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Bieterschlacht um Air Berlin
Die Neuordnung am Himmel

Der Kampf um die Übernahme von Air Berlin geht in die heiße Phase - und Lufthansa ist dabei in aussichtsreicher Position. Doch das Taktieren von Deutschlands größter Luftfahrtgesellschaft hat die Konkurrenz verärgert und die Wettbewerbshüter auf den Plan gerufen. Noch ist das Rennen nicht entschieden.

Von Brigitte Scholtes |
    Ein Flugzeug der Fluggesellschaft "Air Berlin" startet am 26.09.2016 vom Flughafen Tegel in Berlin.
    Wird die Air Berlin in der Lage sein, den Flugbetrieb aufrecht zu erhalten? Falls nicht, verfallen die Start- und Landerechte der Fluggesellschaft. (picture alliance / dpa - Jannis Mattar)
    "Flugzeuge im Bauch, im Blut Kerosin, kein Sturm hält sie auf, unsere Air Berlin", so heißt es im Air Berlin-Werbesong.
    Den Himmelsstürmen mag sie standgehalten haben, die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft Air Berlin. Doch dem finanziellen Sturm, dem seit Jahren anhaltenden Geldmangel, hatte sie schließlich nichts mehr entgegenzusetzen. Als die Großaktionärin, die Fluggesellschaft Etihad aus Abu Dhabi, vor einem Monat den Geldhahn zudrehte, blieb Air Berlin-Chef Thomas Winkelmann nichts anderes übrig, als am 15. August die Pleite einzugestehen:
    "Dies ist ein trauriger Tag für Air Berlin und für die Air Berliner, aber es ist auch ein Tag der Hoffnung für die Air Berliner. Wir haben heute Insolvenz angemeldet, haben aber gleichzeitig verkündet, dank des Brückenkredits der Bundesregierung, dass unser Flugbetrieb uneingeschränkt aufrecht erhalten bleibt. Der zweite Grund zur Hoffnung ist, dass wir in Gesprächen mit Unternehmen, die Betriebsteile der Air Berlin übernehmen wollen, sehr weit fortgeschritten sind."
    Wilder Streik
    Und diese haben noch bis zu diesem Freitag Zeit, ihre Gebote einzureichen. Uneingeschränkt - das haben die letzten Tage gezeigt - konnte der Flugbetrieb allerdings keineswegs aufrechterhalten werden. Denn zahlreiche Piloten haben sich in den letzten Tagen plötzlich krank gemeldet. Durch diesen wilden Streik fielen mehrere Hundert Flüge aus. Verständnis dafür haben die gestrandeten Kunden überhaupt nicht:
    "Es entwickelt sich langsam zum Slum der Lüfte, und das kann wirklich nicht wahr sein. Ich würde es ein bisschen Resignation nennen. - Ich bin natürlich sehr verärgert. Am liebsten würde ich mein ganzes Geld zurückhaben und nach Hause fahren."
    Am Schalter von Air Berlin warten am 12.09.2017 auf dem Flughafen in Düsseldorf Reisende, deren Flüge annuliert worden sind.
    Am Schalter von Air Berlin warten am 12.09.2017 auf dem Flughafen in Düsseldorf Reisende, deren Flüge annuliert worden sind. (picture alliance / dpa / Roland Weihrauch)
    Die Piloten sorgen sich offensichtlich um ihre Zukunftsperspektiven. Ihr Protest richtet sich gegen den oder die künftigen Eigentümer der insolventen Fluggesellschaft. Denn diese würden sie wohl kaum zu den aktuell sehr guten Tarifen übernehmen. In einem Insolvenzverfahren werden zunächst die Ansprüche der Gläubiger befriedigt. Die Piloten müssten sich bei einer Teil-Übernahme neu bewerben - zu wahrscheinlich weit schlechteren Konditionen als aktuell. Diese Anspruchshaltung provoziert nicht nur bei Luftfahrtexperten wie Heinrich Großbongardt Kopfschütteln:
    "Tarifverträge, Gehälter aus dem vorigen Jahrzehnt sind in einem Umfeld, wie wir es heute haben, in dem 'Low Cost' nicht die Ausnahme ist, sondern der Normalfall, überhaupt nicht mehr zu finanzieren."
    Liquidation statt Insolvenz?
    Das dürfte die Pilotenvereinigung Cockpit grundsätzlich anders sehen. Mit den Krankmeldungen, die wie ein wilder Streik wirken, habe seine Gewerkschaft indes nichts zu tun, so Cockpit-Sprecher Markus Wahl:
    "Wir fordern die Angestellten dazu auf, den aktuellen Flugbetrieb sicherzustellen".
