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Bewaffnete Roboter

Cyberkrieg klingt nach Computerspiel, ist aber harte und böse Wirklichkeit. Ferngesteuerte Drohnen, Virenattacken auf die Infrastruktur des Gegners, das sind die ersten Anzeichen von Kampfhandlungen, die mit Maschinen durchgeführt werden. Harmloser wird der Robotereinsatz den Krieg nicht machen.

Von Maximilian Schönherr |
    1. Wissenschaft im Brennpunkt
    Eine Sendung über moderne Kampfmaschinen könnte man mit Geräuschen von Computerkontrollräumen, Tastaturklappern, anfliegenden Lenkraketen und über dem Gebirge surrenden Drohnen anfangen. Als ich meine Recherche begann, verging mir sofort die Lust auf solche Hörspieleffekte. Ich war in einem Gebäude der Technischen Universität Braunschweig, wo ein wissenschaftlicher Kongress zur Rüstungsforschung stattfand. Der erste Kongress dieser Art seit über 20 Jahren, also seit Ende des kalten Krieges, seit Ende der DDR und der Sowjetunion.

    Unter den Wissenschaftlern aus mehreren Ländern sind einige Aussteiger aus der militärischen Forschung. Aber auch alle anderen Anwesenden stehen dieser Forschung kritisch gegenüber. Sie diskutieren hier über die Zivilklausel an Universitäten. Mir ist die Zivilklausel neu; ich lernte den Begriff hier kennen.

    Als quasi geistiger Vater schwebt über dem Kongress Albert Einstein, der Pazifist. Es schwebt aber auch etwas anderes, etwas Bedrohliches, durch die Diskussionen der Tagung: die Drohnen – selbständig fliegende Kriegsmaschinen, Bestseller bei den Rüstungsherstellern und Waffenhändlern. Drohnen werden seit 20 Jahren, auch an ganz normalen Physik- und Informatik-Instituten entwickelt. Jetzt sind sie technisch so ausgereift, dass sie die Luftwaffe verändern, die Aufklärung, den Krieg.

    Weil diese Waffen autonom arbeiten, werfen sie jedoch Fragen auf, die neu sind: Wer trägt die Schuld, wenn eine Drohne aus 300 Metern Höhe ein Gelände fehlinterpretiert und dadurch die eigenen Truppen in eine Falle lotst? Was, wenn sie einen Regenschirm für ein Gewehr hält und den Zivilisten tötet? Ist der Programmierer schuld? Der Verteidigungsminister? Der Grundlagenforscher an der Universität?

    Bevor wir diese großen Fragen versuchen zu beantworten, müssen wir wissen, wie solch eine neue Kampfmaschine funktioniert. Ich fuhr dazu ins bayerische Manching bei Ingolstadt, zu Cassidian, einer Tochterfirma des europäischen Rüstungskonzerns EADS. Interviews mit Wissenschaftlern aus der Rüstungsforschung sind schwer zu bekommen. Von einigen Forschungsinstituten bekam ich Absagen, als hätte ich nach etwas Unsittlichem gefragt. Hatte ich vielleicht auch. Aber der größte Hersteller von autonomen Flugkörpern, Unmanned Aerial Vehicles, abgekürzt UAVs, in Europa, erklärte sich bereit, mich zum empfangen.

    Der Chef empfängt mich, Nicolas Chamussy, Leiter der UAV-Sparte bei Cassidian. Auf dem Sideboard seines Büros sind Drohnen sehr unterschiedlicher Größe aufgereiht: winzige Senkrechtstarter mit Hubschraubertechnik, die nur eine Stunde fliegen können, und zehnmal größere mit vielen Metern Spannweite, die nur auf Flughäfen starten und landen, aber dafür einen Tag lang in der Luft bleiben können. Fragen nach Ästhetik der Waffen, nach Details der Software, sind von diesem Gespräch vorher ausgeschlossen worden. Trotzdem wich Nicolas Chamussy manchmal von der Fragenliste ab. Wir entscheiden uns, das Interview in Deutsch zu führen; denn der Ingenieur spricht als Franzose in Bayern sehr gutes Deutsch.

