Oberhof – die Winteridylle? Nicht ganz. Im Schneedepot geht es sehr prosaisch zu: Ein Radlader kippt Ladung um Ladung Schnee auf einen Laster, der nächste wartet schon dahinter. Von hinten schiebt ein Pistenbully immer mehr Schnee nach vorn. Der Laster ist nun voll und fährt die 500m zur Skiarena. Dort soll in einer Woche zum Biathlon-Weltcup die perfekte Winteridylle stehen. Um die 100 Ladungen Schnee sind es allein für das Stadion, wo Start, Ziel und Schießanlage liegen, weitere Ladungen für die Strecke. Detlef Kotlinsky, Chef der Skiarena, steigt fürs Interview kurz vom Pistenbully.
"Da drüber darf man nicht unbedingt nachdenken. Also es ist wirklich vom Aufwand her ganz schön viel geworden. Also von der Kunstschneeproduktion her, bis hin zu den ganzen Transporten, die man jetzt hier verfolgen kann - die LKWs, die Radlader, die Bagger und was da jetzt alles dazu gehört, die Pistenraupen und auch die Leute, die es bedienen, die jeweiligen Geräte. Es ist nicht mehr vergleichbar, mit von vor 15 Jahren, wo es noch geschneit hat. Jetzt machen wir alles selber. Aber es geht ja nicht nur uns so. Alle haben sie mittlerweile ein Schnee-Depot, um alles auch sicher zu machen. Und das haben wir jetzt auch endlich geschafft. Seit letztem Jahr haben wir das Schnee-Depot und wir haben es auch gut gefüllt und davon zehren wir jetzt. Sonst könnten wir wieder kein Weltcup machen."
Im letzten Jahr musste der Weltcup ausfallen. Es hatte nicht geschneit, für die Schneekanonen war es zu warm. Im Jahr zuvor hatte man Schnee aus Nordrhein-Westfalen herangekarrt. Da, wo früher Schnee einfach lag, stecken nun monatelange Arbeit und Investitionen in der Vorbereitung des 25. Biathlon-Weltcups in Oberhof. Die 40cm Schnee im Stadion und auf der Strecke sind reiner Kunstschnee: Alter, verbrauchter, zur Unterlage aus der Ganzjahres-Skihalle; extra produzierter Kunstschnee aus dem letzten Winter, der im Depot unter Styropor und Folie übersommert hatte; und im November neu produzierter Schnee, der, als es vor Weihnachten noch einmal wärmer wurde, ebenfalls ins Schneedepot und in die Skihalle gebracht wurde. Es gibt Leute, die halten das für verrückt oder gar pervers.
Kritik von Umweltschützern
"Na also so drastisch würde ich das mal nicht sagen. Es ist schade, es ist jetzt in den letzten Jahren schon so gewesen, dass wir um Weihnachten eine Wärmephase bekommen. Es hat sich alles etwas verlagert. Wir haben das Pech, dass wir diesen zeitlichen Termin haben. 14 Tage, drei Wochen später hätten wir vielleicht nur die Hälfte von dem Aufwand, den wir jetzt betreiben müsse n aber das ist jetzt egal. Der Biathlon-Weltcup gehört erstmal grundsätzlich zu Oberhof. Der Weltcup ist für die ganze Region, für Thüringen eine wichtige Sache und so soll es auch bleiben."
Umweltschützer sehen das anders: Der Wasserverbrauch, die immensen Stromkosten für die Skihalle, die einem überdimensionierten Kühlschrank gleicht, und für die Schneekanonen seien einfach nicht angemessen, meint Alexander Keiner, Vorstandsmitglied im Regionalverband der Grünen.
"Die Energie, die dort eingesetzt wird und das Wasser, das muss am Ende nachhaltig passieren. Dann hat das auch - so weit, wie das möglich ist - Zukunft. Wo es das Klima nicht mehr hergibt, muss es das Aus bedeuten. Die Frage ist: Wann wird die Reißleine gezogen? Wie viele Winter müssen vergehen, ohne Schnee, bis dann der Gedanke durchdringt, ok es geht nicht mehr, wir müssen andere Konzepte entwickeln. Man muss einfach mal wissen, wann ist Schluss damit? Bis dahin versucht man, mit Schneekanonen anzukämpfen."
Detlef Kotlinsky vom Weltcup setzt auf neue Technologien, die auch bei höheren Temperaturen Schnee erzeugen können und auf seinen Optimismus.
"Also erst mal muss es wärmer werden. Ich sehe das alles noch nicht so kritisch. Dass es jetzt jedes Jahr wärmer wird, vielleicht nächstes Jahr auch mal wieder ein ganz normaler Winter, und es vorher schneit, vielleicht 30-40cm, da vergisst man das alles, was bis jetzt war und da ist wieder alles gut."
Wichtiges Sportevent für die Region
Im Oberhofer Rathaus sitzt Bürgermeister Thomas Schulz. Er weist einerseits darauf hin, dass Oberhof einst als Sommerfrische bekannt wurde und der Tourismus auch heute 75 Prozent der Umsätze in der schneefreien Zeit generiere. Dennoch sei der Weltcup wichtig für Ort, Region und Land.
"Glauben sie mir, die gleichen Gedanken hatte ich auch, das man sich sagt, was für ein Irrsinn, auch finanzieller Irrsinn. Aber wenn man ein Stück tiefer schaut, dann hängt an diesem Schnee und an diesen Aufwendungen ganz ganz viel. Führen wir den Weltcup hier oben als solches nicht mehr durch, verliert der Stützpunkt als solcher an Bedeutung. In der Nachwuchsarbeit natürlich, wo die Athleten fehlen, fehlen auch die Vorbilder und wo die Vorbilder fehlen, fehlt auch der Nachwuchs. Das heißt, unsere Kinder trainieren weniger. Insofern ist der Weltcup nicht einfach eine Fuhre Schnee, die man teuer produziert und hier abkippt, sondern sie ist ehrenamtliche Arbeit, sie ist ein Stück Selbstidentität, aber ist auch ein wirtschaftlicher Faktor."
20-25 Millionen Euro Umsatz bringt der Weltcup in einer Woche in der Region, andererseits fließen aber auch jedes Jahr 100-200.000 Euro an die örtlichen Vereine, in denen ohne dieses Geld Nachwuchsarbeit nicht möglich sei, meint Schulz. Dennoch weiß er, dass es mit dem Schnee in Oberhof in absehbarer Zeit vorbei sein wird.
"Die Mittelgebirge werden immer schneeunsicherer werden. ich weiß nicht, welche Gedanken sich die Industrie macht, ob es alternative Fun-Sportarten gibt, die man dann draußen machen kann. Ich habe keine Angst. Mir bereitet nur Sorgen, wenn die Leute demutsvoll den Kopf hängen lassen würden und würden sagen: 'Der Schnee geht bald weg". Ich habe davor keine Angst."