Sanktionsdrohungen gegen Gegner und Wettbewerber, Druck auf Partner - die USA treten unter Präsident Donald Trump spürbar aggressiver für ihre nationalen Interessen ein. Sie wollen lieber ihr Flüssiggas verkaufen, als dass Länder wie Deutschland Gas über die russische Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 beziehen. US-Außenminister Mike Pompeo hat den direkt und indirekt an Nord Stream 2 beteiligten Unternehmen offen mit "Konsequenzen" gedroht.
Nur eines von zahlreichen Beispiele einer US-Außenpolitik, die manche als imperialistisch kritisieren.
Die Supermacht USA habe schon immer ihre wirtschaftspolitische Macht in die Waagschaale geworfen, sagte Peter Beyer, CDU-Außenpolitiker und Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, im Dlf. Er findet das derzeitge Gebaren der USA in Teilen "verstörend" und fordert: "Wir müssen wieder einen gemeinsamen Nenner finden, auf dem wir über die Zukunft unserer Wirtschaft und Sicherheitsarchitektur im transatlantischen Verhältnis sprechen."
Mit der derzeitigen Administration sieht er "leider wenig ernsthaften politischen Willen, wenig ernsthaftes Interesse, Dinge konstruktiv nach vorne zu bringen. Dass mit einem anderen US-Präsidenten alles besser würde, glaubt Beyer nicht. Auch der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden etwa hätte sich zum protektionistischen "Buy American" bekannt. Aber manches könnte sich dann ändern, so werde "sich die Kommunikation mit Deutschland und anderen Alliierten sicherlich deutlich verbessern".
Das Interview in voller Länge:
Jürgen Zurheide: Herr Beyer, die Methode der USA, wie verstörend ist das für Sie, der Sie ja eigentlich immer für eine gute Beziehung zu den Amerikanern werben müssen?
Beyer: Ja, verstörend ist das eine oder andere in der Tat. Die größten negativen Entwicklungen im transatlantischen Verhältnis sind in der Tat auf der kommunikativen Seite. In Ihrem Sachstandsbericht gerade sind ja einige Beispiele genannt worden, einige Dossiers, Iran-Nuklearabkommen und Nord Stream 2, ich würde mir schon sehr wünschen, dass zwischen engsten Partnern – wie wir das mit den Amerikanern sind – doch mehr Abstimmung, Koordinierung und Kommunikation stattfinden würde. Wir sehen das in vielen Bereichen seit ein paar Jahren leider nicht.
US-Argumente "kann man entkräften"
Zurheide: Wenn wir jetzt mal auf die Inhalte kommen, Nord Stream 2 zum Beispiel, was diese Woche dann gesagt worden ist, das ist ja noch einmal eine Verschärfung, das heißt Unternehmen, die in welcher Form auch immer nur indirekt beteiligt sind an diesem Projekt, müssen fürchten, dass der amerikanische Markt gesperrt wird. Ich gebe mal vor: Eigentlich ist doch die Frage Nord Stream 2 in erster Linie eine Frage, die zwischen Deutschland und Russland und möglicherweise mit den Partnern in Osteuropa beredet werden müsste. Was haben die Amerikaner damit zu tun?
Beyer: Ich würde den Bogen sogar noch ein bisschen weiter spannen, nicht nur zwischen Deutschland, Russland und den osteuropäischen Partnern, sondern ich ergänze Frankreich, Österreich, Niederlande und ein paar andere europäische Staaten, wo Unternehmen an Nord Stream 2 beteiligt sind. Die Amerikaner kritisieren seit einigen Jahren eine aus ihrer Sicht zu große Nähe Deutschlands und anderer europäischer Staaten – aber insbesondere Deutschlands – zu Russland. Sie argumentieren, wir würden mit dem Bau der Pipeline uns abhängig machen von den Russen, was die Energielieferung betrifft. Und es schwingt natürlich immer mit, dass der Gasmarkt hier in Europa weiter ausgebaut werden soll. Die Amerikaner wollen auch LNG, Flüssiggas, verkaufen. Das ist ein ganzes Konglomerat von Argumenten, die man aber entkräften kann.