    Schönherr: "Wozu brauchen wir so viele unbemannte Hightech-Objekte im Himmel?"

    Chamussy: "Erstens zur Verlängerung der Einsatzzeiten, was wir 'Long Endurance' nennen. Zum zweiten, weil diese unbemannten Systeme Piloten aus bedrohten Situationen heraushalten. Und das ist in Kriegs- und Konfliktzeiten durchaus important, wichtig. Zum dritten, weil diese unbemannten Systeme langfristig zu Kostenreduktionen führen können, weil weniger Piloten gebraucht werden. Und schließlich, weil diese Systeme Missionen in gefährlichen und schwierigen Gefechtsfeldern ermöglichen können. Das sind für das Militär vier wichtige Punkte, warum unbemannte Systeme so wichtig sind. Und in den nächsten Jahrzehnten wird die Nachfrage nach UAV stark wachsen, noch stärker wachsen; es ist jetzt schon ein wachsender Markt."

    Schönherr: "Wer sind die Kunden?"

    Chamussy: "Die Kunden sind zurzeit zumeist Militär oder Verteidigungsministerien."

    Nicolas Chamussy schätzt den Vorsprung der Amerikaner auf dem Gebiet der UAVs auf mehr als zehn Jahre ein. Um so schwerer aufzuholen, als die Entwicklungsbudgets in den USA um einige Größenordnungen höher liegen und dort auch viel Geld vom Pentagon in flankierende Bereiche fließt, vor allem in die Satelliten- und Raketentechnik. Autonome Kriegsmaschinen kommunizieren mit, ja mit der Basis zuhause über Satellit, und wenn sie schießen können, dann mit ballistischen Waffen, also Lenkraketen. Auch ein ganz kleines Land mischt sehr intensiv in diesem Markt mit. Chamussy:

    "Israel ist neben den Vereinigten Staaten der größte Wettbewerber für UAVs. Danach kommen Europa, China, Südkorea und diese neu entwickelten Länder."

    Die unbemannten autonomen Flugzeuge, die Nicolas Chamussy in Frankreich und Deutschland entwickeln lässt, haben futuristische Namen wie Talarion, oder klassische Militärnamen wie Eurohawk – Euro-Habicht. Früher musste man ihnen die Flügel – die Fixed Wings – abschrauben und sie in Großraumflugzeugen in die Kampfgebiete transportieren. Heute geht das eleganter.

    "Einige Systeme können einfach direkt aus Deutschland nach Afghanistan selbst fliegen, dort landen, und sie werden dort gewartet und operiert. Das ist typisch für Eurohawk, aber auch für Talarion, ein Projekt, das wir im Moment entwickeln, auch Fixed Wing, mit mindestens 24 [Stunden] Flugdauer und einer Reichweite bis zu 3000, sogar 4000 nautischen Meilen. Und das bedeutet, dass ein solches unbemanntes System direkt aus Manching nach Afghanistan fliegen würde."

    Schönherr: "Fliegt die Drohne einfach unter dem deutschen Flugradar hindurch? Oder weiß irgendein Fluglotse von diesem militärischen Geheimflug?"

    Chamussy: "Doch doch, das ist völlig offiziell und wird von einem Fluglotsen kontrolliert, sozusagen."

    Schönherr: "Spricht der dann mit dem Eurohawk-Piloten?"

    Chamussy: "Ja genau, der spricht dann mit dem Eurohawk-Piloten, aber der Eurohawk-Pilot sitzt irgendwo in Manching oder in Schleswig oder in Köln. Es gibt tatsächlich einen Piloten, der ist nicht an Bord, aber der redet mit den Lotsen."

    Nach dem Start im bayerischen Manching durchfliegt der über 14 Tonnen schwere Eurohawk die Luftschicht der Passagierjets. Er hat kein Sauerstoffproblem, in eine Höhe von fast 20 Kilometern.

