Nach dem Rückzug von US-Präsident Joe Biden am 21. Juli stellen sich immer mehr Mitglieder der US-Demokraten hinter Kamala Harris als neue Kandidatin. Schon vor dem Parteitag im August hat sich die Mehrheit der Delegierten auf Harris festgelegt. Die 59-Jährige kann gestärkt in den Wahlkampf starten.
Wird Kamala Harris Präsidentschaftskandidatin?
Das ist sehr wahrscheinlich. Kurz nach dem Rückzug Joe Bidens war das zunächst unklar. Offen war, ob sich die Demokraten auf Kamala Harris als neue Kandidatin festlegen oder ob es zu einem offenen Parteitag kommt, bei dem mehrere Bewerber gegeneinander antreten.
Inzwischen gilt es als so gut wie sicher, dass Harris bei der US-Wahl am 5. November gegen Donald Trump kandidiert. Wichtige Parteimitglieder haben Harris ihre Unterstützung zugesichert, darunter sind Bill und Hillary Clinton, die frühere Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, und die Vorsitzenden der Demokraten aller US-Bundesstaaten.
Rekordsumme für Wahlkampf eingesammelt
„Die Demokraten haben offensichtlich ein ganz großes Bedürfnis nach Einheit“, sagt Doris Simon, USA-Korrespondentin des Deutschlandfunks. Nach Wochen des Wartens auf die Entscheidung von Joe Biden sei nun viel Energie zu spüren, um im Wahlkampf loszulegen. Innerhalb von 24 Stunden konnte eine Rekordsumme von 81 Millionen US-Dollar an Spenden für Harris‘ Kampagne gesammelt werden.
Mehr als 2200 der 4000 Delegierte haben bereits erklärt, beim Nominierungsparteitag für Harris zu stimmen. Derzeit gibt es keine parteiinternen Mitbewerber.
Mehrere Gouverneurinnen und Gouverneure, die zuvor als mögliche Kandidaten im Gespräch waren, haben Harris ihre Unterstützung zugesagt.
Dazu zählen Gavin Newsom aus Kalifornien, Roy Cooper aus North Carolina, Josh Shapiro aus Pennsylvania und Gretchen Whitmer aus Michigan. „De Facto hat Kamala Harris die Kandidatur sicher“, so Simon.
Wie geht es jetzt weiter?
Offiziell wird auf dem Parteitag der Demokraten entschieden, wer gegen den republikanischen Bewerber und ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump kandidiert. Die Democratic National Convention findet von 19. bis 22. August in Chicago statt.
Schon Anfang August müssen sich die Delegierten in einem virtuellen Verfahren verbindlich auf die Wahl eines Kandidaten festlegen. Weitere Bewerber könnten zwar antreten, falls sie mindestens 300 Delegierte hinter sich haben, doch gelten weitere Kandidaturen als so gut wie ausgeschlossen.
Entscheidend für Harris' Erfolgschancen ist laut Constanze Stelzenmüller von der Denkfabrik Brookings Institution in Washington, wen sie für ihre Kandidatur als Vize aufstellt. Wahrscheinlich sei, dass man sich für ein Gegengewicht zur progressiven, schwarzen Frau Kamala Harris entscheidet – einen weißen Mann mit Regierungserfahrung und gemäßigter Haltung.
Als mögliche Vize-Kandidaten gelten neben den Gouverneuren Roy Cooper und Josh Shapiro auch Andy Beshear, Gouverneur von Kentucky, sowie der amtierende US-Verkehrsminister Pete Buttigieg.
Welche Chancen hat Kamala Harris gegen Donald Trump?
In Umfragen lagen die US-Demokraten zuletzt hinten. Nach Bidens Rückzug könnten sich die Chancen auf einen Wahlsieg verbessern, prognostiziert Stephan Bierling, Professor für internationale Politik und transatlantische Beziehungen. „Es kann noch Möglichkeiten geben, die Sache zu drehen.“
Allerdings galt Kamala Harris bei den Wählerinnen und Wählern bisher als nicht besonders beliebt. Laut einer Umfrage des AP-NORC Center for Public Affairs Research glaubten nur drei von zehn Befragten, dass Harris als US-Präsidentin einen guten Job machen würde.
Doch hat Harris wohl deutlich bessere Chancen gegen Trump als zuvor Joe Biden. Das US-Portal „The Hill“ hat 67 Wahlumfragen verglichen und kommt zu dem Ergebnis, dass Harris zuletzt einen Rückstand von rund zwei Prozentpunkten auf den republikanischen Konkurrenten hatte.
Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ipsos würde die Entscheidung zwischen Harris und Trump derzeit knapp zugunsten des früheren Präsidenten entschieden – mit 42 Prozent der Stimmen für Harris und 43 Prozent für Trump.
Wie reagieren die Republikaner?
Die Republikaner kritisieren Bidens Rückzug. Sie brauchen gegen Kamala Harris eine neue Wahlkampfstrategie. Nun stellen sie den Kandidatenwechsel als undemokratisch dar. Biden sei von einer kleinen Elite der Demokraten abgesetzt worden, sagte J. D. Vance, republikanischer Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten.
Der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, nannte den Vorgang unzulässig. Bidens Rückzug mache die 14 Millionen Stimmen aus den Vorwahlen ungültig. Johnson drohte mit rechtlichen Schritten gegen den Wechsel.
In einigen Bundesstaaten könne man den Kandidaten nicht einfach austauschen, so Johnson. In Wisconsin, Georgia und Nevada gibt es Vorschriften darüber, wie ein Kandidatentausch ablaufen muss. Da Biden aber noch nicht offiziell nominiert war, dürfte eine Klage aussichtlos sein.
Aus den Reihen der Republikaner wurden auch gefordert, Biden müsse auch als Präsident zurücktreten, wenn er nicht mehr in der Lage sei, als Kandidat anzutreten.
lkn, kau