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Bestattung
Mensch und Tier im Grab vereint

Friedhöfe in Deutschland sind im Umbruch. Einige wenige bieten an, Mensch und Tier in einem gemeinsamen Grab zu bestatten – begleitet von kontroversen Diskussionen. Auch in Kirchen und Theologie ist man sich nicht einig: Es gibt vehemente Ablehnung, aber auch große Zustimmung.

Von Christian Röther |
Eine Urne mit dem Relief einer Katze steht in einem Regal.
Mit dem Haustier in einem Grab beerdigt werden: Auf wenigen Friedhöfen in Deutschland ist das möglich (dpa / Harald Tittel)
"Ja, das ist dieses winzige Grabfeld für Mensch und Tier", sagt Evelin Mühle auf dem Städtischen Friedhof in Görlitz, ganz im Osten von Sachsen. Evelin Mühle leitet ihn seit über 30 Jahren. Sie bleibt auf einer Wiese stehen. Es wirkt eher wie ein Park. Grabsteine sieht man kaum - nur zwei kleine Urnengräber unter einer großen Birke. "Dieser kleine Ort hier ist auch ein Stück weg von anderen Bestattungen, sodass es nicht zu Konflikten kommen kann mit den Leuten, die vielleicht mal von einem Hund gebissen wurden. Also es ist eine deutliche Trennung. Es liegt hier so ein bisschen Abseits."
Evelin Mühle und der Görlitzer Friedhof bieten gemeinsame Bestattungen an: von Menschen und ihren Tieren. Das ist bislang nur auf sehr wenigen Friedhöfen in Deutschland offiziell möglich. Man kann sie an einer Hand abzählen. "Wir haben den Platz, wir haben hier nicht viel investiert, es hat nicht wehgetan und ein paar Leute gibt es doch, die das interessiert."
"So etwas zelebrieren wir beim Tier nicht"
Seit zwei Jahren können Tierfreunde hier Grabstellen erwerben. Zwei Frauen sind bisher bestattet worden – Tiere noch nicht. Die Katzen der beiden Frauen leben noch und werden dann später beigesetzt – ebenfalls als Asche in Urnen, wie ihre Halterinnen. Denn nur so – eingeäschert – sind Tierbestattungen auf Menschenfriedhöfen legal, erklärt Evelin Mühle. Ansonsten ist alles erlaubt, vom Hamster bis zum Pferd. Offiziell haben die Tiere dann den Status einer Grabbeigabe: "So eine Grabbeigabe kann eben die Tierurne sein. Es könnte theoretisch auch ein Buch sein oder irgendetwas anderes, was demjenigen lieb und teuer war."
Evelin Mühle auf dem Städtischen Friedhof Görlitz
Evelin Mühle auf dem Städtischen Friedhof Görlitz (Deutschlandradio / Christian Röther)
Dem Städtischen Friedhof Görlitz ist es wichtig, weiterhin einen Unterschied zu machen zwischen Menschen und Tiere. Für Tiere soll es keine offiziellen Trauerfeier geben, und auch keine Prozession über den Friedhof: "So etwas zelebrieren wir beim Tier nicht. Wenn bei einer Familie das Tier so eine große Bedeutung hat wie vielleicht ein Menschen - gibt es ja durchaus -, dann ist das Sache der Familie, aber wir zelebrieren das nicht."
"Völlig gegen die Würde und die Pietät"
Menschen und Tiere in gemeinsamen Gräbern. Das klingt neu, das gibt es aber schon sehr lange. Schon vor rund 10.000 Jahren, als Wildkatzen und Wölfe zu Hauskatzen und Hunden wurden, schon aus dieser Zeit gibt es gemeinsame Gräber von Menschen und ihren vierbeinigen Gefährten. Jetzt ist das mancherorts also wieder möglich, wird aber oft kontrovers diskutiert. Auch Evelin Mühle hat viele Einwände gehört: "Das darf man nicht, weil es völlig gegen die Würde und die Pietät und alles mögliche ist."
Auch in den Kirchen und der Theologie gibt es ganz unterschiedliche Positionen zu gemeinsamen Mensch-Tier-Bestattung. Die katholische Theologin Julia Enxing ist klar dafür:
"Auch auf kirchlichen Friedhöfen, ja. Denn die Aufgabe der Seelsorge besteht darin, den Sehnsüchten der Menschen auf die Spur zu kommen und zu verstehen, was den Menschen wirklich wichtig ist. Und wenn diese Menschen davon überzeugt sind, dass diese Gemeinschaft, die sie mit den Tieren gepflegt haben im Leben und diese Beziehung sie ganz stark im positiven Sinne geprägt hat, dann bin ich der Auffassung, dass Kirche nicht das Recht hat, hier zu sagen, dass diese Beziehung zu den Tieren so andersartig ist als eine Beziehung, die Menschen untereinander haben können, dass es nicht möglich sein soll, Tiere und Mensch zusammen zu bestatten."