    Die UAVs, die Cassidian herstellt und bestens verkauft, dienen der militärischen Aufklärung, nicht dem direkten Kampf. Sie bekommen von der weit entfernten Bodenstation grobe Befehle, sich ein bestimmtes Gebiet genau anzusehen. Sie starten dann, zum Beispiel von einem Militärflugplatz in Nordafghanistan, automatisch hoch in die Berge des Hindukusch, schauen mal in dieses und dann in jenes Tal hinein, nehmen Fotos auf, schneiden Funksprüche am Boden mit, registrieren Radarsignale von Flugzeugen und Raketen, senden die Daten quasi in Echtzeit über eine verschlüsselte Boden- oder Satellitenverbindung an die Kontrollstation, wo im Fall von Cassidian tatsächliche Kampfpiloten sitzen, geschützt im klimatisierten Raum. Kann die Drohne schießen?

    "Schießt nicht, aber guckt, hört. Schießt nicht, die Amerikaner machen das so, aber in Europa noch nicht. Das wird kommen, das ist keine Frage."

    Schönherr: "Ist das präzise Schießen von unbemannten Flugkörpern ein technisches Problem?"

    Chamussy: "Nein, das ist kein technisches Problem, das ist nur ein operationelles Konzept, das in Deutschland und Europa noch nicht entwickelt worden ist. Zurzeit braucht das Militär keine bewaffneten Systeme. Aber das wird kommen."

    Das heißt, aktiv schießende UAVs könnten auch in Europa, auch in Deutschland gebaut werden, wenn die Verteidigungsministerien das wünschen. Auch für den Bremer Informatikprofessor Hans-Jörg Kreowski nur eine Frage der Zeit.

    "Also, ich denke schon, dass von militärischer Seite es sehr favorisiert wird, autonome Waffen einzusetzen, damit keine eigenen Soldaten mehr sterben, oder eben wesentlich weniger sterben. Denn das ist der Bevölkerung im eigenen Land, weder in den USA, und erst recht nicht in Europa überhaupt vermittelbar, warum eigene Soldaten sterben sollen, während wenn irgendwelchen Blechkisten kaputtgehen, das sind zwar paar Millionen, die da vernichtet werden, aber das ist irgendwie leichter zu vermitteln. Deshalb haben die USA auch ein Programm aufgelegt, ein Drittel ihrer Bewaffnung auf autonome Vehikel umzustellen. Der Plan ist, bis 2015. Ich nehme an, das dauert ein bisschen länger, aber eine solche Entwicklung kommt auf jeden Fall, und es werden eben ungeheure Milliardenbeträge für die Umstellung der Waffensysteme auf Autonomie ausgegeben."

    Kreowski hält es nur für eine Frage der Zeit, bis die Drohnen auch selbst feuern, und nicht mehr auf das Okay aus der Zentrale in Nevada warten. Sie wissen schließlich viel besser, was da unten passiert, und – so manche Hersteller – wenn die Software gut genug ist, können sie locker zwischen Regenschirm und Kalaschnikow unterscheiden. Drohnen-Entwickler Chamussy sieht das nicht kommen, aber er schließt es nicht für alle Zeit aus.

    "In jedem Fall wird kein autonomer Waffeneinsatz, das wird nie, oder man soll nie nie sagen, so sein. Der Mensch bleibt in jedem Fall der entscheidende Verantwortungsträger. Auch wenn er in Manching sitzt. Und das ist der Fall bei den Amerikanern: Die Systeme sind in Nevada gesteuert, fliegen aber in ihrem Einsatzgebiet in Afghanistan oder im Irak. Und die letzte Entscheidung wird von einem Menschen, oder einem Pilot, getroffen."

    Schönherr: "Selbst dann, wenn die Maschine es wirklich besser wüsste?"

    Chamussy: "Ja, aber in diesem Fall soll die Maschine entscheiden, nicht zu schießen. Das wäre am besten."

