Den aktuellen Skandal beim Biathlon-Weltverband könne man auf eine Ebene mit der internationalen Leichtathletik setzen, so Doping-Experte Seppelt. "Es ist ja ein ähnliches Muster. Das, was wir von 2014, 2015 kennen – der russische Dopingskandal. Was wir jetzt haben, ist zum ersten Mal ein sehr massiver Beleg dafür, dass es auch in einer Wintersportart passiert ist – dass also ein internationaler Verband und Top-Funktionäre im Verdacht stehen, mit einem nationalen Verband – und in diesem Fall offensichtlich dem russischen Biathlon-Verband - unter einer Decke gesteckt haben, mit dem Ziel, Doping zu forcieren und zu vertuschen."
Obwohl der Dopingskandal in seinen Grundzügen bekannt war, sei es bis zur WM im Jahr 2017 möglich gewesen, ein "ähnliches Muster durchzuziehen." Das sei bezeichnend für den Ist-Zustand des Sports. "Es gibt weiterhin diese Machenschaften unter dem Tisch."
Fehler im System
Wie es dazu kommen konnte, dass positive Dopingproben über Jahre vertuscht wurden, liegt nach Ansicht des Doping-Experten am System. Wenn im Meldesystem eines Verbands manipuliert werde, erreichten die Welt-Anti-Doping-Agentur keine korrekten Informationen.
Im Fall des Biathlon-Weltverbands gebe er drei mögliche Szenarien: Die Werte wurden nicht eingetragen, sie wurden im Nachhinein manipuliert, oder: Der Verband oder dessen Vertreter wurden bei positiven Screenings vorab gewarnt.
Der Fall zeige, dass der Einfluss des russischen Sports und der Funktionäre auf den Weltsport immens sei. Trotz der vielen Belege für das russische Staatsdoping habe man zum Beispiel an Tjumen als letzte Station für den Biathlon-Weltcup festgehalten. IBU-Präsident Anders Besseberg gelte außerdem als großer Fan des russischen Sports und des russischen Biathlons.
Spekulationen über Erfolg der Deutschen bei der WM 2017
Mit Blick auf den Erfolg der deutschen Mannschaft bei der WM 2017 in Hochfilzen könne man auch die Frage stellen "wie es sein kann, dass gedopte russische Biathleten am Ende dann trotzdem nicht vorne sind und die, von denen es heißt, dass sie nicht gedopt sind, trotzdem gewinnen."
Seppelt warnte jedoch vor Spekulationen und Vorverurteilungen: Es gebe ganz sicher noch andere Mechanismen, die im Hochleistungssport wirken und einen Erfolg ausmachten.
Die Daten, die den Skandal ins Rollen gebracht hatten, stützen sich offenbar auf die Daten des Moskauer Dopinglabors. Dabei handelt es sich um rund 9.000 positive Screenings von insgesamt 4.500 Athleten. Die WADA habe diese Informationen an 60 internationale Sportverbände weitergegeben.
Wahrscheinlich werde es deshalb in Zukunft noch eine Reihe von Sperren in einigen internationalen Verbänden geben, meint Seppelt. Russland werde jedoch alles versuchen, um den Doping-Schatten abzuwerfen. Aufgrund der neuen Erkenntnisse werde das jedoch immer schwerer.
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