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Bienen halten sich nicht an Abstandsregeln

Honigbienen sammeln Nektar und Pollen ohne Rücksicht, ob es sich um genveränderte oder konventionelle Saaten handelt. Heute will der Europäische Gerichtshof darüber entscheiden, ob Bienenhonig verkauft werden darf, wenn er Pollen mit genverändertem Mais enthält.

Von Susanne Lettenbauer |
    Wenn dieser Tag vorüber ist, wird Karl Heinz Bablok aufatmen. Dann hat der Hobbyimker aus dem schwäbischen Kaisheim einen sechsjährigen Gerichts-Marathon hinter sich, den er sich nie hätte träumen lassen - damals 2005, als in seinem Honig Spuren von Genmais, besser gesagt von Maispollen der genveränderten Sorte MON 810 entdeckt wurden. Der gesamte Ertrag eines Jahres endete als nicht verkehrsfähig in der Müllverbrennungsanlage. So ganz unverhofft kam der Fund jedoch nicht, gibt Bablok heute zu:

    "Als ich erfahren habe, dass da oben bei uns in Neuhoff Genmais angepflanzt wird, habe ich meine Bienen in die Nähe gebracht. Vorher wurde mir erklärt, Bienen gehen nicht auf Mais, ich kann ganz sorgenfrei sein. Die Pollen gab ich zur Analyse und dann kam raus, dass doch Genmaispollen drin sind."

    Bablok und mit ihm der Deutsche Berufsimkerverband sowie die Vereinigung für wesensgemäße Bienenhaltung Mellifera klagen seitdem. Gegen die Herstellerfirma des Genmais MON 810 Monsanto und gegen den Freistaat Bayern als Auftraggeber der Versuchspflanzung. Der Anbau von genveränderten Pflanzen, kurz GVO, hat entgegen allen damaligen Beteuerungen des Freistaates sehr wohl einen Einfluss auf Bienen und deren Produkte. Doch Honig wird anders als andere Lebensmittel bisher nicht auf Gentechnik-Rückstände kontrolliert. Obwohl die Regelung gilt: Honig, der mehr als den gesetzlich erlaubten Wert von 0,9 Prozent an Genmaispollen pro Pollenanteil enthält, darf nicht in den Handel. Die Analysekosten trägt der Imker. Den eventuellen Verlust des Ertrages ebenfalls. Damit nicht genug, so der streitbare Hobbyimker Bablok:

    "Nach mehreren Gerichtsverhandlungen hat das Augsburger Verwaltungsgericht festgelegt, es darf kein Pollen drin sein von einer GVO-Pflanze und ich habe alle Maßnahmen zu ergreifen, dass es sicher ist. Ich bin der Erzeuger, ich bin verantwortlich dafür."

    Soll heißen: Imker dürfen ihre Bienenvölker nur dort fliegen lassen, wo laut dem offiziellen bundesdeutschen Standortregister für gentechnikveränderte Organismen keine Gentechnik-Pflanzen angebaut werden. Ein Unding, meint Walter Haefeker, der Chef der europäischen Imkervereinigung und Unterstützer der Klage. Bienen fliegen in einem Umkreis von bis zu 30 Quadratkilometern. Da reichen die gesetzlich festgelegten Abstandsregelungen von mindestens 150 Metern zwischen GVO-Pflanzungen und konventionellem Anbau nicht aus:

    "Bienenhaltung ist kein geschlossenes System. Bienen sind nicht im Stall oder in einer Legebatterie, sondern Bienen entscheiden selbst, was sie sammeln und was nicht. Damit funktioniert die Trennung, also die Koexistenz, hier wird Gentechnik angebaut und zehn Meter weiter soll etwas gentechnikfrei sein, nicht."

    Um eine gesetzliche Regelung, wie Grüne Gentechnik und Bienen koexistieren sollen, hat sich die EU-Kommission bislang gedrückt. Zu kompliziert ist die rechtliche Lage. Wenn zum Beispiel ein Imker seine Völker in ein konventionelles Feld stellt und trotz aller Vorsichtsmaßnahmen die fleißigen Arbeiterinnen Pollen von Genmais auf nicht gentechnikveränderte Pflanzen übertragen, wer trägt dann die Haftung? Und wie soll mit importiertem Honig verfahren werden, der Bestandteile von in der EU nicht zugelassenen GVOs enthält? Und: Werden die EU-Bürger Honig kaufen, wenn sie auf dem Etikett lesen können, dass er gentechnisch veränderten Pollen enthält? Bei vielen Honigen ausländischer Herkunft wurden solche Pollen mehrfach gefunden. Die EU-Kommission hat als Ausweg bereits erwogen, Honig als tierisches Produkt zu definieren, das nicht gekennzeichnet werden muss. Mit dem heutigen Urteil soll Honig endlich als normales Lebensmittel gelten, sagt Verbandschef Haefeker:

    "Wir wollen erreichen, dass beim Honig die gleichen Rechte, also Koexistenz und Wahlfreiheit gelten wie bei jedem anderen Lebensmittel auch. Wir wollen erreichen, dass sich ein Honigkunde sicher sein kann, dass er ein gentechnikfreies Produkt bekommt, wenn es nicht gekennzeichnet ist."

    Laut Plädoyer des Luxemburger Generalanwaltes darf Honig ohne ausdrückliche Zulassung überhaupt kein Erbgut von genveränderten Organismen enthalten. Meist folgt der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil diesem Plädoyer. Faktisch liefe dies auf ein Verkaufsverbot für genverunreinigten Honig und Pollen hinaus. Für Karl Heinz Bablok hätte so eine Entscheidung keine praktische Bedeutung mehr.

    Der Freistaat hat sich mittlerweile auf die Seite der Imker geschlagen. Seit einem Jahr ist Bayern gentechnikfrei. Laut Umweltminister Söder soll das auch so bleiben. Und Bablok kann sich seinen Bienen widmen:

    "Derzeit imkere ich wieder ganz sauber. Im Neuhof haben sie den Genmaisanbau eingestellt. Was ich gehört habe wollen sie dort jetzt Biokräuter anbauen, was für uns Imker natürlich sehr von Vorteil ist."