer wieder biologisch und wendet sich gleichzeitig gegen einen Biologismus. Seine Argumentation wirkt an dieser Stelle nicht sehr fundiert und auch nicht sehr stringent. Dabei zieht er durchaus an manchen Stellen die richtigen Konsequenzen. Zum Beispiel zitiert er den umstrittenen Biologen Richard Dawkins mit seinem Buch "Das Egoistische Gen". Dessen wichtigste These, dass Tiere wie Menschen reine Kosten-Nutzen-Maximierer seien, widerlegt Sennett auf plausible und poetische Weise:
"Die Gewohnheit, über sein Leben Buch zu führen, ist nicht falsch, doch einfältig. Soziale Tiere wechseln häufig von einer Form des Austauschs zur anderen und erweisen sich damit als unzuverlässige Buchhalter. Auf der Suche nach einem Schaf, das er fressen kann, lässt der Wolf sich plötzlich von den aufregenden gelbgrauen Augen seiner Jagdgefährtin ablenken… Während das Paar sich, eingehüllt von den Düften der Nacht, auf der weichen Matratze des Waldbodens tummelt, vergessen sie für eine Weile, dass sie eigentlich darauf aus waren, zu töten."
Und auch in einem turbokapitalistischen Land wie China will Richard Sennett einen gänzlich undarwinistischen Funken entdecken: "Guanxi" würden die Chinesen einen Kodex nennen, so Sennett, der den sozialen Zusammenhalt innerhalb weitverzweigter, familiärer Strukturen garantiere. Vettern dritten Grades würden in diesem Sinne ebenso füreinander einspringen wie die nächsten Angehörigen. Die chinesische Praxis des "Guanxi" stilisiert Richard Sennett zum Ideal kooperativen Seins.
Das wirkt ein wenig kitschig, da es eine schöne Errungenschaft moderner Demokratie ist, auf freiwilliger Basis miteinander kooperieren zu können – das muss zwar nicht immer gelingen, aber zumindest haben wir die freie Wahl und die Möglichkeit, es gelingen zu lassen.
Insgesamt schwingt ein melancholischer Grundton durch Richard Sennetts Werk, wenn er wiederholt behauptet, dass wir den Impuls verlieren würden, mit Menschen, die anders sind, zusammenzuarbeiten. Gibt es doch zahlreiche, beeindruckende Beispiele aus der Praxis, die das Gegenteil beweisen. Menschen, die europaweit alternative Wirtschaftssysteme entwickeln oder gemeinsam für eine neue demokratische Idee eintreten.
Auch wäre weniger mehr gewesen in Richard Sennetts rund 400 Seiten starkem Buch "Zusammenarbeit. Was unsere Gesellschaft zusammenhält". Und trotzdem sind Sennetts anthropologische Neugier für das Wesen unserer Individualität und Verbundenheit beachtlich. Er durchwandert das Thema "Kooperation" wie einen neu zu bemessenden Kontinent und gibt uns praktische Beispiele und Ideen an die Hand, wie wir noch besser miteinander leben und arbeiten können.
Richard Sennett: Zusammenarbeit. Was unsere Gesellschaft zusammenhält. Aus dem Englischen von Michael Bischoff
Hanser Berlin 2012. Hardcover, 416 Seiten, 24,90 Euro
ISBN 978-3-446-24035-3
Genau hier setzt der Grundgedanke der Trilogie Richards Sennetts an. Er beleuchtet darin sogenannte "Kulturtechniken", die der kontinuierlichen Praxis bedürfen, um sie als individuelles und gesellschaftliches Potential zu erhalten. "Handwerk" lautet der schlichte Titel des ersten Bandes der Trilogie. "Zusammenarbeit" heißt der aktuelle, zweite Band.
Wie Foucault setzt Richard Sennett auf die elementare Kraft der Erfahrung, die uns als Individuen verändert. Was passiert, wenn uns das Handwerk in einer digitalisierten Welt abhanden kommt? Zu welchen Menschen werden wir, wenn wir nur nach ökonomischen Gesetzen funktionieren?
Mit neugierigem, warmem Blick betrachtet Richard Sennett unsere Gegenwart. Kritisch betrachtet er die Entwicklungen der letzten Jahre, die unter einem marktkonformen Stern standen. So hat er zahlreiche Interviews mit Angestellten an der Wall Street geführt, die während der Finanzkrise 2008 ihren Job verloren haben.
