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Bewegte Hologramme

Technik. - Dreidimensionale Filme sind derzeit der letzte Schrei, zu sehen allerdings nur mithilfe von speziellen Brillen, die wiederum die Illusion merklich dämpfen. Doch heute präsentieren US-Experten im Wissenschaftsmagazin Nature eine komplett neue Technik. Sie würde 3D-Brillen überflüssig machen, denn mit ihrer Hilfe lassen sich im Prinzip Hologramme erzeugen, die sich im Raum bewegen.

Von Frank Grotelüschen | 10.01.2013
    Lichtformer – so ließe sich der Job von Michael Watts mit wohltönenden Worten umschreiben. Seine offizielle Bezeichnung ist viel profaner: Er ist Elektroingenieur am renommierten MIT in Boston. Dennoch – Lichtformer trifft das, was Watts und seine Leute treiben, ziemlich gut:

    "Wir können Licht beliebig formen. Mit unserer Technik können wir beliebige Lichtmuster im Raum entstehen lassen – dreidimensionale Muster. In gewissen Sinne sind es veränderbare Hologramme."

    Kaum einen Quadratmillimeter misst der Chip, auf dem die neue Technik beruht. Hergestellt wurde er mit derselben Fertigungsmethode, mit der Mikroprozessoren produziert werden. Watts:

    "Mit dieser Methode haben wir in eine dünne Siliziumschicht eine schachbrettähnliche Struktur geätzt, insgesamt 4096 Felder. Jedes dieser Felder besteht aus einer winzigen Nanoantenne. Und jede dieser Nanoantennen strahlt das Licht eines kleinen Lasers ab."

    Jede Nanoantenne ist geformt wie ein verschnörkeltes "S" und fungiert als ein winziger Sendemast für Licht. Der Clou: Die Forscher können jede Nanoantenne einzeln ansteuern, indem sie Strom durch sie schicken. Dadurch wird das Licht, das eine Nanoantenne abstrahlt, gezielt verändert – in seiner Stärke, aber auch in seiner Phase. Letzteres bezeichnet die genaue Startzeit, wann eine Lichtwelle von der Antenne ausgesendet wird – ob ein bisschen früher oder ein wenig später. Vor dem Chip treffen sich dann die Lichtwellen aller 4096 Nanoantennen. Manche der Wellen löschen sich dabei aus, andere verstärken sich. Als Resultat entsteht eine räumliche Lichtfigur, ein Hologramm. Das Logo seines Arbeitgebers konnte Michael Watts schon projizieren – die Buchstaben M I T. Zwar vermag die Bildqualität noch nicht zu begeistern. Für die Zukunft aber verspricht die Technik interessante Anwendungen:

    "Unser ursprüngliches Ziel war, neue Abstandssensoren für Autos zu entwickeln: Sensoren, die nicht nur Entfernungen messen, sondern auch die räumliche Gestalt eines Objekts, eines Fußgängers etwa. Unser System kommt dabei ohne bewegliche Teile aus, also ohne Spiegel, die hin- und herbewegt werden müssen."

    Doch rasch wurde Watts klar: Seine Nanoantennen dürften auch für andere Anwendungen taugen, etwa für die Medizin.

    "Unser Chip misst kaum einen Millimeter, und man könnte ihn noch kleiner bauen. Klein genug, um ihn in die menschliche Blutbahn zu spritzen. Von dort aus könnte er 3D-Bilder liefern und die Verkalkung der Gefäße ausmessen."

    Die wohl spektakulärste Idee aber ist der 3D-Projektor: Er soll räumliche Bewegtbilder hervorzaubern können, die noch viel realitätsgetreuer sind als die Bilder der heutigen 3D-Filme.

    "Vor den Experimenten hätte wir es nicht für möglich gehalten, auf Basis unserer Technik einen 3D-Projektor bauen zu können. Aber dann sahen wir, was bereits bei den ersten Versuchen möglich war. Und seitdem erscheint es uns sehr realistisch, bewegte Objekte so projizieren zu können, als stünden sie direkt vor einem – und zwar ohne 3D-Brille. Und es wäre extrem schwer, diese Bilder von der Wirklichkeit zu unterscheiden."

    Bis es soweit ist, müsste die Technik allerdings noch deutlich weiter entwickelt werden: 4000 Nanoantennen sind viel zu wenig, um scharfe 3D-Bilder zu projizieren. Dafür bräuchte man Milliarden solcher Antennen auf einem einzigen Chip. Und so dürfte es, schätzt Michael Watts, noch zehn Jahre dauern, bis die neue Technik unsere Wohnzimmer erobert.