"Ich bin schon ein bisschen beunruhigt. Seoul ist ja nur 50 Kilometer von der Grenze entfernt. Jede Rakete kann uns erreichen!"
"Ich denke aber, dass es nicht zum Krieg kommt. Ganz einfach, weil niemand etwas davon hätte."
Das junge Paar im Zentrum der südkoreanischen Hauptstadt fasst die aktuelle Stimmung zusammen: Ja, erhöhte Spannung, aber: nein, kein Grund zur Panik. Eine Frau um die 40 sagt: "Ich glaube, unsere Regierung wird eine Lösung finden. Es gibt ja keine Alternative. Amerika und China machen zwar eine Menge Druck, aber am Ende muss es eine friedliche Lösung geben."
Ein älterer Herr zuckt mit den Achseln: "Es war immer ein bisschen gefährlich hier, aber ich denke, sie werden zu einem Einvernehmen kommen. Wenn nicht, also wenn es wirklich Krieg gibt, dann ist sowieso alles vorbei."
Die relative Gelassenheit angesichts der unmittelbaren Bedrohung durch Nordkorea erklärt Sven Schwersensky von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Seoul mit eigenen Erfahrungen: "Ich selbst bin gebürtiger Berliner und habe die Mauer nie als Bedrohung erlebt. Oder den Osten nie als Bedrohung erlebt. Das war in vielen Teilen Westdeutschlands anders. Insofern würde ich, wenn ich da eine Parallele ziehe, sagen: Desto näher man dran ist, entweder verdrängt man das stärker, oder man ist einfach stärker dran gewöhnt."
"Die USA sind verbal aggressiver geworden"
Der Politologe Dr. Hong Min vom "Koreanischen Institut für Nationale Vereinigung" hält die gegenwärtige Lage trotzdem für brisant. "Wir haben allein in diesem Jahr 16 Raketen- und Nukleartests erlebt, zehn davon seit der Amtsübernahme des neuen Präsidenten Moon. Und die USA sind verbal viel aggressiver geworden als früher. Sie schmieden Angriffspläne. Kein Wunder also, dass die Bürger beunruhigt sind, aber auch wir Experten."
Das Luftabwehrsystem THAAD, das die USA im Süden Südkoreas installiert haben, bringe keinen zusätzlichen Schutz, im Gegenteil, es erzürnt China und bietet Nordkorea ein Angriffsziel. Doch Südkorea kann sich nicht wehren. Militärisch ist das Land noch immer eine Kolonie der USA. Im Kriegsfall unterliegen seine Streitkräfte der Befehlsgewalt der Amerikaner. An der Grenze zum Norden sind allein 28.500 US-Soldaten stationiert.
Ausgerechnet der alte Falke Henry Kissinger habe Donald Trump einen Ratschlag erteilt, erzählt Schwersensky: "Er hat gesagt, die könnte man reduzieren, um eben auch den Chinesen entgegenzukommen, weil ja eine Schlüsselfrage bei der ganzen Gemengelage ist, welche gemeinsame Lösung können sich Washington und Peking vorstellen."
Die Gefahr liegt in der Berechenbarkeit
Die eigentliche Gefahr sieht Sven Schwersensky nicht etwa in der Unberechenbarkeit des Kim-Regimes, sondern in seiner Berechenbarkeit: "Das nordkoreanische Regime ist extrem berechenbar, weil sie extrem berechnen. Die heutige Situation ist dadurch so stark risikobehaftet, dass in Anwesenheit einer unbekannten Größe, die in der Person des amerikanischen Präsidenten agiert, es sehr schnell auch zu Fehlberechnungen kommen kann."
Deswegen hoffen die Südkoreaner darauf, dass sich Trump zurückhält. Seine Androhung der - so wörtlich - totalen Vernichtung Nordkoreas war da nicht hilfreich, meint AhnKim JeongAe von der Frauengruppe "Women Making Peace". "Die USA sind das Hauptproblem. Die Sanktionen gegen Nordkorea wirken ja. Kim Jong-un ist einem enormen Druck ausgesetzt. Und er entscheidet ja nicht allein. Er hat großes Interesse an Gesprächen, aber die Amerikaner wollen nicht."
Und der Politologe Hong Min sagt: "China hat ja schon lange den Vorschlag gemacht, gemeinsam abzurüsten. Also dass die USA und Südkorea ihre andauernden Manöver herunterfahren und dafür Nordkorea ein Moratorium bei der Atom- und Raketenpolitik einhält. Viele Politiker bei uns unterstützen diesen Vorschlag. Für Moon ist der Besuch von Trump eine Chance, in diese Richtung auf ihn einzuwirken. Er ist ja danach gleich in China."
Befragt, was sich die Menschen auf der Straße von Trump wünschen, ist die Meinung einhellig: "Er soll sich um Frieden bemühen. Nichts anderes wollen wir."
"Trump soll helfen, die Wiedervereinigung zu erreichen. Sonst nichts."