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"Betreuungsgeld ist vereinbart"

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) stellt heute ihr Zehn-Punkte-Programm zum beschleunigten Krippenausbau und zum Betreuungsgeld vor. Stefan Müller, Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, ist davon überzeugt, dass das Betreuungsgeld noch vor der Sommerpause beschlossen wird.

Christiane Kaess im Gespräch mit Stefan Müller | 30.05.2012
    Christiane Kaess: Ein Streitpunkt in der Regierungskoalition bekommt heute konkrete Formen. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder stellt ihr Zehn-Punkte-Programm zu einem beschleunigten Krippenausbau und dem Betreuungsgeld vor. – Vor wenigen Minuten habe ich mit Stefan Müller gesprochen, er ist Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Ich habe ihn zuerst gefragt, ob in den letzten Wochen im Bundesfamilienministerium hinter jedem Ministeriumsmitarbeiter, der an dem Zehn-Punkte-Programm mitgearbeitet hat, ein CSU-Mann beziehungsweise eine CSU-Frau stand, um sicherzustellen, dass auch im Sinne der CSU geschrieben wird.

    Stefan Müller: Na ganz sicher nicht. Aber man muss ja die zwei Dinge voneinander trennen. Das eine ist der Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz, dazu wird es dann heute einen Bericht geben und um die Frage gehen im Kabinett, wie wir den Ausbau der Krippenplätze weiter beschleunigen können, und etwas völlig anderes ist die Frage, wie es mit dem Betreuungsgeld weitergeht. Das Betreuungsgeld ist vereinbart und es wird zum 1. Januar 2013 in Kraft treten, wir werden das noch vor der Sommerpause beschließen.

    Kaess: Aber gleichzeitig – das haben Sie schon gesagt – kommt es auch zu einem beschleunigten Krippenausbau. Den ist die CSU bereit, für das Betreuungsgeld in Kauf zu nehmen?

    Müller: Dieser Gegensatz ist ja schon nicht korrekt. Uns geht es ja darum, dass wir allen Familien, egal wie sie ihr Familienleben organisieren, auch bestmögliche Unterstützung geben - und da gibt es diejenigen, die einen Krippenplatz benötigen, die brauchen entsprechende Unterstützung, da muss es noch schneller gehen, damit wir im nächsten Jahr auch bedarfsgerecht und ausreichend Krippenplätze haben -, und dann geht es um diejenigen, die sich bewusst anders entscheiden, eben keinen Krippenplatz in Anspruch nehmen, und die sollen finanzielle Unterstützung über das Betreuungsgeld bekommen.

    Kaess: Da sprechen Sie von der sogenannten Wahlfreiheit. Der Krippenausbau ist ausgerichtet für knapp 40 Prozent Betreuungsbedarf. Städte und Kommunen haben aber schon lange darauf hingewiesen, dass der Bedarf zum Teil viel höher liegt. Die Kommunen stoßen an Grenzen, finanziell und mit dem Mangel an Erziehern. Folge wird sein, dass die Standards sinken. Das Betreuungsgeld also auf Kosten der Qualität der Krippen?

    Müller: Nein. Wir wollen das Betreuungsgeld wie gesagt für diejenigen, die sich bewusst entscheiden, einen Krippenplatz nicht in Anspruch zu nehmen. Aber es gibt natürlich in der Tat viele, die diesen Krippenplatz benötigen, weil sie eben sich anders organisieren, weil sie sich entscheiden, dass beide Elternteile einer Beschäftigung nachgehen, und da ist es in der Tat so, dass wir in den Bundesländern sehr unterschiedliche Fortschritte haben. In Bayern sieht es da verhältnismäßig gut aus, was den Ausbau der Krippenplätze angeht, in anderen Bundesländern nicht, auch die Kommunen sind da sehr unterschiedlich aufgestellt, und jetzt geht es darum, wie wir die Kommunen so gut unterstützen, dass das bis zum nächsten Jahr auch wenigstens mit diesen 40 Prozent klappt. Das war zu einem Stichtag festgelegt und dann wird man sehen, ob das ausreicht oder nicht, und dann muss man sicherlich überlegen, inwieweit der Bund hier noch weitere Unterstützung liefern kann.

    Kaess: Aber noch mal zurück zu meiner Frage. Das Zehn-Punkte-Programm soll flexiblere Vorschriften vorsehen. Das könnten dann zum Beispiel auch größere Gruppen sein oder nicht ausgebildetes Personal, weil die Erzieher fehlen. Also noch mal meine Frage: Lieber Betreuungsgeld als gute Kitas?

