Deckwirth kritisierte, dass das Thema Sponsoring aus dem Parteienfinanzierungsgesetz ausgeklammert wurde. Eine Neuregelung werde von SPD und Union blockiert, obwohl das Problem seit Jahren bekannt sei. Deckwirth betonte, dass Politiker durchaus mit Unternehmensvertretern sprechen dürften. Viele Verbände könnten es sich aber nicht leisten, hierfür mehrere tausend Euro zu zahlen. Politiker müssten aber mit allen Interessenvertretern sprechen.
Das ZDF hatte gestern Recherchen veröffentlicht, wonach Unternehmen und Lobbygruppen Termine mit SPD-Ministern, Staatssekretären und anderen hochrangigen Parteifunktionären gegen Bezahlung buchen können. Die Bundestagsverwaltung sieht aber keine Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Regeln der Parteienfinanzierung.
Das Interview in voller Länge:
Ann-Kathrin Büüsker: Ich spreche mit Christina Deckwirth von Lobbycontrol. Guten Morgen, Frau Deckwirth.
Christina Deckwirth: Guten Morgen.
Büüsker: Frau Deckwirth, die Verwaltung des Deutschen Bundestages hat ja gestern recht schnell reagiert und sagt, Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Finanzierungsregeln des Parteiengesetzes sind nicht zu erkennen. Ist damit jetzt alles gut?
Deckwirth: Nein, auf keinen Fall. Zum einen ist ja auch immer noch nicht klar, ob das wirklich rechtlich alles korrekt war. Es mag vielleicht das Parteiengesetz mit dem konform gehen. Aber die Frage ist auch noch, ob es vielleicht verfassungswidrig ist, ob das dem Transparenzgebot für Parteien widerspricht. Und der eigentliche Skandal ist sowieso, dass es überhaupt legal sein könnte. Diese Vorfälle sind ja schon seit Jahren bekannt. Sie hatten "Rent a Rüttgers" angesprochen. Trotzdem blockieren die Parteien, dass das hier klar geregelt wird, das Parteien-Sponsoring. Es gibt nämlich im Parteiengesetz gar keine Regeln für das Parteien-Sponsoring, und das ist der eigentliche Skandal im Skandal.
"Sponsoring beinhaltet per Definition eine Gegenleistung"
Büüsker: Was ist denn da eigentlich der Unterschied zwischen Sponsoring und einer Parteienspende?
Deckwirth: Zum einen gibt es für Parteispenden klare Regeln, Transparenzregeln vor allem. Die müssen ab 10.000 Euro in den Rechenschaftsberichten offengelegt werden. Und es gibt auch Verbote für Spenden, die gar nicht möglich sind, sogenannte Einfluss-Spenden, also Spenden, für die eine Gegenleistung erwartet wird. Beim Sponsoring ist das anders. Hier gibt es gar keine Transparenzauflagen. Und Sponsoring beinhaltet auch schon per Definition eine Gegenleistung. Das ist normalerweise die Platzierung eines Logos, aber es kann auch so weit gehen, dass über Sponsoring Kontakte eingekauft werden, wie die aktuellen Fälle zeigen, und das wird wirklich sehr problematisch und das muss klar verboten werden.
Büüsker: Irgendwie wirkt die Unterscheidung dieser beiden Begriffe auf mich vergleichsweise schwammig.
Deckwirth: Na ja. Spenden wie gesagt, da ist keine Gegenleistung erlaubt. Sponsoring ja, das ist der Unterschied, und der Unterschied ist auch die fehlende Regulierung im Parteiengesetz.
"Hier geht es um exklusive Zugänge und das ist ein großes Problem"
Büüsker: Imaginieren wir mal einen Fall. In diesem Fall war es so: Es gab Veranstaltungen, da sind offensichtlich SPD-Politiker hingekommen und offenbar ist dafür Geld geflossen. Anders herum stellen wir uns den Fall vor: Ein Unternehmen lädt ein, Minister kommt hin, fließt kein Geld. Das ist okay?
Deckwirth: Das ist okay. Es ist ja erlaubt, mit Unternehmensvertretern zu sprechen. Natürlich! Die Politik muss sich ja durchaus Expertise oder Informationen von außen einholen. Da ist natürlich die Frage, mit wem sie sprechen, ob sie immer nur mit den Unternehmen sprechen. Das ist dann auch problematisch. Politiker müssen natürlich mit einer ganzen Reihe von Interessenvertretern reden, etwa auch mit Sozialverbänden, Umweltverbänden und so weiter. Und hier kommen wir bei den gekauften Kontakten auch noch mal zu einem Problem, dass sich viele Verbände, Interessensorganisationen das überhaupt nicht leisten können. Die haben überhaupt nicht das Geld, sich für mehrere zehntausend Euro so einen parlamentarischen Abend zum Beispiel einzukaufen. Hier geht es um exklusive Zugänge und das ist ein großes Problem.
Büüsker: Aber die kleineren Organisationen könnten ja andere Wege finden, um mit den Ministern in Kontakt zu treten.
Deckwirth: Ja! Es ist aber nicht einfach für kleine Organisationen, an solche Kontakte heranzukommen, und auch in einem solchen Rahmen. Das ist ja schon etwas sehr Privilegiertes, hier bei so einem Essen mit wenigen Vertretern quasi wie in einer Audienz mit Ministern oder wichtigen Spitzenpolitikern zu reden.
