Die USA rufen zu einem zweitägigen Online-Gipfel, um über das Weltklima und die Reduzierung von Treibhausgasen zu sprechen - und sogar China und Russland nehmen teil. Das allein ist schon ein Erfolg. Aber US-Präsident Joe Biden dürfte es dabei um mehr gehen. Biden will die Vereinigten Staaten nach der Ära Trump zurück auf das Parkett der Klimadiplomatie führen.
"Wir haben keine Wahl, wir müssen das hinbekommen", sagte Biden an die teilnehmenden Regierungschef gewandt. Die Zeichen seien unübersehbar, die Wissenschaft könne nicht geleugnet werden. Der Umbau zu einer grünen Wirtschaft, so der US-Präsident, biete große Chancen für Investitionen, Arbeitsplätze und Gesundheit. Experten teilen die Ansicht - dafür seien aber große Veränderungen in allen Lebens- und Produktionsbereichen der USA erforderlich, betonen sie. Wenn wir nichts tun, werden die Kosten immer höher, sagte Biden.
Bei dem von den USA organisierten zweitägigen Klimagipfel beraten rund 40 Staats- und Regierungschefs über den Klimaschutz. Unter den Teilnehmern sind Bundeskanzlerin Angela Merkel, Russlands Staatschef Wladimir Putin und der chinesische Präsident Xi Jinping.
Der Gipfel dient unter anderem der Vorbereitung der nächsten UN-Klimakonferenz im schottischen Glasgow im November. Biden will mit dem virtuellen Treffen zudem eine neue US-Führungsrolle im Kampf gegen die Erderwärmung unterstreichen. Unter Trump, einem erklärten Klimaskeptiker, waren die USA aus dem Pariser Klimaschutzabkommen ausgetreten. Biden führte das Land nach seinem Amtsantritt im Januar in die Vereinbarung zurück.
Die USA wollen nun mit guten Beispiel vorangehen. Zumal die Vereinigten Staaten nach China der zweitgrößte Emittent von Treibhausgasen sind. Deswegen hat die Biden-Administration das Ziel ausgegeben, die USA würden ihren Ausstoß an Treibhausgasen bis zum Jahr 2030 im Vergleich zum Jahr 2005 halbieren. Am 21. April 2021 hatten sich die EU-Staaten und das Europaparlament auf ein verbindliches europäisches Klimaschutzgesetz geeinigt, das eine CO2-Reduzierung bis 2030 um mindestens 55 Prozent vorsieht.
Um das Klimaziel zu erreichen, hat Biden die Aussetzung neuer Pachtverträge für Öl- und Gasbohrungen auf bundeseigenem Land und in bundeseigenen Gewässern verfügt, allerdings mit der Einschränkung, soweit dies möglich sei. Bestehende Pachtverträge werden nun überprüft. Erdöl und Gas aus der Förderung auf bundeseigenem Gebiet sind laut einer Studie die Quelle für fast ein Viertel des CO2-Ausstosses in den Vereinigten Staaten. Auch die Fahrzeugflotte der Bundesbehörden wird auf E-Autos umgestellt, made in USA. Die Produktion aus Offshore-Windenergie soll bis 2030 verdoppelt werden. Bis 2035 soll der Energiesektor klimaneutral werden, bis 2050 die gesamte Industrie. Fracking bleibt weiterhin erlaubt.
Die häufigste Kritik an den Plänen ist, dass Menschen in der Öl- und Gas-Industrie um ihre Arbeitsplätze fürchten. Biden hält jedoch dagegen und sagt: "Wir bringen Leute zurück in Arbeit, in diesen Gegenden gehen keine Arbeitsplätze verloren, sondern wir schaffen sie dort, mit ordentlichen Löhnen. Das sind keine Luftschlösser, sondern konkrete, durchführbare Lösungen. Und wir wissen, wie es geht." Er nannte auch konkrete Beispiele für sein Versprechen neuer Arbeitsplätze, zum Beispiel die Abdeckung von Millionen stillgelegter, aber noch offener Gruben und Bohrlöcher.
Europa
Das EU-Klimaziel für 2030 lautet, mindestens 55 Prozent weniger klimaschädliche Treibhausgase auszustoßen als 1990. Im EU-Klimagesetz ist nun auch festgeschrieben, dass Europa bis 2050 klimaneutral werde. Der britische Premierminister Boris Johnson, der Anfang der Woche ebenfalls neue Ziele für sein Land verkündet hatte, sprach nach der US-Ankündigung von einem Wendepunkt im Kampf gegen den Klimawandel. Auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen appellierte, den Übergang zu einer Chance zu machen: Der Kampf gegen den Klimawandel werde der Motor sein für die weltweite Erholung nach Covid.
