Schlöndorff: "Guten Morgen, hallo, kommen Sie erst mal rein."
Gestern früh in Potsdam. Volker Schlöndorff empfängt mich in seinem Haus am Griebnitzsee. Ein alter Backsteinbau mit einem prächtigen Anbau. Aus dem Esszimmer fällt der Blick durch eine riesige Glasfront auf stilles Wasser.
Schlöndorff: "Vielleicht einen Kaffee oder einen Tee?"
Vor dem Fenster des Arbeitszimmers steht eine mächtige Buche, seit dem Fall der Mauer ist er hier wieder zu Hause, hier mit dem Blick in die Natur fühlt er sich wohl.
Schlöndorff: "Hier sind wir bei den Bäumen von Toni…"
Voller Energie für den Klimaschutz
Tony ist Tony Rinaudo. Ein Australier, Träger des alternativen Nobelpreises, ausgezeichnet dafür, dass es ihm gelingt, Länder der Sahelzone zu begrünen. Schlöndorff fährt seinen Rechner hoch, zeigt Fotos von seiner Reise nach Ghana, Niger und Mali, letztes Wochenende erst ist er zurückgekommen…
Schlöndorff: "Hier sehen Sie wie wir mit den Bäuerinnen und Bauern da reden…"
Schlöndorff dreht eine Dokumentation über Rinaudo, den Waldmacher. Es geht um Klimaschutz, etwas Großes muss es sein, sagt er, und erinnert an Al Gore, den ehemaligen US-Vizepräsidenten, der schon vor zwölf Jahren unbequeme Wahrheiten über den Klimawandel aussprach.
Schlöndorff: "Also Sie sehen schon, ich bin voll davon!"
Und voller Energie, dass er kurz vor dem 80. steht, ist ihm nicht anzusehen. Er blickt nach vorn, aber auch zurück auf ein bewegtes Leben. An sein bekanntestes Werk erinnert in seiner Wohnung das Gemälde eines französisch-polnischen Künstlers, darauf eine Trommel zwischen den entblößten Schenkeln einer Frau.
"Also dass man sich überhaupt noch an mich erinnert und ich weiter arbeiten kann, liegt immer wieder da dran, ich muss nur dieses eine Wort wie ein Markenzeichen fallen lassen, Blechtrommel, Tin Drum, dann spitzen alle die Ohren, dafür kann man ja nur dankbar sein!"
Oscar für Oskar
Es ist sein Durchbruch. Der schreiende, trommelnde, anklagende Oskar Matzerath verhilft ihm zu internationalem Ruhm. Günther Grass hatte die Verfilmung seines Romans immer wieder abgelehnt, doch dann kam er:
"Erst mit Volker Schlöndorff hat sich eine Zusammenarbeit zwischen Regisseur und Autor ergeben in das Drehbuch hinein."
Erst die Goldene Palme in Cannes, dann der Oscar für den besten fremdsprachigen Film…
Schlöndorff: "The hero of the tin drum, you know, is named Oscar, and for all the time we made the film, we woundered, which kind of omen this could be!"
Am Ende war es ein gutes Omen, dass die Hauptfigur ausgerechnet den Namen Oskar trug. Der damals 41-jährige Schlöndorff ist gerührt, erinnert an die, in deren Tradition er sich sieht, Filmemacher, die vor den Nazis in die USA fliehen mussten: "Sie kennen sie alle und haben sie willkommen geheißen, danke!"
Schlöndorff: "… and for all those, who worked and lived here: Fritz Lang, Billy Wilder, Lubitsch, Murnau , Pabst - you know them all, you welcomed them. Thank you!"
Schlöndorff: "Es war die eigentliche Aussage, auf die ich hinaus wollte, weil ich ja Billy Wilder, Fritz Lang, Sternberg persönlich gekannt habe und es war immer unser Anspruch: Wir möchten da anknüpfen, wo der deutsche Film 1933 mal aufgehört hat."
Böll, Blum und Springer
Er sei immer ein politisch denkender Mensch gewesen, betont Schlöndorff und schon vor seinem Oscar-Erfolg musste er dafür auch Prügel einstecken.