Zurheide: Ich habe vorhin mal die Frage provozierend gestellt, wie imperialistisch ist das? Imperialistisch, ich habe es eben noch mal nachgeschaut, ist eben, wenn man mit Gewalt irgendetwas durchzusetzen versucht, sei es auf wirtschaftlicher Ebene – wie hier, Gas zu verkaufen – und dann macht man Theater bei so einer Pipeline. Ich bringe es mal auf diesen Punkt.
Beyer: Ja… Also, nicht neu ist, dass die Amerikaner immer schon eine Superpower waren und natürlich ihre Macht politisch, auch wirtschaftspolitisch in die Waagschale geworfen haben, aber im Kern steht eine Politik der maximalen Forderungen, eine Politik der Maximaldurchsetzungen, und das ist etwas von neuer Qualität. Wir wehren uns massiv gegen extraterritorial wirkende Sanktionen, darum geht es ja bei Nord Stream 2, bei dem Wiener Nuklearabkommen mit dem Iran und ein paar anderen Dossiers. Da wehren wir uns entschieden gegen und versuchen das natürlich auch immer wieder zum Punkt zu machen in den Diskussionen, die wir mit den Amerikanern haben. Aber wenn Sie den amerikanischen Außenminister hören, der sagt, wenn ihr nicht rausgeht, müsst ihr die Konsequenzen befürchten. Das ist schon eine Sprache, die man unter Partnern ablehnen muss, das geht so nicht. Und diesen Punkt machen wir auch immer wieder.
In der Partnerschaft "erodiert zur Zeit einiges"
Zurheide: Kommen wir noch mal auf Huawei, da ist ja ein ähnliches Problem. Natürlich steht die Frage im Raum, welche Spionagemöglichkeiten sind in der digitalen Welt da. Aber diese Frage kann man ja kaum noch unvoreingenommen prüfen, wenn man immer die Sorge haben muss, bei den Amerikanern geht es auch da eher um Interessen. Oder überinterpretiere ich das jetzt?
Beyer: Die internationale Politik, das ist auch bei uns nicht viel anders, ist von Werten und Interessen eben auch geleitet. Aber wir müssen doch in der transatlantischen Partnerschaft, und ich nehme die USA, Kanada, Deutschland und auch Europa und ein paar andere Länder mit rein in die transatlantische Partnerschaft, müssen wir uns doch darüber unterhalten, wo sind unsere ureigenen nationalen Interessen, aber wo sind auch gemeinsame Werte und Interessen, auf die wir bauen können, auf denen wir uns auch über die Zukunft unterhalten müssen, ob das bei transatlantischem Handel ist, ob das bei Investitionen ist, ob das in der Sicherheitsarchitektur auf diesem Planeten ist. Das haben wir in den vergangenen Jahrzehnten so gemacht, da erodiert zur Zeit einiges. Das schmerzt uns, das ist auch nicht gut, weil ich glaube, weder Europa – Deutschland alleine schon mal gar nicht –, aber auch die USA haben keine nachhaltige Politik für die Zukunft, das heißt, auch die Vereinigten Staaten von Amerika haben Nachteile, wenn sie ankündigen, Truppen abzuziehen, wenn sie mit extraterritorialen Sanktionen ihre engsten Alliierten, ihre engsten Partner überziehen. Da müssen wir einen gemeinsamen Nenner finden, darum geht es leider, muss ich sagen, einen gemeinsamen kleinsten Nenner zu finden, auf dem wir über die Zukunft unserer Wirtschaft und Sicherheitsarchitektur im transatlantischen Verhältnis sprechen.
"Viele kritische Stimmen aus den eigenen republikanischen Reihen"
Zurheide: Wenn wir jetzt die Frage stellen, warum ist das alles so, dann hat das viel mit dem derzeitigen amerikanischen Präsidenten zu tun. Ich glaube, das müssen wir nicht weiter besprechen, seine Art Politik zu machen, hat eben mit dieser Art von Drohungen zu tun. Schichten wir das mal ab, fragen wir: Ist das mit den Republikanern inzwischen genauso oder welche Gespräche führen Sie da, gibt es da Zwischentöne. Und gleich frage ich dann natürlich auch, ob man von den Demokraten etwas Anderes erwarten könnte. Schichten wir das mal ab, wie sieht es aus in der republikanischen Partei oder gibt es die gerade nicht mehr?
