O-Ton Joseph Beuys: "Ja ja ja ja ja, ne ne ne ne ne!"
Friedbert Meurer: Das ist die Stimme von Joseph Beuys, einem der berühmtesten deutschen Künstler des 20. Jahrhunderts. 1986 ist er gestorben. Dieses "Ja Ja Ne Ne", das war Teil einer seiner spektakulären und heftig umstrittenen Aktionen. Jetzt ist eine neue Biografie erschienen von Hans-Peter Riegel. Er wirft Joseph Beuys vor, zu den falschen Leuten "Ja Ja" gesagt zu haben, nämlich zu völkisch und militaristisch gesinnten Wehrmachtskameraden und Altnazis. Beuys habe, so Riegel, biografische Details auch erfunden, erlogen, er habe gar kein Abitur gehabt, nicht studiert, er war nicht Kampfpilot im Zweiten Weltkrieg, sondern habe das Maschinengewehr bedient und das Flugzeug navigiert. Vor allem aber auch: Beuys habe Sympathien für völkisches Denken empfunden.
– Ich habe vor der Sendung mit Klaus Staeck gesprochen. Der Plakatkünstler und Präsident der Berliner Akademie der Künste ist Joseph Beuys Verleger. Guten Morgen, Herr Staeck.
Klaus Staeck: Guten Morgen!
Meurer: War Joseph Beuys bis ins Mark völkisch, wie Biograf Riegel behauptet?
Staeck: Ich war jetzt mit ihm 18 Jahre intensiv befreundet. Wir haben zahlreiche Reisen gemacht, die erste zum Beispiel nach Amerika, nach Italien, Großbritannien, Belgien, Holland. Da kommt man sich schon näher. Da redet man nicht nur über das Wetter. Ich habe nie bemerkt, dass er in der Wolle ein gefärbter Völkischer sei. Beuys war – das hat mich manchmal erstaunt – auf eine ganz merkwürdige Weise offen für alles und jeden. Das machte ihn manchmal vielleicht ein bisschen anfällig für Dinge, die man ihm dann hätte unterstellen können, wenn er mit Leuten sich umgab, mit denen ich mich nie umgeben hätte. Das will ich gerne zugeben.
Meurer: Welche Leute waren das, ehemalige Kampfflieger, Altnazis, oder mit wem hat er sich da getroffen?
Staeck: Das waren Leute, die, ich will mal freundlich sagen, auf eine ganz bestimmte Weise auf einem anderen Wege waren. Ich drücke mich mal so etwas unklar aus. Da war zum Beispiel der Herr Haverbeck: Das war schon ein Typ und seine Frau, die durchaus dem Völkischen zugetan waren, die versuchten, da so eine ganz merkwürdige Linie zu ziehen vom Dritten Reich dann schon in die Demokratie. Und Beuys war jemand, der glaubte, er könne alle Leute nicht umerziehen, das war nicht sein Thema, aber er traute allen Leuten zu, ihre Position auch irgendwann zu ändern. Insofern war er neugierig, glaube ich, auf alle, sagen wir ruhig, Außenseiter. Nun bin ich jemand, der zu dieser Kategorie eigentlich nicht gehört. Und noch mal: Ich hätte irgendwann mal merken müssen, dass ich da mit jemand unterwegs bin und mit jemand zusammenarbeite, der auf irgendeine Weise noch so altes Nazitum in sich trägt und dafür auch Missionsarbeit leisten möchte.
Meurer: In der Biografie über Joseph Beuys wird eine Rede zitiert aus dem Jahr 1985 in München über das eigene Land Deutschland, also kurz vor dem Tod von Beuys. Januar '86 ist er gestorben. Zitate sind, da spricht Beuys vom deutschen Genius, von Auferstehungskraft des deutschen Volkes. Und da sagt eben der Biograf: Das ist doch völkische Diktion in Reinkultur, Auferstehungskraft des deutschen Volkes. Was meinen Sie?
