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Besuch in Berlin
Erdogan fordert mehr Hilfe auf dem Weg in die EU

Der türkische Ministerpräsident Erdogan wünscht sich von Deutschland mehr Unterstützung für eine Annäherung seines Landes an die EU, das machte er zum Auftakt seines Berlin-Besuchs deutlich. Die Kanzlerin zeigte sich nach einem gemeinsamen Treffen in dieser Frage zurückhaltender.

04.02.2014
    Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und Bundeskanzlerin Angela Merkel
    Der türkische Ministerpräsident Erdogan und Bundeskanzlerin Merkel (picture alliance / dpa - Tim Brakemeier)
    Bundeskanzlerin Angela Merkel steht einer türkischen EU-Mitgliedschaft weiterhin zurückhaltend gegenüber. Nach einem Treffen mit dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan in Berlin sagte sie, die Bundesregierung betrachte die Beitrittsverhandlungen nach wie vor als ergebnisoffenen Prozess. Zugleich lobte die CDU-Politikerin die engen Beziehungen zur Türkei, die nach diesem Treffen noch einmal intensiviert würden. So habe man einen Austausch zwischen den zuständigen Ministern zum Thema Unabhängigkeit der Justiz vereinbart.
    Reformen angekündigt
    Ministerpräsident Erdogan äußerte sich zuversichtlich, dass die Beitrittsverhandlungen mit der EU auch beim Kapitel Rechtsstaatlichkeit erfolgreich vorangetrieben werden könnten. Er begrüßte, dass türkischstämmige Menschen eine immer größere Rolle in der deutschen Politik spielten. Von Deutschland forderte er bei einem Auftritt kurz vor seinem Gespräch mit Merkel, sich stärker für einen EU-Betritt einzusetzen. Im Gegenzug kündigte er weitere Reformen in der Türkei an. Beide Seiten bräuchten einander, so Erdogan. Der Ministerpräsident verwies, abgesehen von der schwächelnden türkischen Lira, auf Erfolge der türkischen Wirtschaft in den vergangenen Jahren und die engen Handelsbeziehungen mit Deutschland.
    Mit Blick auf die Korruptionsaffäre in der türkischen Regierung und das Vorgehen der Polizei gegen Demonstranten hielt sich Erdogan bedeckt. Er wies Vorwürfe zurück, dass es in der Verwaltung Korruption gebe und erklärte, Kriminelle hätten Abgeordnete, Minister und Geschäftsleute erpresst.
    Klare Worte von Merkel gefordert
    Mehrere deutsche Politiker und der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, hatten vor Erdogans Besuch klare Worte von Bundeskanzlerin Merkel gefordert. Sie müsse die Korruptionsaffäre zur Sprache bringen und die Einhaltung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in der Türkei fordern. Im Rahmen der Korruptionsaffäre wird Erdogans Regierung vorgeworfen, Druck auf Ermittler ausgeübt zu haben. Mehrere seiner Minister sind in den Skandal verstrickt.
    Am Nachmittag traf sich Erdogan noch mit Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (beide SPD).
    Buhlen um Wählerstimmen
    Am Abend hielt er im Berliner Tempodrom eine Rede vor Landsleuten, die auch in die Türkei übertragen wurde. Er warb um Wählerstimmen und wies Vorwürfe der Korruption in der Verwaltung seines Landes zurück. Der Türkei gehe es gut, das Land genieße weltweit Anerkennung und Respekt, sagte Erdogan am Abend vor Tausenden Anhängern. Dies sei vor allem auf Erfolge seiner Regierung in den Bereichen Wirtschaft, Infrastruktur, Bildung und Gesundheit zurückzuführen.
    Der türkische Ministerpräsident dürfte bei seinem Besuch auch die Präsidentschaftswahlen in der Türkei im Sommer im Blick haben, bei denen er wohl kandidieren will. Es wird die erste direkt durchgeführte Präsidentschaftswahl des Landes sein. Alle Türken dürfen abstimmen - auch die in Deutschland lebenden.