Beyer: Das ist in der Tat schwierig. Es ist eh immer schwierig, bei den Amerikanern von den Republikanern und den Demokraten zu reden. Es gibt im Wesentlichen nur ein Zwei-Parteien-System, wo sie eine große Bandbreite von eher moderaten Tönen haben bis hin zu relativ links politisch Stehenden und in der Mitte und rechts Stehenden. Also, bleiben wir mal bei den Republikanern. Ich würde sagen, die jetzige Führungselite – mit dem Präsidenten im Oval Office an der Spitze – sind natürlich Republikaner. Aber auch vielen republikanischen Parteifreunden gefällt nicht alles, was da passiert. Und schauen Sie mal die Bewältigung der derzeitigen Pandemie in den USA an. Es gibt ganz viele kritische Stimmen auch aus den eigenen republikanischen Reihen, ich nenne nur den Gouverneur von Maryland, Herr Larry Hogan, der offen den Präsidenten kritisiert. Ich sehe das in anderen republikanisch geführten Bundesstaaten, wo es darum, wir sind lange alleine gelassen worden, wenn es beispielsweise darum ging, uns mit Tests auszurüsten. Also, man hat da sehr auf Washington gewartet und vertraut – und ist doch zum Teil alleine gelassen worden.
"Das ist wirklich schwieriger geworden"
Es gibt zwischen Deutschland und den USA und auch Brüssel und den USA nach wie vor natürlich ganz viele Gesprächskanäle, die auch genutzt werden. Ich sehe bloß, das hat jetzt gar nicht so sehr etwas mit den Republikanern zu tun, sondern wegen der Gesamtsituation gerade, über den Atlantik hinweg mit der derzeitigen Administration leider wenig ernsthaften politischen Willen und Interesse, Dinge konstruktiv nach vorne zu bringen. Kompromissbereitschaft, Dialogbereitschaft, wie es in Verhandlungen normalerweise sein soll, das ist wirklich schwieriger geworden.
Zurheide: Und wenn wir auf die Demokraten schauen, der eine oder andere hofft ja, wenn es dann einen Wechsel geben könnte, ich rede bewusst im Konjunktiv: Ob das dann alles besser wird, das steht auch infrage oder?
Beyer: Zumindest muss man sagen, die gesamte transatlantische Themenpalette, die ich jetzt hier nicht ausführen will, sie ist sehr weit gefächert, bleibt zunächst mal auch nach dem 3. November, das ist der Wahltag, bestehen. Das heißt also, die Themen verschwinden nicht über Nacht. Angenommen, mal spekulativ, es gibt einen Wechsel im Weißen Haus, Joe Biden würde gewählt werden und dann Mitte Januar ins Amt eingeführt werden als Präsident, dann muss man mal schauen in der Tat, was bedeutet das für uns? Er hat angekündigt, dass er beispielsweise im Bereich des Pariser Klimaschutzabkommens wieder eintreten würde, dass es auch bei der Weltgesundheitsorganisation zurück zum Multilateralismus gehen würde, aber das ist alles im Moment schwer zu bewerten. Wir sehen auch, dass seine ersten wirtschaftspolitischen Äußerungen, die er gemacht hatte, da tauchten auch Begriffe, die wir von Trump kennen, "buy american", auf. Das wird sich nicht alles ändern, ich warne vor einer gewissen Naivität, dass man jetzt darauf hofft und erst mal abwartet, dass sich eine Veränderung im Oval Office ergibt – und dann wird schon alles besser werden. Nein, die Themen bleiben, es bleibt auch die Verantwortung von beiden Seiten, diese Dinge zu diskutieren und Lösungen zuzuführen. Aber ich glaube, eines kann man mit ganz großer Sicherheit doch auch sagen: Sollte es zu dieser Änderung im Oval Office kommen, wird sich die Kommunikation mit den Partnern, mit Deutschland und anderen Alliierten, sicherlich deutlich verbessern.
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