Staeck: Komischerweise hat das damals offenbar niemand so empfunden, wie das jetzt nun interpretiert wird. Man kann alles in einen solchen Kontext stellen, dass zum Schluss der andere dann doch als eine Figur erscheint, die dann doch zu kritisieren ist. Noch mal: Ich glaube, das Ganze ist ein Thema gar nicht von Herrn Riegel, sondern mehr des "Spiegel", der ja einen ganz bemerkenswerten Erregungsjournalismus pflegt. Das war bei Sarrazin so, das war bei dem Kulturinfarkt so. Es werden immer Dinge aus einem mehrere Hundert Seiten langen Buch genommen, um dann ein bisschen sensationsgierig Interesse zu wecken. Das ist nun mal heute so, aber ...
Meurer: So funktioniert das heutzutage in der Mediengesellschaft.
Staeck: So funktioniert das!
Meurer: Spielte Deutschland eine besondere Rolle im Denken des Joseph Beuys?
Staeck: Der Beuys war eine der wenigen wirklich internationalen, großen deutschen Künstler der Nachkriegszeit. Ich glaube, das bestreitet auch niemand, das wird auch Herr Riegel nicht bestreiten. Deshalb verbietet sich schon, ihn als den großen Deutschtümelnden irgendwie erscheinen zu lassen. Wir haben einmal eine Freie Schule für Kreativität und interdisziplinäre Forschung – schwieriger Titel – gegründet. Und da war natürlich das Ziel, international auch zu wirken, und es waren auch viele internationale Künstler, die ihre Hoffnungen darauf setzten, was nachher nicht dazu kam, als wir merkten, das macht viel zu viel Arbeit. Das ist ein anderes Thema. Aber der Beuys hat sich auch auseinandergesetzt, ich weiß zum Beispiel mal mit diesem seltsamen Baldur Springmann. Das war der Mann, der mal eine Fuhre Mist vor der documenta abgekippt hatte. Dann auch dieser Haverbeck: Seine Frau machte mal während der documenta eine Diskussion und wollte dann mit dem Beuys, wie ich noch weiß, ein Hühnchen rupfen. Also der Beuys hat sich auch über vieles dann doch lustig gemacht. Das gilt auch für mich jedenfalls, dieses ganze Doktrinäre, was da die guten Leute betrieben haben, die den Steiner-Kulten angehangen haben.
Meurer: Also er hatte jede Menge Humor und redete auch humorvoll über Rudolf Steiner?
Staeck: Wenn man manchmal den Beuys unter seinen Anhängern sah, dann konnte man den Eindruck gewinnen, er sei schon ein bisschen fanatisch. Privat war er einer der humorvollsten Leute. Ich habe mit keinem Menschen, muss ich gestehen, während unserer Freundschaft so viel gelacht wie mit ihm. Dieses sich selbst auch auf die Schippe nehmen, was ja nun wenigen Leuten gelingt, das war bei ihm eine wunderbare Eigenschaft. Und ihn überhaupt als Fanatiker, in welcher Form, in welcher Richtung auch immer darstellen zu wollen. Er war ein Kind des Krieges. Und ich habe in vielen seiner Arbeiten auch immer gesehen, dass da sich einer auch immer noch und immer wieder am Krieg abgearbeitet hat.
Meurer: Diese Erfahrung muss ja logischerweise für ihn wichtig gewesen sein. Er war nicht Kampfflieger, wie er selbst behauptet hat, sondern er war an Bord von Kampfflugzeugen, hat navigiert, hat das Maschinengewehr bedient, hat wohl auch darüber geredet, wie er mit dem Maschinengewehr Soldaten getötet hat. Wie hat er mit Ihnen darüber gesprochen?
Staeck: Na ja, das war der Krieg eben. Und dass er alle Versuche unternommen hat, das, was wir dann später die Friedensbewegung genannt haben, sich anzuschließen. Das ging ja so weit, dass er auf der einen Rheinwiese in Bonn bei der Anti-Reagan-Demonstration auch noch anfing zu singen, was mich ein bisschen irritiert hat, um es ehrlich zu sagen. Nein, er war jemand, der auch schon begriffen hat, der aber nun nicht immer damit hausieren ging, dass er gern in den Krieg gezogen ist. Das hat er auch mal bekannt. Das macht ja nicht jeder, um seiner Heimatenge zu entfliehen.
Meurer: Wie kann man denn dann Pazifist sein?
Staeck: Nehmen Sie mal Niemöller. Das war ein ganz energischer, hoher Mann im Kriege und der ist dann einer der treusten Pazifisten geworden. Es gibt ja auch eine Erfahrung, und wenn wir den Menschen Lernfähigkeit zugestehen wollen, dann müssen wir auch jemand zubilligen, dass er seine Einstellung ändert, gerade aufgrund seiner Erfahrung.
