WHO-Studie
Gesundheitsrisiko Bewegungsmangel - was sich ändern muss

150 Minuten mäßiger Bewegung oder 75 Minuten intensiver Bewegung pro Woche empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Andernfalls drohen gesundheitliche Risiken. Fast ein Drittel der Erwachsenen weltweit schafft das nicht. Wie lässt sich das ändern?

28.06.2024
    Sport im Park. Outdoor Sportangebot in Bonn, Deutschland
    Damit Menschen sich bewegen, braucht es eine entsprechene Infrastruktur, sagen Experten. Dafür zu sorgen, dass sie vorhanden ist, sei Aufgabe der Politik. (IMAGO / photothek / Ute Grabowsky)
    Endlich den inneren Schweinehund überwinden und sich im Fitness-Studio anmelden – das kann doch nicht so schwer sein! Doch mit individuellem Versagen allein lässt sich der weltweite Bewegungsmangel, den die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in einer Studie, die sie gemeinsam mit der britischen Zeitschrift „The Lancet Global Health“ veröffentlicht hat, nicht erklären. Die Studie führt mehr als 500 Untersuchungen aus insgesamt 163 Ländern zusammen.
    Demnach bewegt sich fast ein Drittel der Erwachsenen weltweit - fast 1,8 Milliarden Menschen - zu wenig. Ein Trend, der aus Sicht der WHO in Genf besorgniserregend ist. Wenn es so weitergeht, könnte der Anteil der Bewegungsmuffel weltweit auf 35 Prozent steigen.
    Damit einher geht auch ein höheres Risiko für immer mehr Menschen, an Herz-Kreislauferkrankungen, Krebs, Demenz oder Diabetes zu erkranken. Für die öffentlichen Gesundheitssysteme sind das schlechte Nachrichten

    Inhalt

    Was gilt als moderate Bewegung?

    Die WHO veranschlagt das empfohlene Maß an körperlicher Betätigung für Erwachsene pro Woche mit 150 Minuten mäßiger Bewegung oder 75 Minuten intensiver Bewegung. Unter moderate Bewegung fällt forsches Gehen, mit dem Rad zur Arbeit fahren, Treppensteigen oder auch Rasenmähen. Ausdaueraktivitäten also, die den Puls hochbringen.
    Alternativ wird zu 75 Minuten intensiver Bewegung geraten, bei der man aus der Puste kommt, Fußball spielen etwa.
    Doch wie kommt man in Gang? Mit jedem Schritt anfangen, empfiehlt Rüdiger Krech, Direktor für Gesundheitsförderung bei der WHO. Sei es, dass wir die Treppe nehmen statt den Aufzug oder einfach mal zehn Minuten zu Fuß gehen. „Jeder Schritt, den ich mehr gehe, tut mir gut. Ich muss nicht gleich den Marathon oder Halb-Marathon laufen.“

    Wo gibt es die größten Bewegungsmuffel?

    In den hochindustrialisierten Ländern Südostasiens, im pazifischen Raum und in Südasien bewegen sich Menschen am wenigsten. In Ozeanien hingegen, vor allem in den ozeanischen Inselgebieten, bewegen sie sich am meisten. Dort gibt es nur 14 Prozent Bewegungsmuffel.

    Wie sportlich sind die Deutschen?

    Im Vergleich zu anderen hochindustrialisierten Ländern bewegen sich Menschen in Deutschland mehr. Das WHO-Ziel, den Anteil von 2010 bis 2030 um 15 Prozent zu reduzieren, erreicht Deutschland damit voraussichtlich mit 22 anderen Ländern von insgesamt 163. Allerdings bewegen sich Frauen in der Altersgruppe 25 bis 55 nicht genug.

    Warum treiben die Menschen immer weniger Sport?

    Menschen verbringen immer mehr Zeit vor dem Handy oder dem Computer. Hinzu kommt, dass die Transportwege in vielen Ländern schlechter werden, sodass Menschen zwangsläufig aufs Auto umsteigen, statt mit der Straßenbahn oder dem Bus zu fahren.
    Außerdem fehlen vielerorts auch Fuß- und Radwege, mit der Folge, dass Menschen dort weniger zu Fuß gehen oder Fahrrad fahren. All das schlage sich in geringerer Aktivität nieder, sagt WHO-Direktor Rüdiger Krech im Deutschlandfunk Kultur und warnt: „Wir gehen in die falsche Richtung!“

    Warum bewegen sich Frauen weniger als Männer?

    Die sogenannte Gender disparity zwischen Frauen und Männern liegt in vielen Ländern bei rund fünf Prozent: Frauen bewegen sich demnach weniger als Männer. Das liegt laut WHO-Studie etwa daran, dass Frauen oft zahlreiche Aufgaben neben ihrem Job übernehmen, wie den Haushalt und die Kinder. Sie seien oft zu müde, sagte Fiona Bull, die die Abteilung Bewegung bei der WHO leitet. Ebenso lasse die Aktivität bei über 60-Jährigen zu stark nach. In Deutschland bewegen sich Frauen und Männer ungefähr gleich viel.


    Welche Folgen hat der Bewegungsmangel?

    Die Risiken sind seit Jahren bekannt: chronische Erkrankungen, Herz-Kreislauferkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall, Bluthochdruck, Typ-2 Diabetes, Demenz und Krebserkrankungen wie Brust- und Dickdarmkrebs.
    Wenn die Volksgesundheit leidet, gehen die Kosten, die das Gesundheitssystem tragen muss, steil nach oben. Nach Schätzungen könnten pro Jahr 300 Milliarden US-Dollar Mehrkosten durch den Bewegungsmangel verursacht werden, wenn wir nicht gegensteuern, sagt Rüdiger Krech (WHO).

    Was kann die Politik für mehr Bewegung tun?

    Nach Ansicht der WHO müssen Regierungen dafür sorgen, dass es überall und für jeden gute Möglichkeiten für Bewegung gibt. Sich die Turnschuhe und ein T-Shirt anzuziehen und loszulaufen geht eben nur, wenn die Umwelt gut und sicher ist, wenn es Rad- und Wanderwege, Parks und Freizeitangebote gibt, die sich jeder leisten kann.
    Für eine „gesunde Stadt“ braucht es daher Urbanisierungsstrategien, eine entsprechende Verkehrspolitik, Fitnesswochen und andere Initiativen. Diese müssten sowohl von staatlicher als auch kommunaler Ebene ausgehen, sagt WHO-Gesundheitsexperte Krech.

    Soziale Faktoren beeinflussen die Gesundheit entscheidend mit

    Sowohl Rüdiger Krech als auch der britische Epidemiologe Michael Marmot betonen, dass der soziale Status – also die Lebensumstände - für die Gesundheit des Einzelnen eine entscheidende Rolle spielen. Diejenigen, die es sich leisten können, bewegen sich mehr, die anderen, die weniger Geld haben, bewegen sich weniger.
    Der Einfluss von sozialen Faktoren auf die Gesundheit zeigte sich etwa auch in der Corona-Pandemie. Während man anfangs davon ausging, dass der Corona-Virus „der große Gleichmacher“ sei, zeigte sich sehr schnell, dass ärmere Menschen häufiger an oder im Zusammenhang mit Covid verstarben. Die Lebenserwartung der ärmsten 40 Prozent der Bevölkerung in Großbritannien sank von 2020 bis 2023 stärker als die der anderen, sagte der Epidemiologe Marmot im Deutschlandfunk.

    tha