Japan, Kanada, Südkorea
Japan, Kanada und Südkorea kündigten im Rahmen der virtuellen Konferenz neue Ziele an: Ministerpräsident Justin Trudeau erklärte, sein Land wolle den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 um 40 bis 45 Prozent im Vergleich zu 2005 senken. Bisher waren 30 Prozent zugesagt. Japan will bis dahin 46 Prozent weniger CO2 produzieren als 2013. Auch Südkorea sagte eine stärker Reduzierung von CO2-Emissionen zu. Zudem will das Land kein Geld mehr in Kohlekraftwerke stecken.
Brasilien
Brasiliens Präsident Jair Messias Bolsonaro versprach, die illegale Abholzung von Wäldern bis 2030 zu beenden. Doch sein Auftritt am ersten Tag der Online-Konferenz sorget in Brasilien für Kritik und Enttäuschung. Umweltschutzverbände warfen Bolsonaro vor, keine konkreten Maßnahmen zum Schutz des brasilianischen Amazonaswaldes präsentiert zu haben. Die "vagen Versprechen" zur Reduzierung von Emissionen wurden als vertane Chance gewertet.
China und Russland
Chinas Präsident Xi Jinping erklärte, sein Land - der größte Kohleverbraucher der Welt – werde versuchen, den steigenden Kohleverbrauch in den nächsten fünf Jahren streng zu begrenzen. Von den entwickelten Ländern, die für die größeren historischen CO2-Emissionen verantwortlich seien, erwartet Xi finanzielle Unterstützung für Entwicklungsländer bei deren Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft.
Russlands Präsident Putin nannte keine konkreten Ziele für die Reduzierung von Treibhausgasen. Er nutzte den Klimagipfel für eine allgemeine Botschaft in Richtung USA und Europa nach den scharfen Auseinandersetzungen der letzten Wochen: Er sei ernsthaft an internationaler Zusammenarbeit interessiert, um weiter nach effektiven Lösungen für den Klimawandel sowie für alle anderen lebenswichtigen Herausforderungen zu suchen", sagte der russische Präsident.
Dass sowohl die EU als auch die USA in den kommenden neun Jahren ihre CO2-Emmissionen deutlich senken wollen, bezeichnet der
Klimaforscher Christoph Bertram vom Potsdam-Institut
im Deutschlandfunk als eine sehr gute Nachricht. "Wir wissen natürlich auch, global reichen die Ziele bis 2030 nicht", betonte Bertram. Die EU und die USA müssten schauen, ob sie noch mehr machen könnten. Aber auch andere Staaten, wie Indien oder China müssten mit Finanzierungszusagen zu einer Reduktion ihrer Emissionen bewegt werden, so Bertram. Zudem müssten Regierungen Einfluss auf Banken nehmen, damit diese auf Kreditzusagen für Kohleprojekte verzichteten. Die Ankündigung Bidens, zwei Milliarden Dollar in die US-Infrastruktur zu stecken, könne dem Klima helfen, wenn sichergestellt würde, dass diese in klimaneutrale Zukunftstechnologien fließen würden.
Greenpeace-Chefin Morgan: China muss mehr machen
Biden habe aus seiner Perspektive viele Ambitionen gezeigt, aber wenig Details geliefert, kritisierte dagegen
Jennifer Morgan von Greenpeace International im Deutschlandfunk
. Letztlich komme es jetzt auf die Umsetzung seiner Pläne an. Als Pluspunkt wertete die Umweltaktivistin die Unterstützung von Unternehmen, Banken und Bürgermeistern, um das 50-Prozent-Reduktions-Ziel umzusetzen. Unklar sei aber, wie Joe Biden den Einsatz fossiler Brennstoffe in allen Sektoren reduzieren wolle.
Die Äußerungen des chinesischen Präsidenten hält Morgan ebenfalls für zu vage. "Es muss ein absolutes Reduktionsziel für China geben." Xi Jiping habe weniger Kohle angekündigt, aber keine Zahlen genannt. Die US-Amerikanerin hält zudem eine Finanzregulierung für sehr wichtig: Keine Kredite oder Finanzierungen mehr für Kohle, Öl und Gas – das wäre in ihren Augen wirklich "Leadership". Die Industriestaaten sollten auch von einer Unterstützung Brasiliens unter der aktuellen Regierung absehen: Präsident Jair Bolsonaro habe bisher alles für mehr Abholzung getan und wolle Gesetze nicht umsetzen, so Morgan.
Der Klimaforscher Wolfgang Lucht
begrüßte im Dlf-Interview
das substanzielle Engagement Chinas für mehr Klimaschutz. Durch das starke wirtschaftliche Wachstum sei das Land allerdings in einer schwierigen Situation, so Lucht: "China holt eigentlich nur das nach, was wir schon früher gemacht haben, was wir immer nicht angerechnet haben wollen: nämlich unsere historische Hauptverursachung des Klimawandels, den wir heute haben." China lege in der wirtschaftlichen Entwicklung ein rasantes Tempo an den Tag und es sei schwer, gleichzeitig eine Transformation auf erneuerbare Energien umzusetzen.
(Quellen: Doris Simon, Thorsten Teichmann, mg, sima, dpa, afp)