    2. Super Soldat

    "Im Denken der Amerikaner ist die Drohne ein Allheilmittel geworden. Aber ich komme gerade aus Pakistan und weiß, welche Traumata und Schrecken Drohnen bei den Menschen dort verursachen. Sie töten viele Zivilisten, weil es schwer ist, aus der Vogelperspektive einen Talibankrieger von einem Unbeteiligten zu unterscheiden. Man bräuchte dazu Informationen vom Boden. Der Mensch, der letzten Endes das Feuer aus der Drohne eröffnet, sitzt weit weg in St. Louis, Missouri, in Kalifornien oder wo auch immer, und sieht das Videobild dessen, was die Drohne sieht. Aber die Realität am Boden unten ist eine völlig andere. Es wimmelt von Drohnen der CIA direkt über pakistanischem Gebiet. Es gibt dagegen sowohl auf Seiten des pakistanischen Militärs als auch bei der Bevölkerung großen Widerstand. Die Zivilbevölkerung wird in Angst und Schrecken versetzt, Menschen sterben, und den Militärs machen die Amerikaner großen Druck, ihnen das Überfliegen offiziell zu gestatten – eine Aufforderung, die eigene Lufthoheit aufzugeben. Soldaten und Piloten durch Drohnen zu ersetzen, ist jedenfalls kein Allheilmittel. Die Roboterisierung des Militärs passiert definitiv. Sie löst das Kriegsgeschehen vom Krieger ab. Daher kommt die Popularität, denn die, die diese Robotik einsetzen, verlieren weniger Soldaten. Es ist für sie nur ein Computerspiel."

    Subrata Ghoshroy vom MIT in Boston, USA, Physiker, Spezialist für Röntgenlaser. Ghoshroy ist Ehrengast auf dem Kongress über Rüstungsforschung in Braunschweig. Er hat in den 1980er Jahren unter der Reagan-Regierung an Laserwaffen für das Star-Wars-Programm gearbeitet. Es sollten dabei von Satelliten aus feindliche Raketen mit Röntgenlasern entdeckt und vernichtet werden. Subrata Ghoshroy hat später auch Gutachten für Rüstungsvorhaben im US-Kongress erstellt und nennt seine Laserforschung rückblickend "irrsinnig".

    Heute, sagt er, hängen die Militärs nicht mehr solch verrückten Science-Fiction-Ideen nach, sondern sind weitaus realistischer. Das amerikanische Verteidigungsministerium finanziert die meisten Physikinstitute an US-Universitäten; die meisten US-Universitäten könnten einpacken, wenn keine Steuergelder für Rüstungsvorhaben mehr flössen. Und wenn es nur um Forschungen an an sich harmloser Robotik geht, wofür das MIT berühmt ist. Das MIT, wo Ghoshroy seine Laserwaffen bauen sollte, sie aber nie so klein hinbekam, dass sie in einen Satelliten hinein gepasst hätten, bekommt seit langem um die 100 Millionen Dollar pro Jahr direkt vom Pentagon. Aus derselben Quelle finanziert wird das ans MIT angedockte Center for Nanotechnology. Was wollen die Militärs mit Nanotechnologie? Goshroy:

    "Diese Forscher entwickeln neue Materialien für Gefechtsuniformen. Die Uniform passt sich der Umgebungstemperatur an. Es klingt lustig, und auch die Nasa wird das einsetzen."

    Das US-Verteidigungsministerium fördert das Projekt des "Super Soldiers", wo der Soldat nicht nur intelligente Kleidung mit eingebauter verschlüsselter Internetverbindung tragen wird. Der Super-Soldat ist Teil eines Konzepts, wo der Soldat als Roboter begriffen wird, als "System Soldat" mit mehreren Subsystemen.

    "Die schlimmste Fortentwicklung sehe ich bei der Entwicklung des Infanteristen zu einem wandelnden Kriegscomputer, der faktisch ferngesteuert Krieg im Feindesland führt. Ein echter Soldat – aber wenn man die Bilder sieht, sind ja im Prinzip nur Haut und Haare von ihm da, der Rest ist mehr oder weniger ein gesteuerter Computer. Er wird wie ein Computer gesteuert und steuert selbst wieder einen Computer, es ist eine doppelte Funktion, die der Kerl hat."

