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Bewährungsprobe für die neue Spitze

Es war ein einmaliger Vorgang in der Geschichte von Deutschlands größtem Bankhaus: Die Deutsche Bank wiederholte ihre Hauptversammlung vom letzten Jahr. Alle Beschlüsse waren von einem Gericht für nichtig erklärt worden, nachdem der Anwalt der Kirch-Familie geklagt hatte.

Von Michael Braun |
    Einer gab’s zu: Er sei wegen des guten Frühstücks gekommen. Andere hatten zumindest inhaltliches Interesse an einer Hauptversammlung mit juristisch schwieriger Tagesordnung:

    "Da ich Aktionär bin und auch informiert werden möchte, was der Vorstand zu erzählen hat – deswegen bin ich hier."

    "Mich interessiert eigentlich hierzu nach diesem ergangenen Urteil, die Meinungen beider Seiten. Denn es ist ja nicht von der Hand zu weisen, dass das gravierende Auswirkungen hat."

    Doch Paul Achleitner, der Aufsichtsratsvorsitzende, nahm wie selbstverständlich den Vorsitz ein. Kein Wort davon, dass auch seine Wahl in den Aufsichtsrat ja erst noch mal bestätigt werden sollte im Laufe des Tages. Er übernahm die Versammlungsleitung, ließ erkennen, wie unwillig die Bank in diese außerordentliche Hauptversammlung getrieben wurde:

    "Danken möchte ich aber auch Ihnen, Ihnen allen, die ihr Interesse an der Deutschen Bank dadurch bekunden, dass Sie heute an einer Versammlung teilnehmen, die man als Pflicht ohne Kür bezeichnen könnte."

    Schon kurz nach Beginn lagen 20 Wortmeldungen vor. Achleitner kündigte eine Generaldebatte an, jeder Redner sollte also in einem Beitrag alle Tagesordnungspunkte abhandeln. Außerdem begrenzte er die Redezeit auf zehn Minuten – er hatte wohl im Hinterkopf, in welche Not sein Vorgänger im vorigen Jahr geraten war, als der die Redezeit zum Schluss auf zwei Minuten begrenzte und im Sturm der Entrüstung beinahe unterging. Achleitner gab sich routiniert.

    "Falls Sie das Wort ergreifen wollen…"

    Als erster Redner war Franz Enderle gemeldet, der Anwalt der Familie Kirch, des großen Gegners der Deutschen Bank also, der seine Pleite auf öffentliche Äußerungen des früheren Deutsche Bank-Chefs Rolf Breuer zurückführt, wonach keine Bank Kirch mehr Kredit und Kapital zu geben bereit sei. Doch Enderle war nicht im Raum. Also rückte ein anderer Redner vor. Der Kirch-Anwalt kam an zweiter Stelle und schoss dann eine Litanei von Fragen ab, zehn Stück pro Minute, gefühlte 50 insgesamt sicherlich. Wie hoch die für 2011 ausgezahlte Dividendensumme sei? Und wie hoch der Zinsschaden sei, wenn sich diese Zahlung wegen ungültiger Hauptversammlungsbeschlüsse als unwirksam herausstelle? Und wer dann dafür hafte? Und ob die Haftpflichtversicherung der Vorstände schon informiert sei? Die anderen Aktionäre rollten die Augen, Ingo Speich etwa, der für die Fondsgesellschaft Union-Invest sprach:

    "Wir stimmen auch allen Tagesordnungspunkten zu und sind auch der Meinung, dass Partikularinteressen von Kleinanlegern oder Minderheitsinvestoren nicht auf diese Plattform gehoben werden sollten."

    Oder ein anderer Bankvertreter, der zudem zu wissen glaubte, niemals sei Kirch wegen Breuers Äußerungen pleitegegangen:

    "Kirch war klar vor den Bemerkungen von Herrn Breuer nachweislich insolvent."

    Andere Aktionäre wussten, dass die Hauptversammlung aus rechtlichen Gründen auf Deutsch stattfinden müsse. Wie denn dann die Auskunftspflicht des Deutschen kaum mächtigen Ko-Vorstandes Anshu Jain sichergestellt werde? Erst mal wurde der zweite Ko-Vorstand, Jürgen Fitschen aufgeboten:

    "Wir wollen durch die Bestätigung von angefochtenen Beschlüssen der letzten Hauptversammlung insbesondere sicherstellen, dass wir in der kommenden ordentlichen Hauptversammlung am 23. Mai 2013 eine rechtssichere Grundlage für die dann anstehenden Entscheidungen haben."

    Und dann gab es noch den Aktionär, der wissen wollte, warum ihm bei der Sicherheitskontrolle der mitgebrachte Zollstock abgenommen worden sei.

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