    Eine solche Verweigerungshaltung sei pures Gift für die aktuellen Verhandlungen mit den Bietern, warnte das Air-Berlin-Management: Sollte sich die Lage nicht kurzfristig ändern, müssten Betrieb und Sanierungsbemühungen eingestellt werden. Und das hieße: Aus der Insolvenz würde eine Liquidation. Alle Start- und Landerechte, das wichtigste Kapital von Air Berlin, würden dann verfallen. Auch die Bundesregierung forderte die Piloten auf, an den Arbeitsplatz zurückzukehren. Welcher Appell auch immer fruchtete: Tatsächlich meldeten sich am Mittwoch im Laufe des Tages die meisten Piloten wieder zum Dienst zurück.
    Noch vor einem Monat hatte es den Anschein, als wäre die Übernahme der Fluggesellschaft eine Sache weniger Tage. Alles deutete auf die Lufthansa als Hauptgewinnerin hin - zusammen mit noch zwei oder drei anderen Airlines, die offenbar auch schon seit einiger Zeit im Bilde waren. Dazu gehören Condor und die britische Billigfluglinie Easyjet. Andere mögliche Interessenten schienen außen vor. Das hat sich inzwischen geändert, selbst ein chinesischer Investor hat in den letzten Tagen sein Interesse an Air Berlin angemeldet.
    Dobrindts Stellungnahme sorgt für Verstörung
    "Heute geht es um Air Berlin und das abgekartete Spiel zwischen der Lufthansa, der deutschen Regierung und Air Berlin. Das ist nicht nur ein Bruch der deutschen, sondern es widerspricht auch vollkommen den europäischen Wettbewerbsregeln."
    So schimpfte Ryanair-Chef Michael O'Leary vor zwei Wochen bei einer Pressekonferenz in Berlin. Er findet es nicht richtig, dass die Bundesregierung der Air Berlin mit einem Überbrückungskredit von 150 Millionen Euro hilft, um den Flugbetrieb aufrecht zu erhalten. Das nämlich wurde zeitgleich mit der Ankündigung der Insolvenz bekannt. Schließlich wollte die Bundesregierung - zumal so kurz vor der Bundestagswahl - Reisende etwa in den Urlaubsgebieten nicht im Stich lassen. Die EU-Kommission bewilligte diesen Kredit und sah in ihm keine unerlaubte Beihilfe. Was vor allem verstörte, war hingegen eine Aussage von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt schon vor einem Monat:
    "Die Verhandlungen sind weit fortgeschritten, gerade auch mit der Lufthansa, sodass wir davon ausgehen, dass diese Verhandlungen in absehbarer Zeit abgeschlossen werden können."
    Wenige Tage später forderte der CSU-Politiker in einem Zeitungsinterview gar:
    "Wir brauchen einen deutschen Champion im internationalen Luftverkehr. Deswegen ist es dringend geboten, dass Lufthansa wesentliche Teile von Air Berlin übernehmen kann."
    Luftfahrtexperte: "Air Berlin hat auf zu vielen Hochzeiten getanzt"
    Dass Air Berlin auf der Kippe stand, war nicht nur Beobachtern schon lange bekannt. Seit Monaten, ja seit Jahren hatte es gekriselt. 1978 als Charterfluggesellschaft gegründet, wuchs sie seit den neunziger Jahren unter Führung von Joachim Hunold schnell, zu schnell, meinen viele Experten. Gemessen an den Passagierzahlen war die Fluggesellschaft Ende 2003 erstmals die zweitgrößte deutsche Airline nach der Lufthansa. Doch wirtschaftlich ging es bergab: Air Berlin bekam die Schulden nicht in den Griff, Joachim Hunold verließ 2011 das Unternehmen, drei weitere Vorstandschefs bemühten sich vergeblich, und auch der Einstieg der Golffluggesellschaft Etihad aus, die schließlich knapp 30 Prozent der Anteile hielt, brachte kaum Besserung. Etihad hielt die Air Berlin mit ihren Finanzspritzen nur länger am Leben. Das Konzept als Ganzes habe nicht funktioniert, meint der Luftfahrtexperte Cord Schellenberg:
    "Air Berlin hat immer gesagt, wir haben ein hybrides Geschäftsmodell. Und das war diese Aufteilung in Langstreckenflüge, in Europaflüge und Ferienflüge. Was nun daran erfolgreich sein sollte, das hat Air Berlin nie dargestellt, also Hybrid ist ja jetzt nicht automatisch eine Lizenz zum Gelddrucken, ganz offensichtlich. Man könnte auf der anderen Seite sagen, Air Berlin hat auf zu vielen Hochzeiten getanzt und hat sich vielleicht auch in den Einzelheiten des Geschäfts mit Wettbewerb auf jeder dieser drei strategischen Säulen verzettelt."