Meurer: Beuys hat sich auch später noch an Treffen beteiligt mit Kampffliegern aus dem Zweiten Weltkrieg. Da würden jetzt auch Journalisten den Stempel herausholen und sagen, mit ewig Gestrigen getroffen. Wie passt das alles dann zusammen mit seinem Engagement für die Grünen und gegen den Krieg?
Staeck: Ja. Aber diese ganze Kameraderie. Wissen Sie, mein Vater, der fuhr immer zu einem Treffen der Afrika-Kämpfer, weil er mal irgendwie fast ein Afrika-Kämpfer geworden wäre. Das war diese merkwürdige... Wir können das gar nicht richtig beurteilen, glaube ich, was die da hingezogen hat. Und dass er die Grünen mit hat begründen wollen, kurz vor seinem Tode.. Es gibt ein Interview, das letzte, was er überhaupt gegeben hat, das hat er dem "Vorwärts" gegeben, wo er kurz vor dem Austritt der Grünen stand. Also die Enttäuschung auch, dass seine, ich nenne es mal despektierlich, Weltbeglückungsideen über eine Partei letztlich nicht zu bewerkstelligen sind, das hat ihn sehr enttäuscht. Er war kurz vor dem Austritt, wie er sagte. Aber er war trotzdem immer wieder auf der Suche nach Leuten. Er war, heute würde man sagen, eine Art Menschenfischer. Er hat niemanden, um es mal so auszudrücken, aufgegeben. Er hat weder Probleme gehabt, Berührungsängste gehabt mit Linken oder Rechten oder Dummen oder ganz Klugen. Er war immer unterwegs mit einer Energie, um die ich ihn manchmal beneidet habe.
Meurer: Klaus Staeck, Präsident der Berliner Akademie der Künste, Verleger von Joseph Beuys, über die Diskussion, die jetzt über den Künstler Joseph Beuys entbrannt ist aus Anlass seiner neuen Biografie. Herr Staeck, danke und auf Wiederhören.
Staeck: Ich danke Ihnen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Friedbert Meurer: Das ist die Stimme von Joseph Beuys, einem der berühmtesten deutschen Künstler des 20. Jahrhunderts. 1986 ist er gestorben. Dieses "Ja Ja Ne Ne", das war Teil einer seiner spektakulären und heftig umstrittenen Aktionen. Jetzt ist eine neue Biografie erschienen von Hans-Peter Riegel. Er wirft Joseph Beuys vor, zu den falschen Leuten "Ja Ja" gesagt zu haben, nämlich zu völkisch und militaristisch gesinnten Wehrmachtskameraden und Altnazis. Beuys habe, so Riegel, biografische Details auch erfunden, erlogen, er habe gar kein Abitur gehabt, nicht studiert, er war nicht Kampfpilot im Zweiten Weltkrieg, sondern habe das Maschinengewehr bedient und das Flugzeug navigiert. Vor allem aber auch: Beuys habe Sympathien für völkisches Denken empfunden.
– Ich habe vor der Sendung mit Klaus Staeck gesprochen. Der Plakatkünstler und Präsident der Berliner Akademie der Künste ist Joseph Beuys Verleger. Guten Morgen, Herr Staeck.
Klaus Staeck: Guten Morgen!
Meurer: War Joseph Beuys bis ins Mark völkisch, wie Biograf Riegel behauptet?
Staeck: Ich war jetzt mit ihm 18 Jahre intensiv befreundet. Wir haben zahlreiche Reisen gemacht, die erste zum Beispiel nach Amerika, nach Italien, Großbritannien, Belgien, Holland. Da kommt man sich schon näher. Da redet man nicht nur über das Wetter. Ich habe nie bemerkt, dass er in der Wolle ein gefärbter Völkischer sei. Beuys war – das hat mich manchmal erstaunt – auf eine ganz merkwürdige Weise offen für alles und jeden. Das machte ihn manchmal vielleicht ein bisschen anfällig für Dinge, die man ihm dann hätte unterstellen können, wenn er mit Leuten sich umgab, mit denen ich mich nie umgeben hätte. Das will ich gerne zugeben.
