Der FC Carl Zeiss Jena will nicht für etwas bestraft werden, für das er nicht verantwortlich ist. Denn der Verein tue alles mögliche, um Bengalos im Stadion zu verhindern. Das schließe sogar Spürhunde oder die Nachtwachen am Stadion mit ein.
Doch dieser Argumentation ist der Bundesgerichtshof nicht gefolgt. Der BGH stellt in seinem Urteil klar, dass Fußballvereine für das Fehlverhalten ihrer Fans haften. Und es rechtens ist, dass der DFB Geld von den Vereinen verlangt - erklärt der Vorsitzende Richter Thomas Koch:
"Wir sind nach eingehender Beratung zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich bei dieser Geldstrafe nicht um eine Strafe oder strafähnliche Sanktion handelt, sondern um eine reine Präventivmaßnahme. Die auch ohne ein Verschulden des Vereins zulässig ist."
Der DFB sieht sich durch das Urteil in seiner Auffassung bestätigt, dass diese Geldstrafen eine präventive Maßnahme seien, die einen ordnungsgemäßen Spielbetrieb gewährleisten würden. Der FC Carl Zeiss Jena als Kläger sieht die Geldzahlungen auch nach der Urteilsverkündung weiter als Strafen an, stellt Geschäftsführer Chris Förster klar:
"Für uns bleibt es eine Geldstrafe. Das Geld fließt bei uns ab, wir können es genau nicht für präventive Zwecke nutzen, für präventive Arbeit. Sondern wir müssen es an den DFB zahlen, das Geld steht uns nicht mehr zur Verfügung!"
"Gefühl der Willkür sehr, sehr groß"
Aber nicht nur dieser Punkt des BGH-Urteils erfährt Kritik. Wenn der DFB die Vereine zu einer Strafzahlung verurteilt, handele es sich dabei auch immer um eine so genannte verschuldensunabhängige Sanktion: Das heißt, der Verein hat sich gar nichts selbst zu Schulden kommen lassen, wird aber für das Fehlverhalten von einer Fangruppe bestraft. Worunter dann womöglich auch Anhänger leiden, die ebenfalls nichts falsch gemacht haben.
"Kollektivstrafen wirken auf Fans, wie auf alle anderen Menschen auch. Es ist ein Gefühl von Willkür, und Fronten werden verhärtet", kritisiert Thomas Kessen von "Unsere Kurve", wo sich Fanorganisationen von Bundesliga bis Regionalliga zusammengeschlossen haben. Dass Verbände auf Kollektivstrafen setzen, kritisieren die Fans schon lange:
"Nur weil der Typ neben mir ein Bengalo anreißt und ich zwar weiß, dass das verboten ist, aber warum muss ich dafür mit dafür haften, wenn der einen Fehler begeht. Ich meine, wenn ich im Supermarkt neben jemanden stehe, der gleichzeitig sich die Taschen vollmacht, und da was mitgehen lässt, dann bin ich ja auch nicht mitschuldig. Von daher ist das Gefühl der Willkür da schon sehr, sehr groß!"
"Sippenhaft wie im Mittelalter"
In unserem Rechtssystem kann nur jemand strafrechtlich belangt werden, dem eine konkrete Tat nachgewiesen wird. Vereine wie der FC Carl Zeiss Jena unterwerfen sich aber durch ihre Teilnahme an DFB-Wettbewerben dem Verbandsrecht und damit auch der Sportgerichtsbarkeit. Und der DFB hat in seiner Rechtsordnung festgelegt, dass die Vereine für das Verhalten der Anhänger haften.
Der DFB betont daher in seiner Pressemitteilung, dass die DFB-Rechtsorgane durch das BGH-Urteil von den Vereinen fordern können, einen störungsfreien Spielbetrieb sicherzustellen – denn anders als der DFB hätten die Clubs Zugang zu ihren Anhängern.
Doch gerade für Fans seien die Kollektivstrafen nicht zu akzeptieren, berichten die Fanhilfen. Das sind Solidargemeinschaften von Fans für Fans, deren Ziel es ist, Hilfe beim Umgang mit Polizei und Justiz zu bieten.
"Dass der Bundesgerichtshof dies bei seinem Urteil völlig außer Acht gelassen hat, und auch die unverhältnismäßige Weitergabe der Verbandsstrafe auf einzelne Fußballfans billigt, können wir nicht nachvollziehen", sagt Oliver Wiebe vom Dachverband der Fanhilfen. Und findet deutliche Worte:
"Für den Dachverband der Fanhilfen stellt das eine Sippenhaft dar, wie wir sie eigentlich nur aus dem Mittelalter kennen. Das zeigt eindeutig, dass das Verteilen von Kollektivstrafen mit der Gießkanne unverhältnismäßig ist."
"Keinerlei Verbesserung durch Strafen"
Die Kollektivstrafen heizen also den Konflikt zwischen Fanszenen und dem DFB weiter an. Dieses Problem ist mit der BGH-Entscheidung nicht gelöst, sondern besteht weiterhin. Das gilt gerade für den Einsatz von Pyrotechnik in den Stadien.
In den 80-ern und 90-ern gehörten Bengalos dort noch zum gängigen Stimmungsbild, gegenwärtig sind sie verboten. Dennoch werden sie immer wieder gezündet, allein in der Saison 2019/20 hat der DFB an Strafzahlungen von mehr als 2 Millionen Euro kassiert.
Deshalb müsse hier ein Umdenken stattfinden, fordert auch Chris Förster vom FC Carl Zeiss Jena, der vor dem Bundesgerichtshof dagegen geklagt hat:
"Der DFB macht diese Strafzahlungen beziehungsweise diese Präventivabgaben seit jetzt über 10 Jahren, oder noch länger. Und es ist keinerlei Verbesserung eingetreten. Und nichtsdestotrotz denkt man gar nicht darüber nach irgendwie mal dieses System in Frage zu stellen, und mal zu überlegen, wie man es besser machen könnte. Letztendlich ist es ja so, dass zu Sylvester und auch zu anderen Veranstaltungen Pyrotechnik erlaubt ist. Warum sollte man nicht Möglichkeiten gemeinsam finden, dass auch im Stadionrund in einer sicheren Form abzuhalten?"