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Biblische Plage in Australien

Als nach zehn Jahren der Dürre in Südostaustralien endlich der ersehnte Regen fiel, war die Freude groß. Doch jetzt bedroht eine Heuschreckenplage die Ernten der Bauern. Denn Tümpel und Teiche, die Brutstätten der gefräßigen Insekten, sind nun gut gefüllt und die natürlichen Feinde der Insekten durch die lange Dürre selten geworden.

Von Andreas Stummer |
    Es war als hätte jemand, ganz oben, vergessen die Dusche zuzudrehen. Nach der längsten Dürreperiode in Australiens Geschichte, nach sechs Jahren Trockenheit in manchen Gegenden, begann es wieder zu regnen - und es hörte wochenlang nicht mehr damit auf. Leere, versiegte Dämme, ausgetrocknete Seen und Flussbette füllten sich und überschwemmten das Outback. Dürregeplagte Farmer waren fast über Nacht, buchstäblich, wieder flüssig. Doch mit dem Grün der Weiden und Felder kamen auch die Heuschrecken. In fast biblischem Ausmaß.

    "Wir haben ein enormes Problem: Wir erwarten die beste Ernte der letzten zehn Jahre, aber jetzt droht uns die schlimmste Heuschreckenplage in 30 Jahren", sagt Steve Whan vom Landwirtschaftsministerium, "Wir werden die Heuschrecken nicht völlig ausrotten können aber hoffentlich so viele, dass wir nicht unsere gesamte Ernte verlieren."

    Oft 10.000 Eier pro Quadratmeter Farmland, Schwärme bis zu neun Kilometern lang und drei Kilometer breit: Die Heuschrecken bedrohen Farmen und Anbaugebiete in vier australischen Staaten - eine Fläche größer als Mitteleuropa. Weinregionen und Weiden, Korn, Weizen und Futterpflanzen. Weht ein starker Wind, kann ein Schwarm Heuschrecken in einer einzigen Nacht bis zu 500 Kilometer zurücklegen - ein fliegendes Katastrophengebiet. In weiten Teilen Südostaustraliens hat der Luftangriff schon begonnen.

    "Bei uns haben sie jede Menge zu fressen gefunden, sie kamen wie in Wellen hier durch", erzählt Farmer Shane Oldfield inmitten seiner kahl genagten Weizenfelder nördlich von Adelaide, "der Schaden, den sie anrichten, ist unglaublich. Ich habe so etwas noch nicht erlebt. Einfach unglaublich."

    Erst jahrelang gar kein Regen, dann viel zu viel - wer immer noch behauptet es gäbe keinen Klimawandel, der lebt hinterm Mond", schimpft Farmer Scott Mitchell. Seine Rapsfelder in Coonamble, nordwestlich von Sydney, stehen zum ersten Mal in fünf Jahren wieder in Blüte. Ein Festfressen für Heuschrecken.

    "Wir Farmer können Rückschläge wegstecken, nur mein Bankmanager wird immer nervöser. Aber es wäre eine Schande, wenn wir nach all den Dürrejahren endlich wieder ernten könnten - und dann wieder alles verlieren."

    Alles, was Flügel hat, ist im australischen Hinterland in der Luft. Helikopter orten im Tiefflug Schwärme von Heuschrecken, die zwar schon ausgeschlüpft aber noch nicht flügge sind. Die Gebiete werden markiert, die GPS-Daten an die Piloten Hunderter Sprühflugzeuge weitergegeben, die dann Tonnen umweltverträgliches Insektengift abwerfen. Für viele Farmer die letzte Hoffnung. Eine Heuschreckeninvasion gilt als Naturkatastrophe, von den Versicherungen gibt es keinen Cent Schadensersatz. Und nicht nur die Landwirtschaft - in manchen Gegenden kämpfen sogar die Fischer ums nackte Überleben.

    "Viele Heuschrecken wurden vom starken Wind auf die offene See hinausgetrieben und dann an die Strände gespült", erzählt Fischer Ian Koch, "Den Fang kann man damit vergessen. Denn die Fische schnappen jetzt nach den toten Heuschrecken im Wasser und nicht mehr nach unseren Ködern."

    Wie gewonnen, so zerronnen. Erst endlich Regen - und jetzt eine Insektenplage. Die Hoffnung auf eine Rekordernte ist für die australischen Farmer wohl dahin. Sie retten, was zu retten ist - aber am Ende wird vielen nichts anderes übrig bleiben, als wieder ganz von vorn anzufangen.