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Biathlon-WM in Oberhof
Auf dem Weg zum Wintersportort Nummer 1 in Deutschland

Selten war Oberhof im Thüringer Wald so präsent wie zuletzt. Zunächst die Rennrodel-WM. Nun die Biathlon-WM. Zum Mythos von Oberhof gehören seit jeher vor allem jedoch die unzähligen freiwilligen Helferinnen und Helfer.

Von Wolf-Sören Treusch | 04.02.2023
Luftaufnahmen der Wintersportsätten im Schnee.
Das renovierte Biathlonstadion und der Langlauftunnel in Oberhof im Dezember 2022. (IMAGO / Christian Heilwagen)
Rund um die Biathlon-Arena am Rennsteig laufen die Vorbereitungen für die WM. Die weißen Planen der Veranstaltungszelte sind im berüchtigten Nebel von Oberhof kaum auszumachen. Millionen von Menschen kennen den Nebel von den Übertragungen der Weltcup-Rennen im Fernsehen.
„Joah, also in Oberhof reden wir ja nicht von Nebel, Nebel gibt’s in Oberhof nicht, wir haben manchmal aufliegende Wolken, heißt das hier, …“
sagt André Hellmund. Er sitzt im Warmen, in einem Gebäude am Rande der Arena. Er ist einer von knapp eintausend freiwilligen Helferinnen und Helfern. Ob beim Auf- und Abbau des WM-Dorfs oder beim Präparieren der Strecke: die Freiwilligen sind unverzichtbar für die Ausrichtung großer Meisterschaften.

Knapp eintausend freiwillige Helferinnen und Helfer

André Hellmund ist Bautechniker, angestellt in einem Architekturbüro in Erfurt. Er gehört zu den Freiwilligen, die von ihrem Unternehmen freigestellt wurden für die Biathlon-WM. Vier Monate übernimmt die Oberhofer Sport und Event GmbH sein Gehalt. Der 50-Jährige leitet die Biathlon-Wettkämpfe. Ein Fulltimejob auch schon im Vorfeld. Denn er musste zum Beispiel dafür sorgen, dass die Einfuhr der Waffen korrekt ablief.
„Jede Waffe, die nach Deutschland eingeführt wird, muss angemeldet werden, genau. Von einem Sportler, damit sie einfach über die Grenze mit der Waffe einreisen dürfen, und auch, wenn sie beim Zoll kontrolliert werden, dass sie ein Formular in der Hand haben, wo sie nachweisen können, sie sind in Oberhof zur Biathlon-WM eingeladen, müssen dazu ihre Waffe mitbringen. Ich muss diese Waffen an unsere Waffenbehörde im Landkreis Schmalkalden-Meiningen weiterleiten. Dort wird die aufgelistet. Und im Zweifelsfall kann der Grenzbeamte dort anrufen, kann fragen: ‚Ist diese Waffe bei euch gemeldet‘? ‚Jawoll, der Sportler, mit Namen, mit Waffennummer ist gemeldet und darf für die sportlichen Zwecke hier einreisen‘.“

Vom einfachen Streckenordner zum Wettkampfleiter

André Hellmund hat sich hochgearbeitet vom einfachen Streckenordner zum Wettkampfleiter. Seit 1998 hilft er als Freiwilliger in Oberhof mit. Bei der Kinderspartakiade in seinem Heimatverein im zehn Kilometer entfernten Frankenhain engagiert er sich auch. Die Aufgaben seien vergleichbar, schmunzelt er, in Oberhof allerdings habe er deutlich mehr Verantwortung.
André Hellmund, einer der zahlreichen freiwilligen Helfer in Oberhof
André Hellmund, einer der zahlreichen freiwilligen Helfer in Oberhof (Wolf-Sören Treusch / Deutschlandradio)
„Neuralgische Punkte sind natürlich die Dopingkontrollstationen, wo man verlässliche Ordner haben muss, wo man vorher guckt, wo stellt man jetzt einen Bundeswehrsoldaten hin, wo stellt man einen Ordner von uns hin.“

Investitionen von mehr als 80 Millionen Euro

Mehr als 80 Millionen Euro haben der Bund und das Land Thüringen in den vergangenen Jahren in die Erneuerung und Modernisierung der Sportanlagen in Oberhof gesteckt. In die Biathlon-Arena am Rennsteig ebenso wie in die Eis-Arena, in der gerade die Rennrodel-WM stattfand. Oberhof will Wintersportort Nummer 1 in Deutschland werden.
„Wir kratzen hier mal ein bisschen Schnee weg, weil: in Oberhof schneit’s ja, …“, sagt Erik Lesser. Er steht in der Biathlon-Arena. Es ist kalt, neblig, leichter Schneegriesel legt sich aufs Mikrofon. „Aber herrliches Wetter, ne?“
Erik Lesser, mehrfacher Medaillengewinner bei Olympia, der seit seinem zwölften Lebensjahr in Oberhof wohnt, wird bei seiner Heim-WM nur als TV-Experte dabei sein. Vor einem Jahr beendete er seine Karriere als Leistungssportler.
Der ehemalige Biathlet Erik Lesser stammt aus Oberhof
Der ehemalige Biathlet Erik Lesser stammt aus Oberhof (Wolf-Sören Treusch / Deutschlandradio)
Lesser sagt: „Ich denke, in 20 Jahren werde ich vielleicht mal ein paar Gedanken daran verschwenden, dass ich sage: ‚schade, dass ich nicht mit dabei war‘, und: ‚Mensch, hättest du doch mal …‘, aber mit dem Wissen von heute, muss ich sagen, ist es die richtige Entscheidung.“

Oberhof drohte aus dem Rennkalender zu fliegen

Gern zeigt er jedoch, was Oberhof alles unternommen hat, um die WM ausrichten zu können. Wegen des veralteten Stadions und der ungenügenden Infrastruktur hatte der Biathlon-Weltverband den Thüringern 2016 gedroht, sie aus dem internationalen Rennkalender zu streichen. Ein Warnschuss mit Wirkung. In den vergangenen drei Jahren ließen die Verantwortlichen zusätzliche Tribünen errichten und erhöhten damit die Zuschauerkapazität im Stadion und an der Strecke auf 27.500. Zudem wurde die Schießanlage modernisiert. Damit das Publikum auch bei Nebel den Durchblick behält, gibt es jetzt über jedem der dreißig Schießstände einen riesigen LED-Bildschirm.
„Wie so ein Fernseher. Der zeigt an: Nation, Name, Startnummer und Schießfehler. Das ist dann wie man es aus dem Fernsehen so kennt die Animation, die fünf Scheiben, blinkt auch rot auf, wenn es ein Fehler ist, und ich glaube, für die Zuschauer auf den Rängen ist es natürlich eine große Hilfe.“
Es ist alles vorbereitet für die große Party. Fehlen nur noch deutsche Medaillen-Erfolge. Die würden den berüchtigten Nebel von Oberhof bestimmt vergessen lassen. Wettkampfleiter André Hellmund freut sich schon auf die prall gefüllte Biathlon-Arena.
„Also das ist natürlich, muss ich sagen, schon Wahnsinn, wenn man unten im Stadion mittendrin steht, und dann das Funkgerät richtig nah ans Ohr pressen muss, um überhaupt irgendwas zu verstehen. Diese Kulisse, die dann da ist, wenn über 20.000 Leute an der Strecke und im Stadion sind, das ist schon sehr beeindruckend.“