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Betrugsvorwürfe im Behindertensport
Einschränkungen absichtlich verschlimmert?

Manipulationen wie Doping verhindern gerechte Wettkämpfe und gefährden damit den Spitzensport. Jetzt gibt es schwere Vorwürfe gegen den Behinderten-Leistungssport. Wie die BBC berichtet, sollen Para-Athleten ihre Einschränkungen absichtlich verschlimmern, um ihre Medaillenchancen zu erhöhen.

Von Andrea Schültke |
    Die Beinprothesen eines Teilnehmers der Paralympischen Spiele in Rio de Janeiro, aufgenommen am 6.9.2016 im Olympischen Dorf
    Die Beinprothesen eines Teilnehmers der Paralympics in Rio de Janeiro (picture alliance / dpa / OIS / IOC / Al Tielemans)
    Die BBC berichtet auf ihrer Internetseite von Informanten, die Betrugsvorwürfe erheben. Dabei ging es zum Beispiel um Schwimmer mit Kinderlähmung, die durch absichtlichen Kälteeinfluss ihre Spastiken verschlimmern würden.
    Die Rede ist auch von einem Schwimmer, der sich bei einer Amputation mehr von der Gliedmaße wergnehmen ließ als erforderlich, um in eine günstigere Schadensklasse zu kommen und die Medaillenchance zu erhöhen. Außerdem gebe es Athleten die im Rollstuhl starten, obwohl sie im außersportlichen Leben gar keinen brauchen.
    Klassifizierung willkürlich und manipulierbar
    Ursache ist die sogenannte Klassifizierung: Athleten mit Handicap, die an Sport-Wettkämpfen teilnehmen wollen, werden in Schadensklassen eingeteilt. Ein Athlet ohne Unterschenkel, der auf Hightec-Karbonprothesen läuft, tritt zum Beispiel im Sprint nicht gegen Beinamputierte Rollstuhlfahrer an. Das ist offensichtlich.
    Die britische Leichtathletin Bethany Woodward meint anderen Beispiele, wenn sie der BBC sagt, die Einteilung in die Schadensklassen sei zu willkürlich und auch manipulierbar. Die 200-Meter-Läuferin hat bei den Paralympics in London 2012 Staffel-Silber gewonnen. Sie kritisiert, die Schadensklassen in ihrem Verband seien seitdem aufgeweicht worden. So seien Läuferinnen in ihr Team gekommen, deren Behinderung nicht so ausgeprägt ist und die hätten der britischen Staffel einen Wettbewerbsvorteil verschafft.
    Intransparentes System
    Ein intransparentes System also, das Betrug durch Athleten möglich macht? Und die Funktionäre wissen das. Friedhelm-Julius Beucher, Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes bezeichnet die Klassifizierung als "Achillesferse des weltweiten Behindertensports" und sieht "dringenden Handlungsbedarf".
    In jeder Sportart ist der eigene Verband für diese Einteilung zuständig. Da gibt es zwar Vorgaben, aber die sind offensichtlich sehr dehnbar und anfällig für Manipulationen. Kritiker fordern eine unabhängige übergeordnete Kommission, die bei der Einteilung nicht von Interessen gelenkt ist. Das Problem scheint erkannt, eine Lösung ist in Arbeit. Wie lange das dauert kann niemand sagen.