Meurer: Welche Leute waren das, ehemalige Kampfflieger, Altnazis, oder mit wem hat er sich da getroffen?
Staeck: Das waren Leute, die, ich will mal freundlich sagen, auf eine ganz bestimmte Weise auf einem anderen Wege waren. Ich drücke mich mal so etwas unklar aus. Da war zum Beispiel der Herr Haverbeck: Das war schon ein Typ und seine Frau, die durchaus dem Völkischen zugetan waren, die versuchten, da so eine ganz merkwürdige Linie zu ziehen vom Dritten Reich dann schon in die Demokratie. Und Beuys war jemand, der glaubte, er könne alle Leute nicht umerziehen, das war nicht sein Thema, aber er traute allen Leuten zu, ihre Position auch irgendwann zu ändern. Insofern war er neugierig, glaube ich, auf alle, sagen wir ruhig, Außenseiter. Nun bin ich jemand, der zu dieser Kategorie eigentlich nicht gehört. Und noch mal: Ich hätte irgendwann mal merken müssen, dass ich da mit jemand unterwegs bin und mit jemand zusammenarbeite, der auf irgendeine Weise noch so altes Nazitum in sich trägt und dafür auch Missionsarbeit leisten möchte.
Meurer: In der Biografie über Joseph Beuys wird eine Rede zitiert aus dem Jahr 1985 in München über das eigene Land Deutschland, also kurz vor dem Tod von Beuys. Januar '86 ist er gestorben. Zitate sind, da spricht Beuys vom deutschen Genius, von Auferstehungskraft des deutschen Volkes. Und da sagt eben der Biograf: Das ist doch völkische Diktion in Reinkultur, Auferstehungskraft des deutschen Volkes. Was meinen Sie?
Staeck: Komischerweise hat das damals offenbar niemand so empfunden, wie das jetzt nun interpretiert wird. Man kann alles in einen solchen Kontext stellen, dass zum Schluss der andere dann doch als eine Figur erscheint, die dann doch zu kritisieren ist. Noch mal: Ich glaube, das Ganze ist ein Thema gar nicht von Herrn Riegel, sondern mehr des "Spiegel", der ja einen ganz bemerkenswerten Erregungsjournalismus pflegt. Das war bei Sarrazin so, das war bei dem Kulturinfarkt so. Es werden immer Dinge aus einem mehrere Hundert Seiten langen Buch genommen, um dann ein bisschen sensationsgierig Interesse zu wecken. Das ist nun mal heute so, aber ...
Meurer: So funktioniert das heutzutage in der Mediengesellschaft.
Staeck: So funktioniert das!
Meurer: Spielte Deutschland eine besondere Rolle im Denken des Joseph Beuys?
Staeck: Der Beuys war eine der wenigen wirklich internationalen, großen deutschen Künstler der Nachkriegszeit. Ich glaube, das bestreitet auch niemand, das wird auch Herr Riegel nicht bestreiten. Deshalb verbietet sich schon, ihn als den großen Deutschtümelnden irgendwie erscheinen zu lassen. Wir haben einmal eine Freie Schule für Kreativität und interdisziplinäre Forschung – schwieriger Titel – gegründet. Und da war natürlich das Ziel, international auch zu wirken, und es waren auch viele internationale Künstler, die ihre Hoffnungen darauf setzten, was nachher nicht dazu kam, als wir merkten, das macht viel zu viel Arbeit. Das ist ein anderes Thema. Aber der Beuys hat sich auch auseinandergesetzt, ich weiß zum Beispiel mal mit diesem seltsamen Baldur Springmann. Das war der Mann, der mal eine Fuhre Mist vor der documenta abgekippt hatte. Dann auch dieser Haverbeck: Seine Frau machte mal während der documenta eine Diskussion und wollte dann mit dem Beuys, wie ich noch weiß, ein Hühnchen rupfen. Also der Beuys hat sich auch über vieles dann doch lustig gemacht. Das gilt auch für mich jedenfalls, dieses ganze Doktrinäre, was da die guten Leute betrieben haben, die den Steiner-Kulten angehangen haben.
Meurer: Also er hatte jede Menge Humor und redete auch humorvoll über Rudolf Steiner?
