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Jela Krečič: "Keine wie sie"
Bettgeschichten aus einem kleinen Land

Slowenien wird 2024 Gastland der Frankfurter Buchmesse sein. Ein guter Anlass, die vitale Literaturszene des kleinen Landes zu entdecken, darunter das Debüt „Keine wie sie“ der Autorin Jela Krečič: ein Liebesreigen im Intellektuellenmilieu.

Von Beate Tröger |
Jela Krečič: "Keine wie sie"
Power-Dating vor historischer Kulisse und mit uraltem Eifersuchtsplan. Frisch und gewitzt erzählt die Autorin und Journalistin Jela Krečič in ihrem Roman "Keine wie sie" von den Nöten ihres Protagonisten. (Portrait: Mankica Kranjec / Cover: Mitteldeutscher Verlag)
Eine Liebesgeschichte. Besser gesagt: eine Trennungsgeschichte kündigt der Klappentext von „Keine wie sie“ an: Matjaž kommt einfach nicht über seine Ex hinweg. Um sie wieder für sich zu begeistern, beschließt er, eine neue Freundin zu finden. Mit diesem schlichten Plan stürzt er sich Hals über Kopf von einem Date ins nächste.
Das klingt ein bisschen albern und abgenutzt. Doch Jela Krečič erzählt von der Liebespein ihres Protagonisten, den seine Lebensgefährtin nach zehn Jahren für einen anderen verlassen hat, so frisch und lebendig, dass man rasch bereit ist, sein Leid zu teilen. Hinzu kommt: Jela Krečič hat die Begabung, Matjaž’ Obsession, seine Beobachtungen und Gedanken direkt und realistisch wiederzugeben.
„Brigita lernte er an Allerheiligen kennen. Mit seinem Fotoapparat ging er abends auf den Friedhof und suchte nach interessanten Motiven. Während er sich zwischen den zahlreichen Gräbern verlor, […] sah er auf der Bank unter einem Baum eine junge Frau. Sie trug einen langen schwarzen Ledermantel und eine Mütze über etwas, das in dem Kerzenschein aussah wie Büschel strubbeliger roter Haare. Er beobachtete sie, wie sie immer wieder eine Haarsträhne um ihren Finger wickelte und sie zu ihrem Mund führte, um nervös daran rumzuknabbern.“

Einfach keine wie die Ex

Amüsant ist nicht nur die erotische Begegnung mit der jungen, kratzbürstigen Intellektuellen auf Marx’ Spuren, die dann doch lieber lesbisch sein möchte. Amüsant sind auch Begegnungen mit Katja, Mina und Saša. Oder mit Stela, deren perfekte Inszenierung den alkoholisierten Matjaž zu lange glauben lässt, sie sei eine Person weiblichen Geschlechts. Alle sind einfach nicht wie diese, wie Sara, die Ex.
Weniger amüsant geht es mit der Arbeitskollegin Ronja zu, denn die hätte Matjaž tatsächlich gern zur Frau. Doch Ronja ist verheiratet und nicht bereit, Ehe und Kind zurückzulassen.
Glaubwürdigkeit erzielt Krečič auch über witzige und schnelle Dialoge.
‘Mina ist echt super!‘, sagte Suzana überzeugt.
‚Mina ist vor allem echt superdämlich‘, korrigierte Matjaž sie.
‚Ja, und wenn schon!‘, entgegnete Suzana, als ob sich die beiden Aussagen nicht gegenseitig ausschließen würden.
Matjaž dachte kurz nach und sagte dann: ‚Stimmt, und wenn schon. Es ist meine Aufgabe, klug zu sein, und ihre, klugen Menschen hübsch zuzuhören.‘“

Ein Querschnitt des akademischen Milieus Ljubljanas

Jela Krečič verfügt über Beobachtungsgabe und das Geschick, Erzählbögen klug zu spannen. Die Konstruktion eines Reigens von Frauenfiguren ergibt einen Querschnitt des akademischen Milieus der slowenischen Hauptstadt Ljubljana. Sicherlich hat Krečič etliches aus eigener Anschauung und Erfahrung in ihre Figuren hineingeschrieben. Und man stellt fest: Vieles, die Yogakurse, Genderdiskussionen könnten in jeder europäischen Metropole verortet sein.
Landespezifisch wird es, als Matjaž mit einer Gruppe von Jugoslawien-Nostalgikern an einer Exkursion ins bosnische Jajce teilnimmt, wo im November 1943 die 2. Versammlung des Antifaschistischen Volksbefreiungsrates stattfand, auf der das föderalistische Konzept für das sozialistische Jugoslawien entwickelt wurde.
Die Leute waren von überallher angereist, aus allen ehemaligen Republiken und aller Generationen, mit Fahnen, mit Mützen der Volksarmee, Titovka genannt, mit Bildern von Tito und Transparenten: »Smrt fažizmu, svoboda narodu! – Tod dem Faschismus, Freiheit für das Volk!«, und: »Bratstvo i jedinstvo! – Brüderlichkeit und Einheit!«, stand darauf, auf anderen auch: »Tito, partija! – Tito, die Partei!« Menschen schüttelten sich die Hände, einige umarmten sich sogar. Sie sangen Partisanenlieder. Ihm schien, die Gruppen aus Slowenien waren am lautesten und am besten organisiert. Ihm war überhaupt nicht bewusst gewesen, dass sie nicht die einzigen slowenischen Irren waren, die hierhergereist sind, sondern auch Truppen aus anderen Regionen Sloweniens gekommen waren, aus Štajerska, Primorska und sogar Dolenjska. Ihm schien, als wäre er auf einmal in einem parallelen Universum freundlicher, lachender Menschen gelandet, die sich ohne Probleme einem gemeinsamen Ritual hingeben, der gemeinsamen Liebe für einen alten, gescheiterten Staat.“

Im Bett mit der slowenischen Geschichte

Doch nicht nur die Reise, die darin gipfelt, dass Matjaž erst mit der jungen Melita, dann mit ihrer Mutter Nada im Bett landet, bringt den Lesern slowenische Geschichte und Gegenwart näher. Die Präsenz der liebesverwirrten Hauptfigur und das Tableau der Figuren um sie herum macht das Besondere von „Keine wie sie“ aus. Wie es mit Matjaž, seinem aufgeklärten Machismo und seiner Obsession ausgeht, soll nicht verraten werden. Doch selbst wenn man es verriete – das Lesevergnügen bliebe davon kaum angetastet. Jela Krečič kann einfach gut erzählen.
Jela Krečič: „Keine wie sie“
Aus dem Slowenischen von Liza Linde
Mitteldeutscher Verlag, Halle. 408 Seiten, 26.- Euro.