US-Präsidentschaftswahl 2024
Wie könnte es ohne Biden weitergehen?

Im US-Wahlkampf mehren sich Anzeichen, dass Präsident Joe Biden aus dem Rennen um eine zweite Amtszeit aussteigen könnte. Welche Folgen hätte ein Rückzug? Und wer könnte an Bidens Stelle gegen Trump antreten? Vizepräsidentin Kamala Harris?

19.07.2024
    US-Präsident Joe Biden verlässt die Bühne.
    Bleibt er? US-Präsident Joe Biden kämpft parteiintern um seine erneute Präsidentschaftskandidatur. (picture alliance / NurPhoto / Jakub Porzycki)
    Bislang hat der demokratische Präsident Joe Biden alle Rückzugsforderungen strikt zurückgewiesen. Nun mehren sich die Zeichen, dass er unter Umständen doch aus dem Präsidentschaftsrennen aussteigen könnte. Darüber berichtet unter anderem die „New York Times“ unter Berufung auf mehrere Personen aus dem engen Umfeld Bidens.
    Seit Bidens desaströsem Auftritt beim Fernsehduell gegen seinen Herausforderer und Amtsvorgänger Donald Trump haben eine Reihe von Demokraten ihn zum Rückzug aufgefordert. Die Kritik: Der 81-jährige Biden sei körperlich und geistig nicht mehr fit genug, vier weitere Jahre im Weißen Haus durchzustehen.
    Lange wurde die Kritik hinter vorgehaltener Hand geäußert, nun werden die Forderungen nach einem Rückzug immer unverhohlener ausgesprochen.

    Inhalt

    Wer fordert den Rückzug von Präsident Biden?

    Zahlreiche hochrangige Demokraten zweifeln daran, ob Biden noch der richtige Kandidat für die Präsidentschaftswahl am 5. November ist – darunter auch Ex-Präsident Barack Obama und die frühere demokratische Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi. Sie sollen Medienberichten zufolge im Privaten versucht haben, Biden zum Rückzug zu bewegen.
    Zwei demokratische Senatoren haben Biden mittlerweile öffentlich zum Rückzug aufgefordert: Jon Tester, Senator aus dem US-Bundesstaat Montana, und Peter Welch aus dem US-Bundesstaat Vermont. Auch die zwei führenden Demokraten im US-Kongress, Hakeem Jeffries und Chuck Schumer, warnten Biden davor, an seiner Präsidentschaftsbewerbung gegen Trump, den Kandidaten der Republikaner, festzuhalten.
    Selbst einige von Bidens Unterstützern in Hollywood wenden sich gegen ihn. Nachdem er noch vor wenigen Wochen Spenden für Biden gesammelt hat, äußerte sich Schauspieler George Clooney nun in der „New York Times“ vernichtend über die Siegchancen des US-Präsidenten gegen Trump und forderte ihn auf, sich aus dem Rennen zurückzuziehen.
    „Im Moment ist es so, dass es zwei Lager gibt in der Demokratischen Partei. Die Biden-Anhänger, die immer weniger werden, und die, die Biden auffordern, doch noch zurückzuziehen“, beschreibt der Politologe Stephan Bierling die Situation. Er glaube, dass sich die Biden-Kritiker durchsetzen werden. „Weil mit Biden die Amtsmonate als Kandidat bis zur Wahl ein Siechtum wären.“ Seit der „völlig verpatzen“ TV-Debatte gehe „es nur noch bergab mit den Demokraten“.
    Umfragen zeigen, dass eine beträchtliche Zahl demokratischer Wählerinnen und Wähler dafür ist, dass der amtierende Präsident nicht noch mal antritt.

    Welche Probleme würde ein Rückzug mit sich bringen?

