Eigentlich ist die Sache klar. Biber haben in Feuerland nichts verloren. Denn anders als auf der Nordhalbkugel haben sich die Ökosysteme im Süden über Jahrmillionen ohne die großen Nager entwickelt.
"Es gibt auf Feuerland nur drei Baumarten, und keine von ihnen kommt in den sumpfigen, feuchten Böden zurecht, wie sie durch Biberdämme entstehen. Außerdem haben die Bäume keine Verteidigungsstrategien entwickelt. Wird ihr Stamm von Bibern gefällt, können sie nicht wieder aus den Wurzeln austreiben, anders als viele Bäume im Norden."
Der Ökologe Christopher Anderson von der Nationalen Universität von Feuerland in Ushuaia arbeitet seit 15 Jahren im Süden Patagoniens und beobachtet das Wirken der Biber.
"Die Tiere haben etwa 40 Prozent aller Flussläufe in Feuerland verändert und zehntausende von Hektar Wald in Wiesen verwandelt. Im Grunde ist das die größte Veränderung des Ökosystems seit dem Abschmelzen der Gletscher vor 10.000 Jahren."
Deshalb haben die Regierungen von Chile und Argentinien im Jahr 2009 beschlossen, den Biber in Feuerland auszurotten. Dieser Plan ist allerdings gescheitert. Denn die Bewohner der Inselgruppe haben nicht mitgespielt.
"Die Biber leben jetzt schon seit 1946 in Feuerland. Viele der Menschen dort sind ebenfalls Einwanderer, die erst vor 20 oder 30 Jahren her gekommen sind. Von daher wissen sie gar nicht, dass der Biber nicht von hier stammt. Für sie gehört er zu Feuerland dazu. So gibt es zum Beispiel ein Skigebiet, das Cerro Castor, also zu Deutsch Biberberg heißt. Es gibt Reiseveranstalter, die Biberwanderungen anbieten. Die Menschen haben diese Tiere wirklich ins Herz geschlossen. Sie kennen die Landschaft gar nicht ohne Biber."
Tierrechtsorganisationen und politischer Widerstand
Jeder Versuch, die Biber in Feuerland zu töten, rufe daher Tierrechtsorganisationen auf den Plan und scheitere auch am politischen Widerstand. Gleichzeitig leide die einheimische Flora und Fauna so massiv, dass sie dringend vor den Nagern geschützt werden müsste, sagt Christopher Anderson. Um einen Weg aus diesem Dilemma zu finden, begannen er und seine Kollegen, neben den ökologischen auch soziale Aspekte zu untersuchen. Besonders wichtig seien hier die Bauern auf Feuerland, denn ihnen gehört das meiste Land.
"Wir haben begonnen, diese Bevölkerungsgruppe zu studieren, denn nur, wenn sie mitmacht, kann der Biber wirksam zurückgedrängt werden. Also haben wir anderthalb Jahre damit verbracht, herauszufinden, wie die Bauern die Natur sehen und was ihnen wichtig ist und an welchen Schutzprogrammen sie sich beteiligen würden. Anstatt also von oben herab Vorgaben zu machen, verfolgen wir einen nutzerbasierten Ansatz. Wir fragen, was die Bauern brauchen, und wie ein Programm ausschauen könnte, das ihre Bedürfnisse berücksichtigt, an dem sie also bereit wären sich zu beteiligen."
Anders als die Stadtbevölkerung sähen die Bauern durchaus ein, dass die Biber großen Schaden anrichteten, sagt der Ökologe. Trotzdem seien sie nur unter bestimmten Bedingungen bereit, Biberjäger und -fallensteller auf ihre Grundstücke zu lassen.
"Eine unserer Hypothesen war, dass sie keine von der Regierung geschickten Leute auf ihrem Land haben wollten. Das ist auf der Nordhalbkugel oft ein Problem. Aber wir stellten fest, dass die Bauern in Feuerland Regierungsprojekten gegenüber sehr positiv eingestellt sind. Entscheidend dafür, ob sie mitarbeiten oder nicht, ist vielmehr, ob sie glauben, dass das Projekt Erfolg haben kann."
In Europa wurde der Biber bis ins 20. Jahrhundert hinein gejagt und starb fast aus. Theoretisch also lässt er sich zurückdrängen.