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Biblisches Naturkunde-Museum
Gottes Tierreich in Israel

Natan Slifkin wird auch Zoo-Rabbiner genannt. Er hat in Israel ein biblisches Naturkundemuseum gegründet und will vor allem streng religiöse Juden anlocken. Sie leben meist in Städten, nutzen kaum Medien und wissen wenig über die Natur. Der Rabbi will seine Faszination für Tiere teilen.

Von Lissy Kaufmann |
Eine Besuchergruppe hört dem bärtigen Museumsführer aufmerksam zu
Eine Besuchergruppe im biblischen Naturkundemuseum in Beit Shemesh (Deutschlandradio / Kaufmann)
Langsam winden sich die kleinen Schlangen um die Handgelenke der Besucher. Anfassen ist hier ausdrücklich erlaubt. Dabei ist das hier kein Streichelzoo, sondern das biblische Naturkundemuseum in Beit Shemesh.
In Beit Shemesh wohnen überwiegend ultraorthodoxe Juden. Im Industrieviertel der Stadt im Zentrum Israels begegnen Besucher dem Tierreich der Bibel. Viele der größeren Tiere wie Löwe, Gepard und Steinbock sind hier aus Platzgründen nur ausgestopft. Die Kleineren aber sind quicklebendig, kriechen, flattern und hoppeln.
Yedidia Brauner, ein Museumsführer mit langem Bart und Kippa, holt eine Heuschrecke aus dem Terrarium. Man kennt sie als eine der von Gott gesandten Plagen aus dem zweiten Buch Mose. Jetzt aber geht es um jüdische Speisevorschriften.
Koschere Heuschrecken
Yedidia fragt, warum wohl von allen Insekten ausgerechnet die Heuschrecke koscher sei. Die Besuchergruppe aus den USA rätselt, um sich dann zu einer rationalen Antwort durchzuringen: Wenn Heuschrecken in Massen auftauchen und die Ernte ruinieren, bleibt den Menschen als Nahrung nur noch die Heuschrecke selbst. Und laut modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen, so erklärt Yedidia, sind Heuschrecken zudem für Menschen die nahrhafteste Speise schlechthin.
Gegründet hat das biblische Naturkundemuseum vor fünf Jahren der Rabbiner Natan Slifkin, von vielen auch der "Zoo-Rabbiner" genannt. Ein orthodoxer Mann mit schwarzer Kippa und kurzem Bart. Zu Beginn der Tour erklärt er der siebenköpfigen Familie aus den USA, wie er zu diesem Museum kam:
"Dieses Museum ist das Ergebnis meiner lebenslangen Leidenschaft für Tiere. Als ich fünf war, brachten meine Eltern mich erstmals in den Zoo – und holten mich wieder ab, als ich zwölf Jahre alt war. Und heute in diesem Museum geht es um die Verbindung zwischen Bibel und Tierreich. "
Zoologie und Judentum
Rabbiner Natan Slifkin ging als Kind aber nicht nur in den Zoo, sondern auch auf ultraorthodoxe Schulen in seiner Heimat England. Biologie war dort Tabu. Die Evolutionsgeschichte sowieso. Erst in der Talmudschule fing er an, sich damit zu befassen:
"Meine Faszination für Tiere hat unweigerlich dazu geführt, dass mich die potenziellen Konflikte zwischen Zoologie und Judentum interessieren. Ich fand heraus, dass es seit vielen, vielen Jahrhunderten eine grundlegende Spaltung im Judentum gibt zwischen jenen, die eher zum Rationalismus, und jenen, die zum Mystizismus neigen. Also jenen, die Gott eher in der natürlichen oder aber eher in der übernatürlichen Welt erkennen. Ich gehöre zum rationalistischen Lager, ich sehe Gottes Wirken in der Natur."
Museumsgründer und Tierfreund - Rabbi Natan Slifkin mit Papagei
Museumsgründer und Tierfreund - Rabbi Natan Slifkin (Deutschlandradio/ Kaufmann)
Später studierte er in Israel jüdische Geschichte und promovierte über rabbinische Herangehensweisen an die Zoologie. Heute betreibt Natan Slifkin, der sich mittlerweile als modern-orthodox bezeichnet, auch einen Blog namens "rationalist judaism" und schreibt Bücher. In einem davon geht es um die Evolutionstheorie. Es wird deshalb von einigen ultraorthodoxen Rabbinern boykottiert.