    Offiziell ist Joe Biden zwar noch nicht der Präsidentschaftskandidat der Demokraten. Der Nominierungsparteitag findet Mitte August in Chicago statt. Sollte Biden aber einen Rückzug vom Präsidentschaftsrennen verweigern, wäre es trotzdem nicht einfach, einen anderen Kandidaten aufzustellen.
    Denn die Delegierten wurden schon in Vorwahlen – den Primaries – bestimmt. „Und die werden in der Regel immer danach ausgesucht, dass sie besonders loyal sind zu dem Kandidaten, der es dann wird, in dem Fall Biden“, erläutert US-Korrespondentin Doris Simon. Sie sind also quasi auf Biden festgelegt.
    Steigt Biden freiwillig aus, sieht es sehr viel einfacher aus. Die Delegierten könnten frei entscheiden.
    Trotzdem würde ein Rückzug Bidens einige Probleme mit sich bringen: Zum einen hätten die Demokraten bis zu den Wahlen im November nur noch etwa dreieinhalb Monate, um einen neuen Kandidaten oder eine neue Kandidatin aufzubauen und bekannt zu machen.
    Zum anderen könnten die finanziellen Mittel für den Wahlkampf fehlen. Denn die Geldgeber haben ihre Spenden speziell für Joe Biden und seine mitnominierte Vizepräsidentin Kamala Harris abgegeben.
    Sollte Biden auf die Kandidatur verzichten, könnte zwar Harris über einen Großteil der eingesammelten Spenden verfügen. Eine Übertragung der mittlerweile über 200 Millionen Dollar auf einen x-beliebigen anderen Kandidaten oder x-beliebige andere Kandidatin ist aber nicht ohne Weiteres möglich. Sie müssten mit dem Sammeln von Spenden ganz von vorne beginnen.
    Ein paar andere Möglichkeiten gibt es aber noch: Beispielsweise könnten die Wahlkampfspenden Bidens direkt auf die Demokratische Partei übertragen werden. Das wäre zulässig. Dann müsste allerdings auch die Partei – und kein kandidatenbezogenes Team – den Wahlkampf ausrichten.

    Wer gilt als möglicher Anwärter für die Biden-Nachfolge?

    Bei der Diskussion über die mögliche Biden-Nachfolge fällt ein Name am häufigsten: Kamala Harris. Die 59-jährige ehemalige Senatorin und Generalstaatsanwältin von Kalifornien soll unter Biden Vizepräsidentin werden, wenn er die Wahl gewinnt.
    Das heißt aber nicht, dass sie automatisch an die Spitze rückt, falls Biden aussteigt. Denn Kamala Harris „ist nicht beliebt beim amerikanischen Publikum“, sagt die US-Korrespondentin Doris Simon. „Das ist nicht die Person, die jetzt anstelle von Joe Biden die Stimmen auf sich ziehen wird.“
    Sie sei auch „keine sonderlich gute Wahlkämpferin“, sagt der Politologe Bierling. „Sie hat sich vor vier Jahren sich schon um die Präsidentschaft beworben und ist nach wenigen Runden ausgeschieden.“
    Laut einer Umfrage des „AP-NORC Center for Public Affairs Research“ glaubten nur drei von zehn befragten Wählern, dass Harris als US-Präsidentin einen guten Job machen würde.
    Im Gespräch sind außerdem noch einige Gouverneure. Zum Beispiel: Gavin Newsom aus Kalifornien, J.B. Pritzker aus Illinois, Andy Beshear aus Kentucky oder Gretchen Whitmer aus Michigan. „Aber in Umfragen waren die bisher auch nicht so, dass sie überragend herausstachen“, so Simon. Ihre Namen seien längst nicht allen durchschnittlich politikinteressierten Amerikanern vertraut. Sie in nur wenigen Monaten zu bekannten Gesichtern und US-Präsidentschaftskandidaten aufzubauen, ist also keine einfache Aufgabe.
    Auch Kandidaten, die Biden in den Vorwahlen 2020 besiegt hat, könnten infrage kommen. Beispielsweise Bernie Sanders oder Elizabeth Warren.
    Schließlich wird oft noch Michelle Obama genannt. Sie hätte den Vorteil, bereits sehr bekannt zu sein. Die Ehefrau des ehemaligen Präsidenten Barack Obama hat eine Kandidatur bisher aber immer wieder zurückgewiesen.
    „Mittlerweile stehen die Wahlchancen für die Demokraten so schlecht, dass sich die erste Liga wahrscheinlich nicht aus der Deckung wagen wird – und eher darauf wartet, dass in vier Jahren Trump nicht mehr antreten kann“, sagt Stephan Bierling, Professor für internationale Politik und transatlantische Beziehungen. „Das heißt, es läuft wahrscheinlich auf Kamala Harris hinaus. Die kann nicht ablehnen.“

    Wie sind die Erfolgsaussichten der Kandidaten gegen Trump?

    Gerade sieht es für die Demokraten nicht gut aus. „Im Moment hat Trump eine Chance von 80 zu 20 gewählt zu werden“, sagt dazu Stephan Bierling. Sobald Biden aber ausgewechselt sei, würden sich die Chancen der Demokraten auch wieder verbessern.
    „Es kann noch Möglichkeiten geben, die Sache zu drehen.“ Aber die Demokraten kämen nun „aus der Hinterhand. Sie kommen aus einer Situation, wo sie aufholen müssen, Trump schnappen müssen, ihn attackieren müssen.“
    Die Präsidentschaftswahlen finden am 5. November statt. 

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