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Betriebe gegen Burnout

Burnout betrifft Manager genauso wie Schichtarbeiter. Die Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie will Betroffene so früh wie möglich unterstützen und hat ein Modellprojekt in zwei Betrieben in Süddeutschland begonnen.

Von Volkart Wildermuth |
    "Früher hat man einmal am Tag eine Postmappe bekommen, die hat man abgearbeitet und dann war das durch. Jetzt bekommt man natürlich alle Minute eine E-mail zusätzlich auf seinem Blackberry, das kann eine Belastung sein."

    Was Betriebsarzt Dr. Marc Krüger für die Ingenieure und Managern des Luft- und Raumfahrtunternehmens Cassidian in Unterschleißheim berichtet, gilt ähnlich auch für die Arbeiter an den Kupfermaschinen der Wieland-Werke in Ulm.

    "Die letzten Jahre haben eine enorme Arbeitsverdichtung für die Mitarbeiter in der Produktion gebracht. Das heißt im Klartext: Hatte er früher vielleicht bis der Ofen mit Glühen fertig war mal eine Viertelstunde - sagen wir vorsichtig - Verteilzeit, dann geht der Mitarbeiter jetzt in der Viertelstunde an die Säge."

    Und das hat Folgen. Als Betriebsärzten führt Dr. Jutta Müller-Nübling regelmäßig Untersuchungen durch. Dabei erzählen ihr die Arbeiter nicht mehr nur von körperlichen Problemen, sondern immer häufiger auch von ihren psychischen Befindlichkeiten.

    "Klar, die Nachtschicht hat mich schon immer in gewisser Weise strapaziert, aber in letzter Zeit nimmt doch die Schlafstörung zu, die Müdigkeit nimmt zu. Ich komm nach Hause und geh durch die Decke, wenn meine Kinder noch irgendwas von mir wollen. Ich empfinde mich als anders, als ich mich eigentlich kenne."

    Früher hätte Jutta Müller-Nübling da nur auf die niedergelassenen Psychotherapeuten verweisen können, die vielleicht erst in mehreren Monaten einen Termin frei haben. Verlorene Zeit, denn auch bei psychischen Problemen gilt, je schneller sie angegangen werden, desto einfacher sind sie zu beeinflussen.

    Bei den Wieland-Werken und auch bei Cassidian können die Betriebsärzte jetzt aber auf die Psychosomatische Sprechstunde im eigenen Betrieb verweisen. Schon nach ein, zwei Wochen gibt es ein erstes Gespräch mit einer Ärztin der Klink für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universität Ulm, im Betrieb und während der Arbeitszeit. Hier kann geklärt werden, wo die Probleme liegen und was zu tun ist.

    Bei den Wielandwerken ermöglicht die Betriebskrankenkasse bei Bedarf eine Kurzzeittherapie. Nach insgesamt zwölf Gesprächen geht es vielen Mitarbeitern schon besser, berichtet Professor Harald Gündel, der den Modellversuch an der Uni Ulm leitet.

    "Man weiß aus der Psychotherapieforschung, dass es eben mit so kürzeren Psychotherapieangeboten gelingt, ungefähr bei der Hälfte der Betroffenen eine deutliche Symptomverbesserung und zum Teil eine ganz wichtige Hilfe dann zu geben, ohne dass Weiteres notwendig ist."

    Einzelne Mitarbeiter benötigen allerdings auch längerfristige Hilfe in einer spezialisierten Klinik. Die Aufgabe der psychosomatischen Medizin ist es aber nicht allein, den Ingenieur, Manager oder Arbeiter an die Anforderungen im Betrieb anzupassen. Genauso wichtig ist es, die Bedingungen am Arbeitsplatz zu verbessern. Jutta Müller-Nübling macht sich da für ihre Patienten gegenüber den Vorgesetzten oder der Personalabteilung stark.

    "Das ist jetzt auch nicht so, dass die psychosomatische Sprechstunde - so nach dem Motto: Wir reparieren das Individuum, vergiss die äußeren Umstände. Das ist nicht so."

    Die Arbeitnehmer sollen die Chance haben, die Anforderungen und ihre Möglichkeiten wieder ins Gleichgewicht zu bekommen. Das hilft dem Einzelnen, aber auch dem Betrieb, zum Beispiel über geringere Fehlzeiten. Jürgen Schneider, Vorstand der Wieland Betriebskrankenkasse:

    "Da erwarten wir, dass mit dieser Methode, schneller Zugang, schnelle Überleitung bei denen, die es brauchen, dann auch schnell bessere Erfolge da sind, als mit den herkömmlichen Versorgungsformen. Das Ganze hat einen Segen für die Betroffenen, da bin ich ganz sicher überzeugt. Es hat aber auch einen wirtschaftlichen Benefit für die Wieland-Werke und einen wirtschaftlichen Benefit für die Betriebskrankenkasse."

    Wie hoch der ist, wird sich erst in etwa zwei Jahren sagen lassen, wenn noch mehr Erfahrungen vorliegen mit dem Kampf gegen das Burnout dort, wo es entsteht: im eigenen Betrieb.