    Reiner Braun, Historiker und Leiter der deutschen Sparte der IALANA, einer Initiative von Juristen und Juristinnen gegen neue Waffen. Braun hat den Kongress an der TU Braunschweig ins Leben gerufen und auch Stewart Parkinson eingeladen, einen englischen Physiker, der an Nachtsichtgeräten gearbeitet hat – bis er merkte, dass sein Institut sie als Aufsatz für Schnellfeuerwaffen verkaufen wollte. Stewart Parkinson über den intelligenten Soldaten im autonomen Waffenkontext:

    "Vernetzungstechnologie gibt den Militärs deutlich mehr Kontrolle über das Kriegsgebiet. Das Aufklärungs- und Überwachungssystem, das in einem Gebiet operiert, speist seine Daten ein. Die werden dann aufbereitet und an die Soldaten geschickt, die einen Eindruck darüber bekommen, was die nächsten Ziele sein könnten."

    Die Vernetzung dient auch der Kommunikation untereinander, mit den Verbündeten, ein Britischer Soldat spricht mit einem amerikanischen Soldaten. Vernetzung im Militär bedeutet auch, dass verschiedene Waffentechniken im Verbund eingesetzt werden können. Drohnen, Kampfflugzeuge und Bodentruppen sind heute besser verlinkt. Es ist innerhalb der Nato ein ganz zentrales Thema. Die Vernetzung wird aber auch in Russland, China und Indien immer wichtiger.

    3. Künstliche Intelligenz

    Alles, was wir heute an modernen Kriegsmaschinen in Libyen, im Irak, in Afghanistan sehen, kommt aus einer in den 1980er-Jahren gehypten, später eigentlich längst für tot gehaltenen Forschungsdisziplin, der "KI".

    Hans-Jörg Kreowski: "Zum Beispiel wurde 1983 von den USA ein großes Programm zur Förderung der Künstlichen Intelligenz aufgelegt, die Strategic Computing Initiative, mit 500 Millionen US-Dollar. Davon war ein Drittel genau für solche autonomen Systeme reserviert, wie sie jetzt allenthalben herumfliegen und herumfahren."

    Schönherr: "Herumfahren?"

    Kreowski: "Es geht darum, fahrende Roboter auch in Häuser reinfahren zu lassen, in denen befürchtet wird, dass da Soldaten sind, die schießen, sodass man eben lieber nicht mit menschlichen Truppen da reingeht. So ein Landvehikel, das ist einfach ein Panzer, der allein in der Gegend herumfahren kann. Das heißt, er muss Hindernissen ausweichen können, er muss sich verstecken können, er muss Landmarken interpretieren können, um sich zu orientieren. Oder eben auch irgendwelche Roboter, die dann eben nicht fahren, sondern krabbeln, krauchen und kriechen, und da gibt es in der Zwischenzeit sehr viele Realisierungen."

    Hans-Jörg Kreowski ist im Vorstand des FIFF, dem Forum Informatikerinnen und Informatiker für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung, übrigens eine Wiege des deutschen Datenschutzes.

    "Ja, ohne Computer und damit ohne Programmierung und damit ohne Informationstechnik und Informatik würde es diese Waffen gar nicht geben. Denn die Computer, die in all diese Geräte eingebaut sind, sind einmal zum Steuern da. Sie sind dazu da, um über Sensoren erst einmal alle Beobachtungen zu machen, also das Gelände zu beobachten, Ziele zu suchen. Dann müssen diese Geräte, da sie ja weit weg von den Kommandozentralen sind, über Kommunikationsnetze verbunden werden, es muss Bildauswertung möglich sein. Und die Algorithmen, die das steuern, auswerten, sind ganz häufig aus der Künstlichen Intelligenz, sodass da viele Fragen aus der Informatik in diesem Zusammenhang geklärt werden müssen."