    Müller: Ich sage noch mal: Es geht gar nicht um den Gegensatz von Betreuungsgeld und Kitas. Wir wollen beides, wir wollen finanzielle Unterstützung für diejenigen, die einen Krippenplatz nicht in Anspruch nehmen, wir wollen aber auch ausreichend Krippenplätze. Es geht, ohne da etwas vorweggreifen zu wollen, natürlich um sehr viel mehr. Es geht auch darum, inwieweit beispielsweise der Beruf der Tagesmutter noch gestärkt werden kann und attraktiver werden kann, und die Familienministerin wird unter anderem wohl auch vorschlagen, dass Betriebskindergärten oder Betriebs-Kitas noch besser unterstützt werden können. Hier ist die Wirtschaft im übrigen ja auch in der Pflicht, ihren Anteil dazu zu leisten, dass Männer und Frauen auch Beruf und Familie miteinander in Einklang bringen können.

    Kaess: Sie sagen, es gibt keinen Gegensatz. Das Betreuungsgeld kostet 1,2 Milliarden Euro pro Jahr. Die Opposition rechnet vor, davon könnten 120.000 Ganztagesplätze finanziert werden.

    Müller: Diese Gegensätze führen ja am Ende nicht weiter.

    Kaess: Aber sie sind da!

    Müller: Sie sind eben nicht da. Wir haben die finanziellen Möglichkeiten, um beides zu tun. Unsere Aufgabe als Politik ist es doch, allen Anliegen in irgendeiner Art und Weise gerecht zu werden. Das heißt, wir haben ja nicht zu entscheiden, wie die Eltern ihre Entscheidung treffen, oder wir haben da auch nichts vorwegzunehmen. Wir müssen einfach nur einer Entwicklung Rechnung tragen, die einerseits so aussieht, dass der Bedarf an Krippenplätzen weiter steigt, es andererseits aber auch viele Familien gibt, die sich bewusst anders entscheiden und eben einen solchen Krippenplatz nicht in Anspruch nehmen. Das heißt, wir brauchen finanzielle Unterstützung für die einen, Krippenplätze für die anderen. Wir sind dafür, beides zu machen, weil nur so Wahlfreiheit auch wirklich gewährleistet ist. Und die finanziellen Möglichkeiten sind da! Wir haben bewusst entschieden, dass im Bereich Bildung und Forschung nicht gespart wird, und wir haben bewusst entschieden, dass bei den Familien nicht gespart wird, und deswegen brauchen wir Krippenplätze und das Betreuungsgeld.

    Kaess: Herr Müller, der SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann sagt, er sei guter Hoffnung, dass die SPD das Betreuungsgeld noch verhindern könne. Weder sei abschließend geklärt, ob das Gesetz im Bundesrat zustimmungspflichtig ist, oder ob überhaupt eine Mehrheit im Bundestag sich finden lässt. Ist also das letzte Wort hier noch nicht gesprochen?

    Müller: Bei beidem irrt Herr Oppermann. Es ist geklärt, dass das im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig ist, dieses Gesetz, und es wird eine Mehrheit im Bundestag dafür geben, ich bin da sehr zuversichtlich. Wir haben auch einigen, die da noch, sagen wir, Bedenken hatten, auch in unserer Fraktion, Rechnung getragen. Also wir werden noch vor der Sommerpause diesen Gesetzentwurf beschließen, sodass es dann auch zum 1. Januar 2013 in Kraft treten kann.

    Kaess: Schauen wir auf die anderen Themen, die CSU-Chef Seehofer beim Koalitionstreffen nächsten Montag noch mit auf den Tisch packen will. Da ist zum Beispiel die PKW-Maut. Genügen Herrn Seehofer die bisher ungelösten Probleme nicht?

    Müller: Nun, wir haben schon im vergangenen Jahr eine ganze Reihe von Themen besprochen. Dazu gehörte beispielsweise das Betreuungsgeld. Das ist im Koalitionsausschuss vereinbart worden. Und es gab auch ein Treffen der Parteivorsitzenden im vergangenen Jahr, wo oder bei dem der Bundesverkehrsminister dann auch den Auftrag bekommen hat zu überlegen, wie eine solche PKW-Maut in Deutschland umgesetzt werden könnte. Also es war ein Prüfauftrag, und diesem Prüfauftrag ist er jetzt nachgekommen. Er wird entsprechende Vorschläge machen und dann wird das innerhalb der Koalition besprochen, inwieweit eine solche PKW-Maut auch in Deutschland vorstellbar wäre. Eines ist jedenfalls sicher: Wir brauchen mehr Geld für die Verkehrsinfrastruktur. Das kann eine solche PKW-Maut leisten. Und es ist ja auch kaum einzusehen, dass die Deutschen überall in den Nachbarländern eine PKW-Maut entrichten, wiederum aber Ausländer, die deutsche Autobahnen benutzen, eben nicht.