Büüsker: Lassen Sie uns den Blick insgesamt etwas weiten und auf Berlin schauen. Wie groß ist da der Einfluss von Lobbyisten?
Deckwirth: Der Einfluss von Lobbyisten ist durchaus sehr groß. Wir erleben das bei verschiedenen Gesetzesänderungen, wo wir immer wieder sehen, hier waren offenbar die starken Interessensgruppen sehr gut vertreten. Beispiel Auto-Lobby. Die Auto-Lobby ist sehr präsent in Berlin und hat sehr gute Zugänge. Thema Seitenwechsel, dass Spitzenpolitiker direkt zu Lobbyisten werden. Oder auch Parteienfinanzierung. Hier fließen sehr viele Gelder von der Auto-Lobby an die Parteien. Und wenn man sich den VW-Skandal zum Beispiel anguckt, den Abgasskandal, sieht man, dass die Politik hier offenbar ein sehr offenes Ohr für die Interessen der Auto-Lobby hatte und die Auto-Industrie hier wirklich nicht gut genug reguliert.
"Wir brauchen ein Lobby-Register, das Transparenz schafft"
Büüsker: Um den Zugang von Lobbyisten etwas zu beschränken, wurde ja der Zugang zu den Hausausweisen etwas eingeschränkt. Die gibt es nicht mehr so, wie es sie vorher gab, für lange Zeiträume. Jetzt gibt es so was wie Tagespässe. Hat das was verbessert?
Deckwirth: Die Hausausweis-Debatte war wichtig. Das hat auch noch mal aufgezeigt, was es hier für privilegierte Zugänge gibt. Viel wichtiger ist aber, dass wir in Berlin, in Deutschland gar keine Transparenzregeln für Lobbyisten haben. Das heißt, Lobbyisten müssen sich hier gar nicht registrieren, wie sie es zum Beispiel in den USA müssen. Das heißt, wir wissen gar nicht, wer überhaupt alles Einfluss nimmt auf die Politik, und hier brauchen wir ein Lobby-Register, wie wir es in den USA haben, das ganz klar Transparenz schafft.
Büüsker: Und wie soll das funktionieren?
Deckwirth: Ein Lobby-Register müsste verpflichtend sein. Das heißt, hier müssen sich alle Lobbyisten, die Kontakt aufnehmen mit der Politik, eintragen und offenlegen, in wessen Interesse sie Lobby-Arbeit machen, wie sie sich finanzieren, auf welche Gesetzesprozesse sie Einfluss nehmen. So was wie gesagt gibt es in Brüssel, so was gibt es in den USA, in Kanada, das ist durchaus Praxis.
Büüsker: Wer ist denn eigentlich ein Lobbyist? Wer fällt in diese Kategorie?
Deckwirth: Es gibt ganz verschiedene Lobbyisten. Erst mal sind Lobbyisten diejenigen, die in irgendeiner Form versuchen, Einfluss auf die Politik zu nehmen in organisierter Weise. Es ist nicht der einzelne Bürger, die einzelne Bürgerin. Es gibt die klassischen Verbände. Es gibt aber auch sehr viele Unternehmensrepräsentanzen und es gibt Agenturen, Agenturen, die Lobby-Kontakte vermitteln. Auch Anwaltskanzleien sind durchaus als Lobby-Akteure aktiv.
Büüsker: Aber Lobbyismus ist nicht per se etwas Schlechtes?
Deckwirth: Nein, nicht unbedingt. Lobbyismus muss transparent sein und das Problem am Lobbyismus, wie er derzeit funktioniert, ist, dass vor allem starke Interessensgruppen, finanzkräftige Lobbyisten wie vor allem Unternehmensvertreter, Wirtschaftsverbände, dass die sehr viel mehr Einfluss haben, weil Geld eine Rolle spielt, wie wir im aktuellen Fall sehen, weil privilegierte Kontakte eine Rolle spielen, und hier brauchen wir klare Regeln, dass so etwas zumindest eingedämmt wird. Schrankentransparenz, das ist das, was wir brauchen für den Lobbyismus.
"Es ist bekannt, dass wir hier eine Regulierungslücke haben"
Büüsker: Kann man sagen, dass es bestimmte Parteien oder Gruppen gibt, die für Lobbyismus besonders empfänglich sind?
Deckwirth: Der aktuelle Fall kommt jetzt ja erst mal rüber als ein SPD-Skandal. Aber das Problem ist viel größer. Bei der CDU hatten wir die "Rent-a-Rüttgers-Affäre", auch bei der FDP hatten wir solche Verstrickungen in dubiose Lobby-Geschäfte. Und vor allem müssen wir auch sehen: Das eigentliche Problem, wie ich es am Anfang gesagt hatte, ist ja, dass wir hier keine Regulierung haben, und hier wird seit Jahren wirklich blockiert. Das Problem ist bekannt. Es ist bekannt, dass wir hier eine Regulierungslücke haben. Trotzdem blockieren sowohl SPD als auch Union, dass es hier eine Neuregelung gibt. Auch die Union trägt eine klare Mitverantwortung dafür, dass solche Skandale, wie sie jetzt öffentlich geworden sind, passieren.
Büüsker: … sagt Christina Deckwirth von Lobbycontrol. Frau Deckwirth, vielen Dank für das Gespräch heute Morgen hier im Deutschlandfunk.
Deckwirth: Vielen Dank.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.