    4. Ethik und Völkerrecht

    Hans-Jörg Kreowski: "In Zukunft werden Maschinen die Entscheidung zwischen Leben und Tod treffen werden und auch zum Beispiel dafür zuständig sein werden, das Kriegsvölkerrecht einzuhalten. Ein spezieller Kollege, Ron Arkin, geht ganz fest davon aus, dass man solche Maschinen bauen kann, und er geht auch davon aus, dass sie das Kriegsvölkerrecht einhalten können, sogar viel besser als Menschen, weil sie sich eben strikt an die Regeln halten, nie in Panik geraten. Ungerechtfertigte Befehle können sie dann verweigern, sie haben keine Angst – sagt er. Ich sage dagegen, wir wissen überhaupt nicht, was eine Maschinenethik sein soll, genauso wenig wie wir wissen, was Maschinenintelligenz wirklich an Intelligenz ist. Und deshalb ist es höchst riskant, solche Versuche überhaupt zu machen. Also, ich gehe davon aus, dass da einfach noch viel mehr Menschen erschossen werden und auch viel mehr Zivilbevölkerung betroffen sein wird als jetzt schon."

    Hans-Jörg Kreowski unterscheidet deutlich zwischen dem, was man gängig unter "Cyberwar" versteht, also dem Krieg übers Internet, und tatsächlich herumlaufenden, -fahrenden, -fliegenden, autonom handelnden Maschinen. Der Cyberwar, wo von Firmen oder Regierungen bezahlte Informatiker sich in die Steuerungssysteme von Stromversorgern hacken oder mit dem Stuxnet-Virus verseuchte USB-Sticks in Uranaufbereitungsanlagen stecken, gehört für Kreowski zur Sabotage, vielleicht auch zur Agententätigkeit, aber nicht zum staatlich verordneten Krieg. Und wie steht es mit Vorgängen, die Kriegsroboter wirklich effektiver machen als Menschen? Der Drohnen-Entwicklungschef Nicolas Chamussy bringt ein Beispiel aus seiner Tätigkeit in der Raumfahrt:

    "Bei der Raumfahrt gibt es beim Andocken einen Punkt, der heißt CHOP – Crew Hands Off Point. Es bedeutet, wenn die Raumfähre weniger als einen Meter von der Station entfernt ist, ist es den Astronauten nicht mehr erlaubt, irgendwelche Commands, Befehle, an die Raumfähre zu schicken, weil alles, was die Astronauten machen können, schlechter wäre, als das, was die Maschine macht."

    Hans-Jörg Kreowski, der Bremer Informatiker, schätzt das als eine ganz spezielle Anwendung ein, wo Software natürlich besser funktionieren kann als der Mensch. Krieg ist unendlich komplexer.

    Das moderne Auto mit Fußgängererkennung ist ein weiteres Beispiel, wo Software in einem kleinen Entscheidungsrahmen zuverlässig arbeitet – durch autonomes Abbremsen, ohne Einwirkung des Fahrers. Aber, so Kreowski…

    "…so ein Kind, was von der Seite vor ein Auto springt, das ist eine relativ klar abgegrenzte Situation, auf die man sich einstellen kann. Ich glaube nicht, dass sich alles bezüglich einem Waffeneinsatz, was passieren kann, vorher programmieren ließe, in einem Sinne, dass auch das Völkerrecht eingehalten wird und sozusagen Maschinenethik und das künstliche Gewissen da echt greifen. Das kann ich überhaupt nicht glauben, denn in der Künstlichen Intelligenz werden ja seit 50 Jahren ähnliche Dinge probiert, und die Erfolge bezüglich der echten Intelligenzleistung sind eher mager."

    Schönherr: "Wenn jetzt ein Roboter in einer Familie arbeitet, etwa bei einer älteren Dame, und er hilft ihr beim Abwaschen, stellt ihr das Essen hin, oder schiebt sie durch die Wohnung und hebt sie dann ins Bett. Wenn er sie dabei zerquetscht, weil ein Programmierfehler drin ist, ist dann der Code unethisch?"

