Es war ein Blitzbesuch ohne Presstermine und vor allem ohne Pressebegleitung. Die Korrespondenten für das State Department waren nicht eingeladen, den Außenminister auf seiner Reise nach Brüssel zu begleiten – und zeigten sich entsprechend verstimmt.
Doch auch auf EU Seite gab es danach keinerlei offizielle Verlautbarung. Kein Wunder, sind doch drei der vier neuen EU Führungskräfte, die Mike Pompeo in Brüssel treffen wollte, noch gar nicht im Amt. Vertrauliche Gespräche, hieß es später nur. Der US Außenminister twitterte Fotos. "Glücklich, Secretary Pompeo in Brüssel willkommen zu heißen, Großartig einander besser kennenzulernen", schrieb auf Twitter die künftige Kommissionspräsidentin von der Leyen.
Josep Borrell als Nachfolger von Federica Mogherini ist derzeit noch spanischer Außenminister. Und der künftige Ratsvorsitzende Charles Michel, ab 1. Dezember Nachfolger von Donald Tusk, twitterte ebenfalls ein Foto mit der Unterschrift "Europa und die USA profitieren beide von einer stärkeren Zusammenarbeit".
Die Beziehungen waren frostig
Einzig mit dem schon im Amt befindlichen Parlamentspräsidenten David Sassoli gab es immerhin Shake Hands und ein freundliches Lächeln vor laufenden Kameras. Abgesehen von ihm traf Mike Pompeo keinen aktuellen Vertreter der europäischen Institutionen.
"Is the EU ensuring that interests of countries and their citizens are placed before those of burocrats here in Brussels?" Bei einer Rede vergangenen Dezember in Brüssel transportierte der US Außenminister die gesammelten Zweifel seines Präsidenten am Multilateralismus in die EU Hauptstadt. Stellt die EU sicher, dass die Interessen der Länder und ihrer Bürger vor denen der Bürokraten hier in Brüssel rangieren? Fragte Pompeo in die versteinerten Gesichter nicht weniger dieser "Bürokraten" im Publikum.
Nein, eine Liebesbeziehung war das zwischen den USA und Europa auf keiner Ebene mehr. Die Verbalattacken von Donald Trump haben Spuren hinterlassen. Meinungsverschiedenheiten in der Außenpolitik sowie ein drohender Handelskrieg belasten das Verhältnis.
Washington sucht den "Reset-Button"
"Unsere Beziehungen sind in vielerlei Hinsicht in eine Sackgasse geraten, beim Handel und anderen Fragen, was zu vielen unangenehmen schlecht gelaunten Diskussionen geführt hat", bilanzierte der US Botschafter bei der Europäischen Union, Gordon Sondland nach dem Besuch Pompeos im kleinen Kreis.
Die Strategie der USA nun ist mehr als deutlich: Reset, Neustart der Beziehungen! Die Idee war eine neue Seite aufzuschlagen. Und zwar mit den neuen Leuten. Über die Gespräche konnte Botschafter Sondland nicht genug Lobendes sagen: "Extrem warm und freundlich, alle waren dankbar dass Pompeo nur wegen dieser vier Treffen nach Brüssel gekommen ist."
Eine sehr gute Chemie in allen vier Fällen. Alle wollten nun in sehr engem Kontakt bleiben während der Übergangszeit. Einzelheiten der Gespräche wollte er nicht nennen. Man wolle sich in Zukunft mehr auf das konzentrieren, wo man übereinstimmt, wie beim Balkan, China, der Ukraine und bestimmten, weniger schwierigen Handelsfragen. Auch beim Thema Iran betont die US Regierung, wie schon bisher, vor allem die gemeinsamen Ziele. Und spielt die Differenzen als "Meinungsverschiedenheiten über die richtige Strategie und Taktik" herunter.
Seitenhieb auf aktuelle EU-Führungsriege
Die Probleme sind vielfältig und kompliziert. Weshalb also sollte es zu einem Neustart kommen, nur weil da andere Personen im Namen der EU sprechen? "Es ist sehr stark eine Frage der Persönlichkeit, die kompliziertesten Probleme erfordern zunächst mal dass menschliche Wesen in der Lage sind sich zusammenzusetzen und produktiv miteinander zu reden. Einander zuzuhören und die Haltung des andern zu verstehen."
War das also bisher nicht der Fall? Der Seitenhieb auf die bisherigen Akteure der EU war nicht zu überhören. Dennoch wies Sondland den Vorwurf zurück, hier sei jemand brüskiert worden. Pompeo sei im ständigen Dialog mit den EU Vertretern. Das Ziel der Reise sei nicht gewesen diejenigen zu treffen die man sowieso schon kennt, sondern die neuen - bevor sie ihr Amt antreten.
In der Tat – die Vereinigten Staaten wollen frühzeitig ihre Botschaften rüberbringen bevor sich das neue Team schon völlig sortiert hat, solange Ansichten noch formbar sind, meint der Europaexperte Jan Techau vom German Marshall Fund in Berlin.
"Druck von sich selbst auf die Europäische Kommission umleiten"
"Hier wird jetzt sozusagen der Schwarze Peter von den Amerikanern rübergeschoben zu den Europäern. Bisher war in der öffentlichen Wahrnehmung vor allem Amerika Schuld daran, dass nichts voran ging. Und jetzt sagen die Amerikaner ganz klar: Ach ja, das neue Team, das wird kommen, und das neue Team in Europa wird dann liefern. Und es war wirklich nur das alte Team das hier im Weg stand, einen Kompromiss zu finden und mit den neuen Leuten wird das natürlich viel besser. Und auf diese Art und Weise. Mit diesem messaging schaffen die Amerikaner es, den Druck von sich selbst auf die Europäische Kommission umzuleiten, bevor die noch so richtig im Amt ist."
Die Sprecherin der jetzigen Kommission zeigte Verständnis dafür, dass die USA frühzeitig zur neuen Führung Kontakt aufnehmen wollen. Das zeige doch, wie wichtig ihnen die transatlantischen Beziehungen sind. Präsident Juncker habe ein sehr gutes Verhältnis zu Präsident Trump selbst. Ein Neustart der transatlantischen Beziehungen sei ganz und gar nicht notwendig.