"Volker Schlöndorff, deutscher Regisseur mit internationalem Prestige machte aus einem wichtigen Buch einen wichtigen, provozierenden Film."
"Die verlorene Ehre der Katharina Blum" bringt ihm 1975 heftige Kritik ein, vielen gilt er als Sympathisant des Terrors, die Union protestiert, die Springer-Presse hat er ohnehin gegen sich.
"Frau Blum zum Verhör! - Millionen lesen die Romane von Heinrich Böll, die aktuellste Erzählung des Nobelpreisträgers wurde zum erregenden Filmreport über eine gefährliche Krankheit unserer Zeit: den Meinungsterror! - Versuchen wir mal, uns ein Bild zu machen von der unbescholtenen Hausangestellten Katharina Blum!"
Schlöndorff: "Ich war natürlich beleidigt, denn ich bin kein Sympathisant von Terror!"
Wehner und Merkel
Dass er sich später für bessere Haftbedingungen von RAF-Terroristen stark macht, verzeiht ihm sogar die SPD nicht, als deren Abgesandter er in der Filmförderungsanstalt saß. Der Fraktionschef persönlich intervenierte.
Schlöndorff: "Da wurde ich zu Wehner zitiert und er hat gesagt, sie schaden uns, und ich lege Ihnen nahe, zurückzutreten, da habe ich gesagt, selbstverständlich Herr Wehner!"
SPD-Mitglied wurde Schlöndorff nie, und 2005 macht er sogar Werbung für Angela Merkel, die er immer wieder trifft.
Schlöndorff: "Ich habe sie kennengelernt schon 1993, ich habe sie sehr oft gesehen, auch hier unten auf der Wiese gesessen unterm Baum, bei Kaffee und Kuchen und hab ihren analytischen Verstand sehr schätzen gelernt und habe ihr gesagt, wenn sie jemals kandidieren würde, dann würde ich ihr meine Stimme geben. Das hat dann großes Gelächter ausgelöst: Ich als Alt-Linker wähle CDU!"
Engagement für den Klimaschutz
Heute hofft er, Merkel für den Klimaschutz gewinnen zu können. Immerhin hat sie die Energiewende durchgesetzt, meint er, das darf man nicht vergessen, und dann vertieft er sich wieder in sein jüngstes Projekt, den Film über den Waldmacher. Seit zehn Jahren engagiert sich Schlöndorff für die Entwicklungshilfe Organisation World Vision und ist begeistert von ihrem prominenten Botschafter - Toni Rinaudo.
"Eines Tages fiel mir ein kleiner Busch auf, ein Busch in der Wüste, ich sah ihn mir genauer an, und in diesem Moment hat sich alles geändert."
Wurzeln abgeholzter Bäume lassen sich wiederbeleben, sie müssen vor Ziegen geschützt werden, den Bauern muss der Nutzen der Wiederaufforstung nähergebracht werden, im Schatten neuer Bäume können sie Felder bewirtschaften. Die tiefgreifenden Wurzeln sorgen für einen Anstieg des Grundwasserspiegels, alte Quellen liefern wieder Wasser.
Schlöndorff verweist auf Studien, die besagen, eine großflächige Wiederaufforstung könnte massiv CO2 binden, soviel, dass ein Grad Erderwärmung zu stoppen sei. Die 16-jährige Greta Thunberg wird morgen das Potsdamer Klima-Institut besuchen und wohl auch darüber sprechen.
Schlöndorff: "Den Klimawandel zu bekämpfen, ist möglich!"
Davon ist der fast 80-jährige Volker Schlöndorff überzeugt. Sein Film soll aufrütteln, so wie es Tausende von Schülern gerade tun. Dass sie morgen wieder auf die Straße gehen werden, um die Politik zu treiben, das ist für ihn zusätzlicher Ansporn.
Schlöndorff: "Die jungen Leute suchen nach einer Aufgabe, wo sie sich engagieren können, das ist ein Menschheitsprojekt, da geht es darum, uns als Spezies, die Art Mensch, zu retten."