    Kreowski: "Unbedingt. "

    Schönherr: "
    Ich meine, wer hat den in diesem ganzen Rüstungskreislauf ein Gewissen zu haben? Ist es der Ingenieur, der meint, ich mache Satellitentechnik, die nur zur Fernsehausstrahlung genutzt wird, und es ist nicht mein Problem, wenn die militärisch benutzt wird? Ist es das Pentagon, was dann diese Technologie einkauft? Oder ist es der General, der sie einsetzt? Oder ist es der Soldat, der in Nevada sitzt und der Drohne sagt: So, ab jetzt kannst du selbständig fliegen?"

    Kreowski: "Ich denke, das gehört alles zusammen. Wenn man das mal ein bisschen allgemeiner sieht, gibt es die Charta der Vereinigten Nationen, die haben fast alle Länder und Nationen der Welt unterschrieben. Und da steht drin, dass die Nationen von der Geissel des Krieges befreit werden sollen. Und um es zu verwirklichen, müsste man eben die Bedingungen, die heute zu Krieg führen, beseitigen, und daran arbeiten, dass es eben gar keine Gründe gibt für Kriege. Man müsste also Kriegführen durch friedliche Entwicklungen ersetzen. Und da gibt es ja extrem wenige Anstrengungen. Die USA rüstet noch und nöcher auf, die Rüstungsindustrie jammert, wenn irgendwo ein Rüstungsprogramm nicht weiter entwickelt wird."

    5. Zivilklausel

    Reiner Braun: "Zivilklausel ist die Ausrichtung der Universität an ziviler Forschung und Lehre. Und dieses festzuschreiben in der Grundordnung oder der Satzung der Universität, das heißt, eine zivile Ausrichtung verpflichtend als Grundgedanken der Universität zu machen, was eigentlich das historische Leitbild einer Universität sein soll. Die Universitäten haben ja alle das Problem, dass sie völlig unterfinanziert sind. Wie reagiert eine Universität auf Unterfinanzierung? Da protestiert sie ja nicht beim Minister, sondern da sagt sie: Wir müssen uns Geld besorgen. Und wie besorgt man sich heute in diesem System Geld? Indem man Drittmittel einwirbt. Und das ist ja der ganz große Hit, das heißt, Industriegelder im großen Umfang. Und da ist man natürlich hemmungslos und nimmt alles, was man kriegen kann. Und das geht eben nicht nur so weit, dass man sehr zweifelhafte gentechnologische Forschung macht, dass man sehr zweifelhafte Luft- und Raumfahrtforschung macht, wo man immer den gesellschaftlichen Sinn erfragen kann – sondern dann nimmt man auch Geld aus dem Rüstungsbereich, und zwar sowohl von der Rüstungsindustrie als auch vom Bundesministerium für Verteidigung. Insgesamt ein Teil von den ganzen 1,1 Milliarden Euro, die das Verteidigungsministerium zur Rüstungsforschung ausgibt."

    Hans-Jörg Kreowski: "Ja, die Zivilklausel ist im Moment sehr in der Diskussion. Das ging vor allem von Karlsruhe aus, dort wurde die Universität mit dem Kernforschungszentrum zusammengelegt. Das Kernforschungszentrum hatte eine Zivilklausel und die Universität nicht. Und bei der Zusammenlegung ist dann die Zivilklausel, zumindest vorläufig, auf der Strecke geblieben. Wir hier in Bremen haben an der Uni auch eine Zivilklausel seit 1986. Und die ist eigentlich nach wie vor gültig und wird auch weitgehend, soweit ich das nachprüfen kann, respektiert."

    Meine Anfragen, etwa bei der Technischen Universität München, einer Exzellenzuniversität, blieben ergebnislos. Kein Forscher scheint dort mehr oder weniger direkt für die Rüstung zu forschen. Laut Hans-Jörg Kreowski und Reiner Braun machen sich die meisten Wissenschaftler darüber keine Gedanken. Sie verstecken sich hinter dem, was die Friedensforschung "Dual Use" nennt: Ich forsche an einer wertneutralen Technik; was kann ich dafür, wenn sie später für Waffen eingesetzt wird!