"Die Würde der Kreatur"
Julia Enxing ist Professorin an der Technischen Universität Dresden – und sie hat selbst eine Hündin. Wie Friedhöfe in Deutschland Mensch-Tier-Bestattungen bislang umsetzen, das geht der Theologin noch nicht weit genug. Denn die Tiere werden eben nicht gleichberechtigt bestattet, sondern nur als Grabbeigaben.
"Meiner Meinung nach wird da der Würde der Kreatur nicht in vollem Sinne Rechnung getragen. Denn Gott wurde Fleisch und nicht allein Mensch. Und jede Kreatur, jedes Geschöpf hat eine Würde. Und diese Würde kann nicht einfach Verdinglicht werden wie andere Grabbeigaben."
Ein Hund sei eben mehr als ein Buch. Auch dass die Tiere verbrannt werden müssen, findet Julia Enxing falsch: "Die ursprüngliche Bestattung ist eben nicht die Verbrennung, sondern die Bestattung des Leichnams so, wie er verstorben ist. Und das würde ich den Tieren dann genauso zugestehen wollen."
Tiere im Reich Gottes?
Auch Rituale und christliche Symbole auf einem Tiergrab – für die katholische Theologin kein theologisches Problem: "Ein Kreuz auf einem Grabstein - oder auch ein Bibelspruch oder wie auch immer - drücken die Hoffnung aus, dass der Mensch bei Gott aufgehoben ist. Ich finde, das kann man sehr gut auch für Tiere übertragen. Und insofern können wir durchaus das Tier in der Hoffnung begraben, dass es in das Reich Gottes aufgenommen wird und dort zu seiner persönlichen Vollendung gelangt."
Die Theologin Julia Enxing mit Hündin Lucy
Die Theologin Julia Enxing mit Hündin Lucy (Amac Garbe, www.amacgarbe.de)
Julia Enxing setzt sich also ein für eine weitgehende Gleichberechtigung von Mensch und Tier. Aus den Kirchen in Deutschland waren in den vergangenen Jahren aber auch ganz andere Stimmen zu hören zu dieser Art der Bestattung: von zögerlichem Kopfnicken bis hin zu vehementer Ablehnung.
"Woher wissen wir, dass Tiere keine Seele haben?"
Das gewissermaßen klassische Argument lautet: Tiere haben keine Seele, Tiere können sich nicht zu Gott bekennen, und Tiere gehören deswegen auch nicht auf den Menschenfriedhof.
"Aus meiner Sicht ist es etwas vermessen zu behaupten, dass Tiere keine Seele hätten. Woher wissen wir das? Das ist eine spekulative Aussage. Dass Tiere sich nicht persönlich zu Gott bekennen können: Sie tun es auf jeden Fall nicht in einer Art und Weise, wie wir es tun. Ob das die einzig mögliche Art und Weise - und die einzig richtige Art und Weise ist – auch hier würde ich für etwas mehr Zurückhaltung plädieren."
Außerdem warnen Kirchen davor, dass die Würde der Menschen durch die gemeinsame Bestattung mit Tieren gefährdet werden könnte.
"Ich denke nicht, dass die Würde des Menschen in irgendeiner Weise tangiert ist, wenn Tiere - tote Tiere bei den Menschen liegen. Die meisten Menschen essen tote Tiere, haben diese toten Tiere dann in sich und haben überhaupt gar keine Scheu, das Kilo Hackfleisch für 99 Cent zu kaufen und zu verzehren. Aber wenn das tote Tier neben ihnen liegen soll, soll das die Würde des Menschen gefährden. Das Argument kann ich nicht nachvollziehen."
"Ich könnte es mir für mich nicht vorstellen"
Außerdem, sagt Julia Enxing, wimmelt es auf Friedhöfen ohnehin schon von Tieren – lebenden und toten. Ob der Mensch nun noch welche dazu bestattet oder nicht. "Das ganze Konzept Friedhof funktioniert, weil es dort Kleinsttiere und Kleinstlebewesen gibt – in Form von Insekten und Vögeln und Mäusen und Wühlmäusen und Maulwürfen und Ratten - kleine Tiere, die dafür sorgen, dass der Mensch wieder dahin zurückgeführt wird, wo er herkommt: nämlich aus der Erde. Das ist die Voraussetzung dafür, dass wir Menschen so bestatten können, wie wir es tun."
Eine Stele weist in Görlitz auf den gemeinsamen Ruheort für Menschen und Tiere hin
Eine Stele weist in Görlitz auf den gemeinsamen Ruheort für Menschen und Tiere hin (Deutschlandradio / Christian Röther)
Zu all diesen Tieren kommen auf dem Städtischen Friedhof in Görlitz also bald noch zwei Katzen – und vielleicht auch noch mehr Haustiere. Möglich gemacht hat das die Friedhofsleiterin Evelin Mühle. Doch sie selbst will einst nicht mit Tieren begraben werden: "Tier ist Tier, Mensch ist Mensch. Ich könnte es mir für mich nicht vorstellen. Aber ich akzeptiere es, dass es solche Konstellationen gibt, wo das Tier so wichtig ist."