Chattanooga, Tennessee, tief im amerikanischen Süden. Hier montiert Volkswagen seit drei Jahren den Passat für den US-Markt. 2.500 Mitarbeiter arbeiten in dem Werk, davon 1.700 in der Fertigung. Jabbar Ecton ist einer von ihnen.
Ecton fände es gut, wenn es für ihn und seine Kollegen eine Mitarbeitervertretung gäbe. Und dazu könnte es auch bald kommen: Denn die Belegschaft in Chattanooga stimmt in diesen Tagen über einen Betriebsrat ab. Das ist eine Selbstverständlichkeit in Deutschland, in Europa, auch im Norden der USA.
Gewerkschaften im Süden der USA
Aber hier, im amerikanischen Süden, ist das eine kleine Revolution. Denn in Amerika darf sich ein Betriebsrat nur in Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft bilden. Und Gewerkschaften gelten in den konservativen Südstaaten traditionell als Teufelszeug.
Schauen Sie doch nach Detroit, wetterte der republikanische Senator Bob Corker. Die Region liege am Boden, und das gleiche blühe dem Süden, sollten die Gewerkschaften dort Einzug halten.
Die Südstaaten waren bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts weitgehend Agrarland; die industrielle Produktion fand im Norden statt. Das änderte sich erst, als Klimaanlagen die Fabrikarbeit in der feuchten Hitze erträglich machten.
Mangelnder Einfluss von Gewerkschaften und die Auswirkung
Deshalb seien die Gewerkschaften schon historisch im Norden viel stärker vertreten als im Süden, sagt Leonard Carlson, Wirtschaftsprofessor an der Emory-Universität in Atlanta. Als die Industrialisierung im Süden schließlich einsetze, wollten Politiker alles vermeiden, was Unternehmen von der Ansiedlung abschrecken könnte - höhere Löhne zum Beispiel.
Heute gehört der mangelnde Einfluss der Gewerkschaften – und damit die im Vergleich zum Norden niedrigeren Lohnkosten – zum festen Marketing-Kanon, mit dem Wirtschaftsförderer Unternehmen in die Südstaaten locken.
Unternehmensfreundlich zu sein, das sei das wichtigste Verkaufsargument der Südstaaten, sagt Carlson. Und offenbar ein überzeugendes: Denn in den vergangenen Jahrzehnten hat es immer mehr Unternehmen gen Süden gezogen. Vor allem ausländische Autobauer wie Mercedes in Alabama, BMW in South Carolina, Nissan in Mississippi.
Die einst mächtige US-Autogewerkschaft United Auto Workers - kurz: UAW - versucht seit Langem, bei den Autobauern im Süden einen Fuß in die Tür zu bekommen. Bislang vergeblich. Mit der Abstimmung bei VW könnte sich das jetzt ändern.
Allerdings müsse die Gewerkschaft weiterhin gegen Widerstände arbeiten, sagt Carlson. Deshalb glaube er nicht, dass die Südstaaten in absehbarer Zeit Gewerkschaftsland werden. Dennoch: Sollte die UAW in Chattanooga einziehen, dürfte das eine Signalwirkung auf andere Unternehmen in der Region haben, Schockwellen durch die Politik senden.
Die Abstimmung bei Volkswagen, raunte Bill Haslam, der Gouverneur von Tennessee, könne andere Firmen von einer Ansiedlung abschrecken. Jabbar Ecton lässt diese Aufregung kalt. Sie hätten ein Recht auf ihre Meinung, sagt er, aber die Politiker arbeiteten eben nicht in der Fabrik. Und am Ende sei es allein die Entscheidung der Mitarbeiter, ob sie eine Gewerkschaft in ihrem Werk wollten oder nicht.