Archiv

Biennale von Venedig
Von außen in die Mitte

Als Kurator Massimiliano Gioni die venezianische Kunstbiennale im Mai eröffnete, lag ihm die Kunst der Outsider und Laien besonders am Herzen. Das rief die Skeptiker auf den Plan. Heute ist die Schau mit einem Besucherrekord zu Ende gegangen.

Von Carsten Probst |
    Was war da noch mal mit Angola? Als der Goldene Löwe für den besten Länderbeitrag verkündet wurde, erfuhr so mancher zum ersten Mal von der Existenz eines angolanischen Pavillons auf der diesjährigen Biennale. Als Favoriten waren natürlich einige eher übliche Verdächtige gehandelt worden: Anri Salas Musik-Videoinstallation im Französischen Pavillon etwa, die nach dem Häusertausch mit dem Deutschen Pavillon in demselben stattfand, so dass alle schon meinten, so unverkrampft und poetisch sei dieser Deutsche Pavillon eigentlich noch nie bespielt worden. Während es dem deutschen Team mühelos zu gelingen schien, die gewohnte deutsche Weltverbesserungsästhetik nahtlos auf die französische Dependance zu übertragen. Immerhin galt aber auch der von Udo Kittelmann kuratierte russische Pavillon als Favorit oder auch der als Baumhaus konzipierte georgische Pavillon. Aber Angola?
    War damit passend zum Subthema dieser Biennale der Goldene Löwe nun bewusst einem Outsider verliehen worden – oder vielleicht nicht doch einem Insider, nämlich dem Palazzo Cini mit seinen grandiosen mittelalterlichen Altartafeln, mithin einem der gediegensten und ehrenwertesten Museen Venedigs, das dieses Jahr eben zufällig den angolanischen Pavillon beherbergte?
    Gionis "allumfassendes Museum"
    Die Biennale ließ in diesem Jahr seine Besucher so oder so gleich mehrfach ein wenig ratlos zurück. Dann gab es etwa noch das denkwürdige Remake einer bahnbrechenden Ausstellung: "Live in Your Head - When Attitudes Become Form", 1969 von Harald Szeemann in der Kunsthalle Bern inszeniert als Urknall der Installationskunst – nun reinszeniert in der Fondazione Prada unter anderem von dem Architekten Rem Koolhaas und Thomas Demand. Aber eine historische Ausstellung nach fast fünfundvierzig Jahren wiederzubeleben, geht das überhaupt? Eigentlich nicht, darin waren sich viele Kritiker einig und hielten das Vorhaben oft gar für eine besonders abstruse Wendung von Retromanie, die sie der Biennale 2013 ganz generell unterstellten. Dass erstmals der Heilige Stuhl einen eigenen – übrigens durchaus sehenswerten – Länderpavillon eingerichtet hatte, ausgerechnet im ehemaligen Waffensaal des Arsenale, fiel da gar nicht einmal weiter ins Gewicht. Nein, der Eindruck des Rückwärtsgewandten wurde vielmehr an Massimiliano Gioni selbst festgemacht, dem Künstlerischen Leiter der Biennale 2013. "Il Palazzo Enciclopedico" - der Palast des Enzyklopädischen hatte er seine Biennale übertitelt, nach der kühnen Vorstellung eines Outsider-Künstlers von einem Allumfassenden Museum. Ein Museum für alles - das hätte Massimiliano Gioni offenkundig gern aus Biennale gemacht - keinen Ort mehr, als dem auf dem schnellen Markt der Moden über Meisterwerke geurteilt wird, wie es seit Jahrzehnten üblich ist.
    Nein, Gioni trat an, alles Schnelllebige zu bekämpfen und das tatsächliche, das ursprüngliche Interesse an Kunst und an Bildern wiederbeleben zu wollen. Zu diesem Zweck zeigte er viele unbekannte Künstler, von denen ein größerer teil sich vielleicht sogar nicht einmal als Künstler im engeren Sinn verstanden hatte, wie etwa den Psychologen C.G. Jung oder den Anthroposophen Rudolph Steiner. Das kam schon fast dem Ansatz der Individuellen Mythologien eines Harald Szeemann nahe und wirkte gerade deshalb auf manche Beobachter so seltsam altmodisch, ja ideologisch in heutiger Zeit. Aber ob man nun wollte oder nicht - für die gute alte Venedig-Biennale passte dieses Format eines Museums auf Zeit sogar sehr gut, erstaunlich gut. Denn die Biennale, das zeigt sich mit ihrer Ansammlung von Ritualen jedes Mal erneut, ist inzwischen tatsächlich nichts anderes mehr als ein Museum ihrer selbst, fast egal, welcher Kurator das Zepter schwingt – und welcher nicht.