    Reiner Braun: "Da geht es ja um die Frage der Dual Use-Forschung: Wie ist diese Forschung zu bewerten, die sowohl zivil als auch militärisch verwendbar ist. Ganz einfaches Beispiel: Satelliten. Das kann jeder nachvollziehen: Mit Satelliten kann man einen Kriegsschauplatz orten, kann einen aber auch mit dem Auto ins Ziel leiten. Geht also beides, die Drohne ins Ziel leiten oder Fernsehgucken. Das ist eine ganz typische Dual Use-Forschung. Da ist die Frage, wie kann man das erkennen? Und meiner Meinung nach gibt es drei entscheidende Erkennungsmerkmale. Das erste Erkennungsmerkmal ist: Woher kommt das Geld für die Forschung? Also, die Fernsehproduktion wird nicht für das Verteidigungsministerium entwickelt. Deswegen ist es eher unwahrscheinlich, dass das Verteidigungsministerium Geld für die Entwicklung von ARD und ZDF ausgibt. Nicht mal für RTL. Das Zweite ist: Ist es öffentlich? Darf ich die Forschungsergebnisse publizieren, öffentlich publizieren? Darf ich sie auf nationalen und internationalen Kongressen vertreten, ohne einer Zensur oder einer Beschränkung zu unterliegen? Und kann ich auch meine Examensarbeiten veröffentlichen? Damit eng verbunden ist der dritte Punkt: Darf ich darüber überhaupt reden? Es gibt so genannte Schweigeklauseln bei Forschungsaufträgen. Sodass, wenn alle diese Kriterien zutreffen, zumindest die Alarmsignale läuten müssen und dann muss es eine gesellschaftliche Debatte an der Universität, an dem Institut darüber geben: Was geschieht hier eigentlich? Und da gibt eine Verpflichtung, das offen zu legen, und dann wird sich in der Debatte sicher klären lassen, ob es ein Versehen ist, und ob es vielleicht eine ganz kluge zivile Forschung ist, oder ob es in die militärische Richtung geht."

    In Japan haben 16 Universitäten, darunter alle Spitzenuniversitäten des Landes, eine Zivilklausel. In Deutschland sind es ungefähr zehn. Bei der grün-roten Regierung in Baden-Württemberg steht die Zivilklausel im Koalitionsvertrag.

    "Es gibt keine Wissenschaft um der Wissenschaft willen. Das ist der Schlüssel zu unseren Überlegungen, militärische Forschungen aus den Instituten herauszuhalten. Es gibt so viele drängende Probleme, dass das Argument, wir forschen ja nur um der Forschung willen, dem nicht gerecht wird. Die Militärforschung hindert uns, auf unsere Verkehrsprobleme, den Klimaschutz, den Hunger zu schauen. Stattdessen steht das im Vordergrund, was für den Soldaten und das Militär wichtig ist. Mein Appell an Wissenschaftler ist, diese Prioritäten neu zu ordnen","

    sagt MIT-Mitarbeiter Subrata Ghoshroy. Reiner Braun, der Historiker und Friedensforscher aus Berlin, will die neuen Lieblingswaffen des Militärs abschaffen. Er vergleicht sie mit Landminen und Streumunition.

    ""Das ist sicher so ein Punkt, wo wir nach Landmines, nach Cluster-Munition, nach Depleted Uranium über eine Initiative nachdenken müssen, durch eine Konvention so ein Verbot zu erreichen. Es sind grausame, im Wesentlichen immer wieder gegen Zivilisten gerichtete Waffen."

    Gelegentlich brüstet sich die Gegenseite, also etwa Kämpfer von Al Qaida, Drohnen abgeschossen oder sich in die verschlüsselten Funksysteme gehackt und die Drohnenbilder abgefangen zu haben. Von solchen Einzelaktionen abgesehen: Es bleiben Waffen in den Händen der Big Players. Reiner Braun:

    "Der heutige Krieg ist asymmetrisch und wird es auch erst einmal bleiben. Denn die heutigen Kriege sind im Prinzip Kriege zwischen Arm und Reich. Das werden die Kriege der überschaubaren nächsten Zeit sein. Das andere ist die Frage, dass wir eigentlich den Krieg abschaffen müssen."