"Kaum Wissen über die Natur"
"Anstatt damit jene orthodoxen Gruppen anzusprechen, die Teil der modernen Welt sind und die Wissenschaft akzeptieren, war meine Zielgruppe zunächst die ultraorthodoxe Gemeinde. Ich dachte, wenn ich mich auf Texte großer Rabbiner beziehe, würden sie es akzeptieren. So war es aber nicht. Sie fühlen sich bedroht durch die moderne Welt, durch moderne Wissenschaft. Auch wenn einige mein Buch gut fanden: Die strenggläubige Gemeinschaft als Ganzes lehnte es ab."
Zwar verkauft Rabbi Natan Slifkin sein Buch im Büro des Museums. In der Ausstellungshalle selbst aber ist nichts zum Thema Evolution zu finden. Absichtlich. Schließlich sollen gerade auch die Strengreligiösen hierher kommen. Das Museum, erklärt Natan Slifkin, wird von der israelischen Naturbehörde als Zoo gelistet. Die Behörde sei froh, dass der Rabbiner mit seiner Einrichtung all jene erreicht, die ansonsten nicht in Naturkundemuseen gingen und sehr wenig von der Tierwelt wüssten:
"Die ultraorthodoxe Gemeinde lebt überwiegend in Städten. Hinzu kommt, dass sie kein Fernsehen schauen oder andere Medien konsumieren. Sie haben also kaum Wissen über die Natur. Sie sind für uns eine wichtige Zielgruppe und sie schätzen das Museum, die Möglichkeit, mehr über die Natur zu erfahren. "
Schliefer falsch übersetzt
Die Familie aus den USA, die heute zu Besuch ist, ist zwar nicht religiös, hat aber trotzdem ihren Spaß und lernt einiges dazu: Sie dürfen Hamster in den Händen halten, die Stacheln des Igels berühren und eine Eidechse streicheln. Und sie erfahren von Yedidia Brauner, dem Museumsführer mit dem langen Bart, dass viele Tiernamen aus der Bibel in der Diaspora falsch übersetzt wurden. Denn nicht alle Tiere der Thora gab es beispielsweise in Europa, und nicht alle Tiere in der Diaspora tauchen in der Bibel auf:
"Wenn du heute in Israel fragst, was ein Shafan ist, werden sie auf dieses Tier zeigen: einen Hasen oder ein Kaninchen. Aber das ist nicht der Shafan aus der Torah. Woher wissen wir das? Schauen wir uns an, wie König David den Shafan beschreibt: Er sagt: Auf den hohen Bergen lebt die Bergziege, auf den Felsen der Shafan. Wo aber lebt ein Kaninchen? Im Bau, unter der Erde. Außerdem sind sie im Nahen Osten nicht heimisch. Wer ist also dieser mysteriöse Shafan? Darf ich vorstellen: der Schliefer."
Den Schliefer, ein moppeliges, graubraunes Tierchen mit kurzen Beinen, kann man in Israel im Naturreservat Ein Gedi am Toten Meer in freier Wildbahn entdecken. Im Industriegebiet von Beit Shemesh ist der Schliefer umzingelt von Besuchergruppen. Doch Rabbiner Natan Slifkin hat sich ganz bewusst für dieses Konzept entschieden:
"Ich möchte, dass die Menschen das Tierreich wertschätzen. Und Wertschätzung kommt durch enge Begegnungen. Ich habe Bildungsprogramme in Zoos geleitet und Zoos sind toll, aber oft schläft der Löwe 50 Meter entfernt und du kannst ihn kaum entdecken. Ich wollte also eine Einrichtung, in der direkte Begegnungen mit Tieren möglich sind."
Um den wachsenden Besucheranfragen gerecht zu werden, wird das biblische Naturkundemuseum im Herbst umziehen – in eine fünf Mal so große Anlage. Dann werden die Tiere hier auch etwas mehr Freilauf genießen können.