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Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe
Warnungen über Rundfunk, App und Sirene

Lebensmittelerpressungen, Unwetter, Schadstoffwolken: Bei solchen Ereignissen senden Katastrophenschutzbehörden Warnungen an die Bevölkerung. Mittlerweile bilden 350 Stationen das Netzwerk des Warnsystems. Das Ziel: "Einen Großteil der Bevölkerung sehr schnell zu jeder Tages- und Nachtzeit erreichen", sagte Christoph Unger vom BBK im Dlf.

Christoph Unger im Gespräch mit Susanne Kuhlmann |
    Ein Smarthphone mit der NINA-Warn-App vor einem gefüllten Einkaufswagen in einem Supermarkt
    Einsatzort Supermarkt: Die NINA-Warn-App (imago stock&people)
    Susanne Kuhlmann: Gut, dass es da ist, und gut, nicht allzu oft davon zu hören, denn dann ist immer etwas Schlimmes passiert. Die Rede ist vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). Zwischen Unwetter, Schadstoffwolke und Lebensmittelerpressung – so ist die Bilanz-Pressekonferenz des BBK überschrieben, die gerade in Bonn stattfindet. Vor dieser Sendung hatte ich Gelegenheit, mit seinem Präsidenten zu sprechen: mit Christoph Unger. Vor gut einem Monat sorgte ja ein Erpresser in Süddeutschland für Aufruhr und Angst. Er hatte in einigen Supermärkten Babynahrung vergiftet. Ich fragte Christoph Unger, was im Bundesamt für Bevölkerungsschutz in einem solchen Fall abläuft.
    Christoph Unger: Bei diesem konkreten Fall läuft dann aktuell gar nichts bei uns ab, sondern wir haben unsere Arbeit vorher getan, weil wir nämlich dieses Warnsystem entwickelt haben, aufgebaut haben und verschiedenen Behörden in der Bundesrepublik auch zur Verfügung stellen, die das System dann nutzen können, um dann über verschiedene Wege, über Rundfunk und Fernsehen, über unsere App Warnungen auszusprechen.
    Der Bund betreibt im Rahmen seiner Zuständigkeit für die Warnung vor Luftkriegsgefahren ein Warnsystem, ein satellitengestütztes Warnsystem, das sehr schnell in der Lage ist, innerhalb weniger Sekunden, eine Warnmeldung über Satellit, über diverse Computer auszusenden, und die Menschen können diese Warnungen dann empfangen – entweder über Rundfunk oder Fernsehen, übers Internet, aber auch über eine App, die man vorher auf sein Smartphone heruntergeladen haben muss. Dann gibt es über dieses Smartphone dann eine sogenannte Push-Nachricht. Das heißt, man wird alarmiert und bekommt dann sehr schnell diese Warnung bildlich dargestellt oder in Schriftform auf sein Smartphone.
    Den Großteil zu jeder Tages- und Nachtzeit erreichen
    Kuhlmann: In welchen Fällen tritt so was in Kraft?
    Unger: Wir haben dieses System auch den Ländern und in den Ländern den Katastrophenschutzbehörden zur Verfügung gestellt - das sind rund 400 -, die dann beispielsweise bei einem Staudammbruch, bei einer Giftwolke, die auf eine Stadt zutreibt, oder bei extremen Wetterereignissen, oder wie im Fall der Lebensmittelwarnung bei ganz anderen Gefahren warnen können – sehr schnell, sehr breit. Wir können mit diesem Warnsystem auch einen Großteil der Bevölkerung sehr schnell zu jeder Tages- und Nachtzeit erreichen.
    Kuhlmann: Jetzt wird ein neues, internetbasiertes Warnsystem seit kurzem getestet. Was soll das denn in Zukunft mal leisten?
    Unger: Das ist eine Ergänzung des von uns aufgebauten und vor allen Dingen auch finanzierten Warnsystems. Wir haben rund 100 Stationen dieses modularen Warnsystems in der Bundesrepublik aufgebaut. Damit wir aber die Warnungen flächendeckend verbreiten können, haben wir das Angebot gemacht, 250 weitere Stationen zu errichten. Es geht darum, nicht nur 100, sondern jetzt im Ergebnis 350 Katastrophenschutzbehörden mit diesem Warnsystem zu verbinden.
    Der Vorteil, Menschen aus dem Schlaf zu holen
    Kuhlmann: Sind eigentlich Sirenen völlig aus der Mode gekommen?
    Unger: Nein. Sirenen ergänzen dieses Warnsystem. Und wir arbeiten auch daran, sie an dieses modulare Warnsystem anzuschließen. Sirenen haben den Vorteil, dass tatsächlich gerade nachts die Menschen aus dem Schlaf geholt werden, was dann Sinn und Zweck der ganzen Angelegenheit ist. Aber Sirenen kennen nur eine geringe Anzahl unterschiedlicher Signale und die Menschen müssen diese Signale kennen, um adäquat reagieren zu können.
    Diese Kenntnisse sind häufig verloren gegangen. In Zeiten des Kalten Krieges wusste man, was das bedeutet. Deshalb haben wir gesagt, wir brauchen einen Mix unterschiedlicher Warnendgeräte, auch die Sirenen. Dann haben wir die richtige Sirene, aber wir haben jetzt auch die NINA als Taschensirene. Und wir haben Rundfunk und Fernsehen und wir haben andere Medien, so dass wir doch viele, viele Menschen erreichen können.
    Vergleichsweise unvorbereitete Bevölkerung
    Kuhlmann: Wir hören Sie ja an einem Tag, an dem in Bonn die Weltklimakonferenz beginnt. Beobachten Sie, dass bei uns die Gefahr von heftigen Stürmen oder anderen Unwettern steigt oder in der letzten Zeit gestiegen ist?
    Unger: Nach unserer Auffassung hat der Klimawandel eine Zunahme von Extremwetterereignissen zur Folge. Wir haben das in den letzten Jahren auch in Deutschland erlebt. Das sind natürlich keine Unwetter, wie wir sie aus Asien oder Ozeanien kennen, aus Afrika. Aber wir stellen fest, dass in einigen Regionen plötzlich extreme Niederschläge beispielsweise herunterkommen, an Orten, an denen wir das bisher nicht erlebt haben, dass Bäche, die 20 Zentimeter Wasser führen, plötzlich auf zwei oder drei Meter ansteigen. Wir haben auch Sturmereignisse wie Tornados. Wir als Bevölkerungsschützer gehen davon aus, dass es schwieriger wird, und vor dem Hintergrund bauen wir auch unser Warnsystem aus, weil wir auf eine vergleichsweise unvorbereitete Bevölkerung treffen, die wir nicht nur warnen und alarmieren müssen, sondern denen auch Empfehlungen geben müssen, wie sie sich verhalten, bis hin beispielsweise zu Evakuierungsrouten oder, oder, oder. Es ist auch dem Klimawandel geschuldet, dass wir unser Warnsystem ausbauen.
    Kuhlmann: Das war Christoph Unger, der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, über die Aktivitäten seines Hauses.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.