Staeck: Wenn man manchmal den Beuys unter seinen Anhängern sah, dann konnte man den Eindruck gewinnen, er sei schon ein bisschen fanatisch. Privat war er einer der humorvollsten Leute. Ich habe mit keinem Menschen, muss ich gestehen, während unserer Freundschaft so viel gelacht wie mit ihm. Dieses sich selbst auch auf die Schippe nehmen, was ja nun wenigen Leuten gelingt, das war bei ihm eine wunderbare Eigenschaft. Und ihn überhaupt als Fanatiker, in welcher Form, in welcher Richtung auch immer darstellen zu wollen. Er war ein Kind des Krieges. Und ich habe in vielen seiner Arbeiten auch immer gesehen, dass da sich einer auch immer noch und immer wieder am Krieg abgearbeitet hat.
Meurer: Diese Erfahrung muss ja logischerweise für ihn wichtig gewesen sein. Er war nicht Kampfflieger, wie er selbst behauptet hat, sondern er war an Bord von Kampfflugzeugen, hat navigiert, hat das Maschinengewehr bedient, hat wohl auch darüber geredet, wie er mit dem Maschinengewehr Soldaten getötet hat. Wie hat er mit Ihnen darüber gesprochen?
Staeck: Na ja, das war der Krieg eben. Und dass er alle Versuche unternommen hat, das, was wir dann später die Friedensbewegung genannt haben, sich anzuschließen. Das ging ja so weit, dass er auf der einen Rheinwiese in Bonn bei der Anti-Reagan-Demonstration auch noch anfing zu singen, was mich ein bisschen irritiert hat, um es ehrlich zu sagen. Nein, er war jemand, der auch schon begriffen hat, der aber nun nicht immer damit hausieren ging, dass er gern in den Krieg gezogen ist. Das hat er auch mal bekannt. Das macht ja nicht jeder, um seiner Heimatenge zu entfliehen.
Meurer: Wie kann man denn dann Pazifist sein?
Staeck: Nehmen Sie mal Niemöller. Das war ein ganz energischer, hoher Mann im Kriege und der ist dann einer der treusten Pazifisten geworden. Es gibt ja auch eine Erfahrung, und wenn wir den Menschen Lernfähigkeit zugestehen wollen, dann müssen wir auch jemand zubilligen, dass er seine Einstellung ändert, gerade aufgrund seiner Erfahrung.
Meurer: Beuys hat sich auch später noch an Treffen beteiligt mit Kampffliegern aus dem Zweiten Weltkrieg. Da würden jetzt auch Journalisten den Stempel herausholen und sagen, mit ewig Gestrigen getroffen. Wie passt das alles dann zusammen mit seinem Engagement für die Grünen und gegen den Krieg?
Staeck: Ja. Aber diese ganze Kameraderie. Wissen Sie, mein Vater, der fuhr immer zu einem Treffen der Afrika-Kämpfer, weil er mal irgendwie fast ein Afrika-Kämpfer geworden wäre. Das war diese merkwürdige... Wir können das gar nicht richtig beurteilen, glaube ich, was die da hingezogen hat. Und dass er die Grünen mit hat begründen wollen, kurz vor seinem Tode.. Es gibt ein Interview, das letzte, was er überhaupt gegeben hat, das hat er dem "Vorwärts" gegeben, wo er kurz vor dem Austritt der Grünen stand. Also die Enttäuschung auch, dass seine, ich nenne es mal despektierlich, Weltbeglückungsideen über eine Partei letztlich nicht zu bewerkstelligen sind, das hat ihn sehr enttäuscht. Er war kurz vor dem Austritt, wie er sagte. Aber er war trotzdem immer wieder auf der Suche nach Leuten. Er war, heute würde man sagen, eine Art Menschenfischer. Er hat niemanden, um es mal so auszudrücken, aufgegeben. Er hat weder Probleme gehabt, Berührungsängste gehabt mit Linken oder Rechten oder Dummen oder ganz Klugen. Er war immer unterwegs mit einer Energie, um die ich ihn manchmal beneidet habe.
Meurer: Klaus Staeck, Präsident der Berliner Akademie der Künste, Verleger von Joseph Beuys, über die Diskussion, die jetzt über den Künstler Joseph Beuys entbrannt ist aus Anlass seiner neuen Biografie. Herr Staeck, danke und auf Wiederhören.
Staeck: Ich danke Ihnen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.