Sobald das neue Trikot in den Schaufenstern hängt, ist das japanische Fernsehen vor Ort. Ein Reporter des Senders ANN rennt am Montagabend US-amerikanischer Zeit aus einem Shoppingcenter heraus, hält ein weiß-blaues Shirt in die Kamera und erklärt:
"Ja! Ich habe jetzt ein Trikot von Ohtani ergattern können. Seit heute ist es hier in einem New Yorker Shoppingcenter erhältlich. Wie vorher auch hat er die Rückennummer 17."
Am Wochenende zuvor hatte die Welt des Baseballs einen Megatransfer zu verkünden, der für die gesamte Sportwelt neue Maßstäbe setzt: Der japanische Weltklassespieler Shohei Ohtani wechselt von den Los Angeles Angels zu den Los Angeles Dodgers.
Sensationell ist der Deal aber weniger, weil hier eine Legende des Sports zum Lokalrivalen wechselt. Es geht vielmehr um die ökonomische Dimension: Ohtani wird bei seinem neuen Arbeitgeber 700 Millionen US-Dollar erhalten. Es ist der am höchsten dotierte Vertrag der Sportgeschichte.
Vertrag läuft über zehn Jahre
Zwar gibt es einige Spitzensportler, die pro Jahr ein höheres Gehalt beziehen: Der mexikanische Boxer Saúl „Canelo“ Álvarez, Weltmeister im Supermittelgewicht und Halbschwergewicht, nimmt über fünf Jahre je 73 Millionen ein.
Die Fußballer Cristiano Ronaldo und Karim Benzema sollen bei ihren saudi-arabischen Klubs Al Nassr und Al Ittihad sogar rund 214 Millionen US-Dollar pro Saison kassieren. Aber Ronaldo und Benzema haben Verträge für nur zweieinhalb und zwei Jahre erhalten.
Shohei Ohtani ist gerade für zehn Jahre verpflichtet worden. Und kommt damit in der Summe auf den teuersten Vertrag überhaupt. Das Volumen ist um gut 150 Millionen Dollar höher als bei Ronaldo.
In den USA nennt man Shohei Ohtani daher auch das „Unicorn des Sports“ – eine Anspielung auf die Welt der Wirtschaft, wo Startups diesen Spitznamen erhalten, die eine Milliarde US-Dollar wert sind.
Spieler mit Strahlkraft in zwei Ländern
Was Ohtanis neuen Vertrag noch beachtlicher macht: Der Athlet ist schon 29 Jahre alt, seit einigen Monaten am Ellbogen verletzt und wurde erst kürzlich operiert. Aber dass sich der Deal lohnt, da ist man sich einig.
Der offizielle Kanal der US-amerikanischen Baseballliga MLB diskutierte die Sache dieser Tage mit verblüffender Deutlichkeit:
„Das ist über alle Sportarten hinweg – Basketball, Football, alles: Die Dodgers haben jetzt die beste Garantie, dass sie in ihrer Liga ganz oben sein werden. Aber es ist noch mehr als das. Er generiert das Geld jenseits des Spielfelds besser als jeder andere Spieler. Er hat ein ganzes weiteres Land, in dem er nicht nur aufgewachsen ist, sondern wo er zum Star wurde.“
Ein Star ist Ohtani sowohl in den USA als auch in Japan, wo er seit Jahren der populärste Sportler des Landes ist – und der jüngste Transfer als stolze Sensation gilt. In mehreren asiatischen Ländern, die Baseball verfolgen, ist Ohtanis Strahlkraft ähnlich.
Ohtani gilt als bester Baseballspieler aller Zeiten
Denn er gilt als bester Baseballspieler aller Zeiten. Ohtani ist dreimal in Folge ins MLB-All-Star-Team gewählt worden – sowohl als bester Pitcher, also Werfer, als auch als Hitter, also Schlagmann.
Übersetzt in die in Deutschland bekanntere Logik des Fußballs bedeutet das in etwa, dass ein Spieler sowohl als Torwart als auch als Torjäger der Beste ist.
Vor allem dank Ohtani gewann Japan im Frühjahr auch die Baseball-WM – im Finale gegen die USA.
Ohtani zeigt sich bescheiden und demütig
Was Shohei Ohtani außerdem populär macht: Seine Bescheidenheit. In einem Interview mit dem US-amerikanischen Time Magazine sagte er vor einigen Monaten:
„Druck gibt es natürlich schon. Die Menschen glauben, ich muss das, was ich bis jetzt geschafft habe, auch in Zukunft schaffen. Aber ich freue mich eher auf alles Weitere. Ehrlich gesagt denke ich auch nicht wirklich, dass das, was ich bis jetzt erreicht habe, schon so toll ist. Toll finde ich eher Dinge, die andere Spieler machen und die ich nicht kann.“
Wobei Ohtani im selben Interview zugab, dass er sich ohnehin kaum mit anderen Spielern vergleichen könne – denn niemand sei wie er. So vielseitig auf Weltklasseniveau ist ja tatsächlich niemand.
Aber auch im Leben fernab des Stadions glänzt Ohtani mit Demut. Als er bei den Nippon Ham Fighters aus Sapporo schon zu den Stars zählte, lebte er weiterhin im Wohnheim für Jungprofis.
Bis heute soll Ohtani nur einige Hundert Dollar pro Monat ausgeben. Seine millionenschweren Werbeeinnahmen – als Gesicht von Marken wie Hugo Boss, Seiko, Mitsubishi, New Balance und Kosé – gibt er laut Medienberichten an seine Eltern weiter.
Der Athlet konzentriert sich auf den Sport. Skandale um Ohtani sind nicht übermittelt.
Wobei sich dieser Mann wohl sogar einige Aufreger leisten könnte, ehe sein Heimatland Japan aufhört, ihn zu verehren. Seit Jahren vergeht im ostasiatischen Land kein Tag ohne irgendwelche News zum Schaffen des Shohei Ohtani.