    Kaess: Aber, Herr Müller, damit hat die CSU ganz zielsicher ein neues Streitthema gefunden, denn die FDP hat postwendend abgelehnt.

    Müller: Ich sehe da kein neues Streitthema. Wir haben eine ganze Reihe von Kolleginnen und Kollegen, sowohl in der FDP als auch in der CDU, die diese Auffassung teilen, die für die Einführung einer solchen PKW-Maut sind, und jetzt wird es darum gehen, auch zu überlegen, inwieweit wir eine solche PKW-Maut dann auch in Deutschland umsetzen können.

    Kaess: Kein Streitthema, sagen Sie. Laut FDP-Generalsekretär Patrick Döring wollen die Liberalen nur über eine Maut reden, wenn die CSU im Gegenzug das Betreuungsgeld aufgibt.

    Müller: Dieser Gegenstand oder dieser Gegensatz ist ja völlig absurd. Das eine hat mit dem anderen überhaupt nichts zu tun. Im Übrigen: es gibt viele in der FDP, die eine solche PKW-Maut auch gerne sehen würden und unterstützen dieses Anliegen. Also insofern sollten wir jetzt in aller Ruhe über die einzelnen Themen reden. Das Betreuungsgeld ist vereinbart, die PKW-Maut ist besprochen worden, dass der Verkehrsminister eine Prüfung vornimmt. Das Ergebnis liegt nun vor und jetzt werden wir das in aller Ruhe in der Koalition auch besprechen.

    Kaess: Damit ist Herr Seehofer mit seinen Themen noch nicht am Ende. Er will sich auch gegenüber Merkel und Rösler für einen nationalen Gedenktag für Opfer der Vertreibung und für die Entschädigung deutscher Zwangsarbeiter einsetzen. Ist das jetzt wirklich ein wichtiges Thema für den nächsten Montag?

    Müller: Es gehört jedenfalls zu den Themen, die dort besprochen werden sollten. Was die Entschädigung deutscher Zwangsarbeiter angeht, muss man immer wieder daran erinnern, dass es einen Beschluss von vor einigen Jahren gibt, als CDU/CSU und FDP noch in der Opposition waren, …

    Kaess: Aber dieses Thema muss Herr Seehofer jetzt unbedingt nächsten Montag auf den Tisch bringen?

    Müller: Nun, es ist ja kein neues Thema, sondern dieses Thema stellt sich ja schon seit etlichen Jahren. Ich sage ja gerade, dass wir noch zu unseren Oppositionszeiten eben dies auch gefordert haben. Es gibt durchaus Stimmen …

    Kaess: Warum muss es dann nächsten Montag mit diskutiert werden?

    Müller: …, weil es nun am nächsten Montag ein solches Treffen gibt. Dem Treffen der Parteivorsitzenden wird ein Koalitionsausschuss folgen und das ist genau die Runde, in der solche Themen dann auch besprochen werden müssen. Also wenn nicht bei einem Treffen der Parteivorsitzenden oder später bei einem Koalitionsausschuss, wo sollte ein solches Thema dann sonst besprochen werden?

    Kaess: Herr Müller, abschließend und ganz ehrlich bitte: Wie würden Sie die Stimmung in der Regierungskoalition vor dem Treffen beschreiben?

    Müller: Wir haben, jedenfalls was die Koalition und auch die Fraktionen angeht, ein gutes Klima. Wir haben auch eine gute Zusammenarbeit. Wir können aber auch an der einen oder anderen Stelle sicherlich noch besser werden, daran gibt es keinen Zweifel, und das Treffen am Montag der drei Parteivorsitzenden wird dazu einen guten Beitrag leisten.

    Kaess: Auch mit Herrn Seehofer?

    Müller: Selbstverständlich mit Herrn Seehofer.

    Kaess: Stefan Müller, er ist Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Vielen Dank für das Gespräch.

    Müller: Sehr gerne.


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