Die vier kleinen Kohlewürfel im Kopf der Wasserpfeife glimmen rot auf, als Valentin Kostov sich in seinen gepolsterten Stuhl fallen lässt und einen kräftigen Zug aus dem Mundstück nimmt, das er in der Hand hält.
Das Wasser im Bauch der Pfeife blubbert, Kostov hält die Luft kurz an und bläst den Rauch wieder aus.
"Das ist wie so eine Entspannung, trinkst ein Wasser oder einen Tee oder einen Cappuccino, je nachdem, rauchst die Pfeife, eine, eineinhalb Stunden, bist entspannt, easy, bei mir gehört es zum Alltag dazu."
Der junge Mann kommt fast jeden Abend in seine Stamm-Shisha-Bar in Berlin-Friedrichshain, obwohl er mittlerweile am anderen Ende der Stadt wohnt. Auch heute ist er wiedergekommen und will sich ein wenig Entspannung gönnen – trotz des Terroranschlags, bei dem Besucher von zwei Shisha-Bars in Hanau ermordet wurden.
"Angst wegen dem, was passiert ist, habe ich jetzt nicht, nee."
Das hat einfach nicht in sein Bild gepasst, was er da gesehen hat. Kostov weiß, dass er auch nicht ins rassistische Weltbild des Attentäters gepasst hätte. Er streicht sich übers seinen kurzen Vollbart und fasst sich in sein dunkles Haar.
"Ich meine, er kommt rein, wenn er jetzt welche sieht, die ein bisschen Bart haben, schwarzen Bart, dunklen Bart, dunkle Haare, dann denkt er sich natürlich, ok, das sind scheiß Ausländer."
Überzeugt davon, dass der Täter durch Worte aufgestachelt wurde
Kostov ist Deutscher, gebürtiger Friedrichshainer, 24 Jahre alt, ein Nachwendekind. Sein Großvater kam zu DDR-Zeiten aus Bulgarien als Botschaftsangestellter nach Ost-Berlin. Kostovs Eltern blieben. Die Morde in Hanau bereiten ihm heute Sorge, so kurz nach dem Anschlag auf eine Synagoge in Halle im vergangenen Oktober.
"Ich sag mal so: Es ist ja nicht das erste Mal. Halle ist ein paar Monate her. Halle war ja auch ganz schön extrem. Und es hätte weiter ausarten können, wenn der da reingekommen wäre."
Ein Kellner tritt zu Kostov an den Tisch und wechselt die Kohle in seiner Pfeife. Auch er macht sich Gedanken darüber, dass es eine Bar wie diese war, die der Attentäter ausgesucht hat, um Menschen zu ermorden, die eine Einwanderungsgeschichte haben.
"Er war fest davon überzeugt, dass in Shisha-Bars solche Leute rumlaufen und da hat er sie gnadenlos erschossen. Meine Meinung ist auch, vielleicht haben die Parteien ein bisschen Schuld. Die reden halt, haben gewisse Pläne, was sie gerne verändern würden hier in Deutschland, AfD, NPD fallen mir ein. Er hat es jetzt halt so aufgenommen, mit Gewalt."
Auch Kostov ist überzeugt, dass der Täter durch Worte aufgestachelt wurde.
"Wenn ihm da einer einredet, hey, guck mal, was die hier machen, wenn einer auch ein bisschen hetzt, dann passiert sowas."
Die Bar ist gut besucht. Dunkle Wände, das Licht gedimmt. Sofas und Polstersessel, die aussehen, als kämen sie vom Flohmarkt, stehen um niedrige Holztische. Auf dem Fernseher über der Bar läuft Fußball.
"Eine Stimmung, wo man sich so denkt, hier komme ich gerne hin. Hier ist man willkommen, erwünscht, wie auch immer."
Umso mehr ärgert es Kostov, dass Shisha-Bars oft negativ dargestellt würden. Und dass nach den rassistischen Morden in Hanau zuerst spekuliert worden sei, dass es sich um eine Auseinandersetzung rivalisierender Krimineller gehandelt haben könnte.
"Irgendwie hieß es ja am Anfang, das soll irgend so ein Clan-Problem gewesen sein. Immer diese falschen Spekulationen, erst mal auf die einen schieben und dann herausfinden, nee, das war ja doch ein Rechtsradikaler. Weil das besser ins Bild passt."
"Wenn man das so überlegt, dann muss ich ja immer Angst haben"
Einige Betreiber von Shisha-Bars in Berlin wollen nicht über die Morde in Hanau sprechen. Sie befürchten, dass Besucher weg bleiben, wenn ihre Bars im Zusammenhang mit dem Attentat genannt werden. Haisam El Nasser hingegen will den Kopf nicht in den Sand stecken. Der junge, drahtige Mann springt hinter der Theke der Shisha-Bar Ember in Kreuzberg hervor. Gerade ist ein Pärchen in den Laden gekommen und möchte wissen, welche Tabak-Geschmacksrichtungen er empfehlen kann.
"Ich komme gleich mit der Shisha-Frage! Also, die meisten, die ich verkaufe, sind Apfel-Minze, Traube-Minze und Eisapfel."
Männer und Frauen sitzen in Paaren und kleinen Grüppchen auf eleganten Sesseln. Vor ihnen glühen die Shishas, die von einem Kellner mit frischer Kohle versorgt werden. Haisam El Nasser läuft hinter die Bar, um eine neue Pfeife zu holen. Er fühle sich auch angesprochen von den Morden in Hanau, sagt er.
"Ja natürlich, ist doch klar, da erschießt der Menschen, nur weil sie keine Deutschen sind, was soll denn das?
Angst aber wolle er sich nicht machen lassen. Dafür passiere einfach zu viel.
"Wenn man das so überlegt, dann muss ich ja immer Angst haben, non-stop, und das hat ja keinen Sinn. Immer darauf hoffen, immer positiv bleiben. Aber traurig, das zu hören. Wegen solch sinnloser Sachen sterben Menschen, ich verstehe die Welt nicht."
Mit seiner Weigerung, sich zu fürchten, reagiert El Nasser wie viele seiner Gäste. Eine Besucherin der Bar, die vom Fenster auf die quirlige Kreuzberger Oranienstraße blickt, ist ebenso hin- und hergerissen.
"Man fühlt sich schon ein bisschen angegriffen. Aber Angst habe ich nicht. Eigentlich könnte es überall passieren. Aber wenn man jetzt immer Angst kriegt, dann kann man ja nirgends hingehen."
Gelegentlich klingt auch Ärger bei den Besuchern an. Ilie Imeri, der mit einem Freund bei einer Wasserpfeife zusammensitzt, will nun mehr hören als Lippenbekenntnisse. Rechtsradikale könnten seiner Ansicht nach zu frei schalten und walten.
"Immer wenn es passiert, ist es zu spät. Und ich denke, der Staat macht zu wenig dafür."
Angst aber will auch Imeri nicht haben.
"Wenn man Angst hat, geht man nicht raus, aber man sollte nicht daran denken, denn man soll ja frei leben."
Wenn er das nicht mehr täte, da ist Imeri überzeugt, würde er dem Angreifer nur geben, was er wollte.