"In der Finanzindustrie herrscht starker Stress, und man verlangt von den Beschäftigten extrem lange Arbeitszeiten, sodass sie viel Zeit, die sie mit ihren Kindern und Ehepartnern oder mit geselligen Vergnügungen verbringen könnten, für den Job opfern müssen. Viele der Befragten sind nach dem Trauma von 2008 nicht mehr bereit zu solchen persönlichen Opfern. Im Rückblick empfinden sie einige Bitterkeit, weil sie sich darauf eingelassen haben, das Spiel der Finanzbranche nach deren Bedingungen zu spielen. Sie haben inzwischen erkannt, wie wenig Achtung sie für ihre früheren Chefs empfanden, welch oberflächlichen Charakter ihr Vertrauen zu den Arbeitskollegen hatte und vor allem wie schwach die Kooperation innerhalb der Branche vor dem Ausbruch der Krise ausgeprägt war. Die Befragten haben heute das Gefühl, dass sie kaum Bindungen zu ihren Arbeitskollegen und ihrem Arbeitsplatz entwickelt hatten."
Wie entstehen konstante, zwischenmenschliche Bindungen? Wie lässt sich Kooperation gestalten? Richard Sennett liefert keine Glücksrezepte, er macht bewusst, in welcher Zeit wir leben. Damit möchte er die Leserinnen und Leser selbst zu einem kritischen Engagement bewegen, inspirieren und anregen. Denn gerade in unserer heutigen komplexen Lebenswelt sei, so Sennett, Kooperationsfähigkeit unerlässlich:
""Kooperation verlangt gewisse Fertigkeiten. Vielleicht geht es Ihnen wie mir und Sie mögen den Ausdruck 'soziale Fertigkeiten' nicht, weil er an Menschen denken lässt, die geschickt darin sind, auf Cocktailpartys Konversation zu betreiben oder Ihnen Dinge zu verkaufen, die Sie nicht brauchen. Es gibt indes auch soziale Fertigkeiten seriöser Art. Dazu gehört ein ganzes Spektrum, das von gutem Zuhören und taktvollem Verhalten über das Ausfindigmachen von Übereinstimmungen bis hin zum geschickten Umgang mit Meinungsverschiedenheiten oder der Vermeidung von Frustration in schwierigen Diskussionen reicht. Für diese Tätigkeiten gibt es eine technische Bezeichnung: 'Dialogfähigkeiten'."
Der aufmerksame Dialog ist Sennetts Geheimrezept für eine gelingende Kooperation. In diesem Kontext zitiert er den sowjetischen Literaturwissenschaftler und Kulturtheoretiker Michail Bachtin, der Sprache als "dialogische Handlung" beschrieb. Bachtins Ansatz aus den 1920er-Jahren beinhaltete eine Ideologiekritik gegenüber monologischen, diktatorischen Sprechweisen. Wie viel gesellschaftlicher Zündstoff in seiner Literaturtheorie steckte, zeigte sich, als seine Arbeiten während der Stalin-Ära nicht erscheinen konnten.
Wenn Richard Sennett vom Dialogischen spricht, wendet er sich gegen das neoliberale Dogma des "anything goes". Gegen Oberflächlichkeit, Unverbindlichkeit und Konformität.
"Wenn wir über Kommunikationsfähigkeit reden, legen wir das Schwergewicht meist auf die Fähigkeit, klar und verständlich vorzutragen, was wir denken und fühlen. Dazu bedarf es tatsächlich gewisser Fähigkeiten, doch die sind deklarativen Charakters. Zuhören erfordert eine Reihe anderer Fähigkeiten. Hier gilt es, genau darauf zu achten, was andere sagen, und es zu interpretieren, bevor man antwortet, und zwar die Gesten und Sprechpausen ebenso wie das explizit Gesagte. Obwohl wir uns möglicherweise zurückhalten müssen, um beobachten zu können, wird das Gespräch dadurch reicher, kooperativer, dialogischer."
Richard Sennett weiß um die Kunst des Zuhörens. Er spielt heute wieder Cello in einem Orchester, nachdem er seine frühe Karriere als Cellist aufgeben musste.
