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Beuys erste Ausstellung vor 50 Jahren
"Wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt"

Joseph Beuys zählt zu den wichtigsten Künstlern des 20. Jahrhunderts. 1965, also vor 50 Jahren, nahm seine Karriere ihren Anfang. Seine erste Ausstellung wurde in einer winzigen Galerie in der Düsseldorfer Altstadt eröffnet. Die Aktion, die Beuys am Abend der Vernissage aufführte, ist in die Kunstgeschichte eingegangen.

Von Anne Quirin |
    Ein Porträt von Joseph Beuys (1921-1986), Aufnahme circa 1985.
    Ein Porträt des Künstlers Joseph Beuys. (imago/Leemage)
    "Eines Tages sagte eben die Monika Schmela zu mir: Walter Vogel, da is wat los. Wenn Sie Lust haben, dann kommen Sie mal zu dem und dem Zeitpunkt in unsere Galerie. Das habe ich dann getan, nichts ahnend, was da eigentlich Sache war."
    Als der Fotograf Walter Vogel an jenem Abend des 26. November 1965 an der Galerie Schmela ankommt, ist ihm sofort klar, dass die Ankündigung "Da ist was los" eine Untertreibung war. Draußen vor der Galerie staut sich ein neugieriges Publikum. Und drinnen in dem garagengroßen Raum herrscht dichtes Gedränge.
    "Also ich kam da an, und eigentlich war es fast ausgeschlossen, überhaupt noch da rein zu kommen. Aber ich habe mich dann auch vorgedrängelt. Ich habe den großen Fotografen markiert und bin dann in den Raum rein und nach und nach hab' ich auch mich nach vorne gekämpft."
    Die Galerie Schmela, damals noch in der Düsseldorfer Altstadt gelegen, hatte zur Ausstellungseröffnung eingeladen. Es war Beuys' erste Einzelschau. Sie trug den rätselhaften Titel "... irgendein Strang ...". Gezeigt wurden 38 Zeichnungen und Objekte. Das aufsehenerregendste Exponat aber war der Künstler selbst. Beuys saß, mit einem toten Hasen auf dem Arm, in einer Ecke am Fenster auf dem sogenannten warmen Stuhl. Ein Bein des Schemels war mit Filz umwickelt. Ausnahmsweise trug Beuys mal nicht seinen charakteristischen Hut. Stattdessen klebte eine Schicht aus Honig und Blattgold wie eine zweite Haut auf seinem Gesicht und auf dem gesamten Kopf.
    Beuys: "Hier ist die Betonung des Kopfes und damit des Denkens. Ich goss einen großen Topf Honig über meinen Kopf und klebte drauf Blattgold im Wert von fast 200 Mark. Das war sehr schön."
    "Selbst diese abgebrühten Düsseldorfer, die waren einfach platt, ja. Also ich war einerseits verblüfft, aber andererseits war ich schon so viel Profifotograf auch, dass ich das einfach irgendwo ausgeblendet habe und einfach, ja, heute für mich rätselhaft, einfach versucht habe, diese Geschichte gut zu fotografieren."
    Die Aktion lebt als Information weiter
    Was Walter Vogel zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste: Den Auftakt der Aktion "Wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt", hatte er verpasst.
    Kurz zuvor war Beuys mit dem Hasen nämlich noch allein in der Galerie gewesen. Das Publikum durfte nur von draußen durch das Schaufenster zusehen. Beuys ging mit dem toten Hasen im Arm kreuz und quer durch den Raum, von Objekt zu Objekt. Einmal bewegte er das Tier auf allen Vieren kniend und die Ohren des Hasen zwischen die Lippen geklemmt so, als würde es den Galerieraum selbst durchlaufen. Über eine Stunde dauerte der gesamte Akt.
    In einem Gespräch mit dem italienischen Künstler Sarenco aus dem Jahr 1979 erklärte Beuys: "Ich wollte, dass die Menschen, die in ihrem egoistischen Fehlverhalten gegenüber der Wirklichkeit sich so sehen, wie sie eben sind, mal zeigen, dass sogar ein toter Hase noch viel mehr von diesem Wirklichkeitszusammenhang weiß - also zum Beispiel die Bilder der modernen Kunst besser versteht, als der Mensch mit seinem verkorksten, so genannten rationalistischen Intellekt. In dieser Sondersituation wollte ich die Menschen nicht hereinlassen, weil sie diesen reinen, heiligen Vorgang mir im Moment nicht stören sollten. Aber ich wollte es natürlich für die Menschen machen, nicht für die Hasen."
    Von den zahlreichen Aktionen, die Beuys im Laufe seiner Karriere gemacht hat, ist "Wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt" eine der einprägsamsten. Die Performance-Künstlerin Marina Abramovic stellte sie 2005 im Guggenheim Museum in New York detailgetreu nach.
    Als Joseph Beuys 1983 zu Gast war in einer Diskussionssendung des ORF, konnte er natürlich noch nicht wissen, dass seine Aktion auf diese Art und Weise weiter existieren würde – der Düsseldorfer Künstler und Kunstprofessor starb 1986. Aber er scheint einfach davon ausgegangen zu sein, so bestimmt, wie er dem Moderator an einer Stelle widerspricht.
    "Der tote Hase ist ja dann, wenn die Aktion vorüber ist, ja auch vorüber." – (Beuys) "Das bestreite ich, denn wir sprechen ja immer noch davon, obschon die Aktion ist ja schon jetzt bald 20 Jahre her. Das heißt, die Sache lebt doch als Information, sie ist doch eingeprägt."