In diesem Kontext erklärt Richard Sennett episch und breit, welche gute Gesellschaftsschule ein Orchester ist. Diese Langatmigkeit ist leider eines der Schwächen seines Buches. Die Quintessenz hätte gereicht: das eigene Instrument exzellent spielen zu können und zugleich die Andersartigkeit der anderen Instrumente anzuerkennen und wertzuschätzen, sorge für das Beste gemeinsame Ergebnis, so die treffende Erkenntnis Sennetts. Und auch ein paar weitere Beobachtungen sind bereichernd. So beschreibt er den Unterschied von Sympathie und Empathie auf präzise Weise:
"Sowohl Sympathie als auch Empathie bringen Anerkennung zum Ausdruck, und beide schaffen eine Verbindung, doch im einen Fall ist diese Verbindung eine Umarmung, im anderen eine Begegnung. Sympathie überwindet Unterschiede durch eine in der Vorstellung vollzogene Identifikation. Empathie geht auf den anderen nach dessen eigenen Bedingungen ein."
An anderer Stelle jedoch wagt Richard Sennett Thesen mit wenig Hand und Fuß. So probiert er mit Halbwissen aus der Primatenforschung zu erklären, ob Kooperation angeboren ist und wie sie vererbt wird, blendet aber aus, dass genau diese Fragen ein mittlerweile in der Evolutionsbiologie gut erforschtes und kontrovers diskutiertes Feld sind.
Er verankert damit seine "Kooperationstheorie" immer wieder biologisch und wendet sich gleichzeitig gegen einen Biologismus. Seine Argumentation wirkt an dieser Stelle nicht sehr fundiert und auch nicht sehr stringent. Dabei zieht er durchaus an manchen Stellen die richtigen Konsequenzen. Zum Beispiel zitiert er den umstrittenen Biologen Richard Dawkins mit seinem Buch "Das Egoistische Gen". Dessen wichtigste These, dass Tiere wie Menschen reine Kosten-Nutzen-Maximierer seien, widerlegt Sennett auf plausible und poetische Weise:
"Die Gewohnheit, über sein Leben Buch zu führen, ist nicht falsch, doch einfältig. Soziale Tiere wechseln häufig von einer Form des Austauschs zur anderen und erweisen sich damit als unzuverlässige Buchhalter. Auf der Suche nach einem Schaf, das er fressen kann, lässt der Wolf sich plötzlich von den aufregenden gelbgrauen Augen seiner Jagdgefährtin ablenken… Während das Paar sich, eingehüllt von den Düften der Nacht, auf der weichen Matratze des Waldbodens tummelt, vergessen sie für eine Weile, dass sie eigentlich darauf aus waren, zu töten."
Und auch in einem turbokapitalistischen Land wie China will Richard Sennett einen gänzlich undarwinistischen Funken entdecken: "Guanxi" würden die Chinesen einen Kodex nennen, so Sennett, der den sozialen Zusammenhalt innerhalb weitverzweigter, familiärer Strukturen garantiere. Vettern dritten Grades würden in diesem Sinne ebenso füreinander einspringen wie die nächsten Angehörigen. Die chinesische Praxis des "Guanxi" stilisiert Richard Sennett zum Ideal kooperativen Seins.
Das wirkt ein wenig kitschig, da es eine schöne Errungenschaft moderner Demokratie ist, auf freiwilliger Basis miteinander kooperieren zu können – das muss zwar nicht immer gelingen, aber zumindest haben wir die freie Wahl und die Möglichkeit, es gelingen zu lassen.
Insgesamt schwingt ein melancholischer Grundton durch Richard Sennetts Werk, wenn er wiederholt behauptet, dass wir den Impuls verlieren würden, mit Menschen, die anders sind, zusammenzuarbeiten. Gibt es doch zahlreiche, beeindruckende Beispiele aus der Praxis, die das Gegenteil beweisen. Menschen, die europaweit alternative Wirtschaftssysteme entwickeln oder gemeinsam für eine neue demokratische Idee eintreten.
Auch wäre weniger mehr gewesen in Richard Sennetts rund 400 Seiten starkem Buch "Zusammenarbeit. Was unsere Gesellschaft zusammenhält". Und trotzdem sind Sennetts anthropologische Neugier für das Wesen unserer Individualität und Verbundenheit beachtlich. Er durchwandert das Thema "Kooperation" wie einen neu zu bemessenden Kontinent und gibt uns praktische Beispiele und Ideen an die Hand, wie wir noch besser miteinander leben und arbeiten können.
Richard Sennett: Zusammenarbeit. Was unsere Gesellschaft zusammenhält. Aus dem Englischen von Michael Bischoff
Hanser Berlin 2012. Hardcover, 416 Seiten, 24,90 Euro
ISBN 978-3-446-24035-3