    So sehr, dass der Schuldenberg sich schließlich auf 1,2 Milliarden Euro auftürmte. Seit Februar 2017 versuchte zwar der neue Chef Thomas Winkelmann aufzuräumen, er ist langjähriger Lufthanseat, hatte zuvor die Lufthansa-Tochter Germanwings geführt. Aber auch er konnte das Blatt nicht mehr wenden. Als Etihad dann den Geldhahn zudrehte, blieb nur noch die Anmeldung der Insolvenz. Zuvor aber hatte Winkelmann Lufthansa und Air Berlin noch enger zusammengeführt. Schon vor einem Jahr hatte die Kranich-Linie bekannt gegeben, mit Beginn des Sommerflugplans im Februar 38 Flugzeuge samt Besatzung von Air Berlin zu mieten. Damit begann die engere Kooperation mit Air-Berlin Großaktionär Etihad, die im Februar dieses Jahres ausgebaut wurde. Lufthansa hatte die Zeichen der Zeit erkannt: Etihad war im Februar schon angeschlagen, weil ihre Europa-Strategie nicht aufging - nicht nur an Air Berlin hatte sich die Fluggesellschaft beteiligt, auch an Alitalia, und die meldete schon im Mai Insolvenz an. So prophezeite Lufthansa-Chef Carsten Spohr im Februar in Abu Dhabi:
    "Ich arbeite seit langem in der Luftfahrtindustrie und bin deshalb überzeugt, dass es in den kommenden Jahren zu einer stärkeren Konsolidierung kommen wird. Und ich glaube auch, dass wir am Golf in eine Phase stärkerer Rationalisierung eintreten werden. Deshalb ist heute ein so wichtiger Tag in der Luftfahrt."
    Krise der Golf-Airlines - Chance für Lufthansa
    Carsten Spohr, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Lufthansa AG, und die Lufthansa-Finanzchefin Simone Menne sprechen am 17.03.2016 bei der Bilanz-Pressekonferenz der Lufthansa in Frankfurt am Main. 
    Carsten Spohr, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Lufthansa AG, und die Lufthansa-Finanzchefin Simone Menne sprechen am 17.03.2016 bei der Bilanz-Pressekonferenz der Lufthansa in Frankfurt am Main. (picture alliance / dpa / Arne Dedert)
    Spohr sollte Recht behalten. Denn auch die anderen staatlichen Golf-Fluggesellschaften wie Emirates oder Qatar sind in der Krise, obwohl sie bisher den europäischen Fluggesellschaften das Leben schwer gemacht hatten. Lufthansa hat diese Schwäche strategisch für sich genutzt - und ist nun in aussichtsreicher Position, um sich große Teile von Air Berlin einverleiben zu können. Interesse an dem einstigen Konkurrenten hatte Lufthansa-Chef Carsten Spohr immer wieder bekundet, etwa bei der Bilanzvorlage im März. Das allerdings unter einer Bedingung:
    "Die Air Berlin hat eine hohe Schuldenlast zu tragen, die natürlich glaube ich, kein neuer Eigentümer tragen möchte. Die Air Berlin hat Kosten in diversen Bereichen, und ich spreche gar nicht notwendigerweise von den Personalkosten. Wenn diese Themen alle lösbar sind, kann man sich weitere Schritte vorstellen."
    Mit der Insolvenz ist das gegeben. Strategisch hat die Kranichlinie da bestimmte Schwerpunkte, meint Michael Gierse, Luftfahrtexperte der genossenschaftlichen Fondsgesellschaft Union Investment:
    "Die Lufthansa ist sehr stark interessiert vor allen Dingen an dem Standort Düsseldorf, und vor allen Dingen auch an der Langstrecke von der Air Berlin, vielleicht auch an den Routen in Deutschland, die von der Air Berlin und der Lufthansa in Konkurrenz betrieben werden. Ich denke mal, das sind die Prioritäten seitens der Lufthansa, der Rest interessiert sie eigentlich weniger."
    Unmut über Lufthansas Taktieren
    Die Kranich-Linie will bis zu 90 der derzeit 144 Flugzeuge übernehmen. Vor allem Air Berlins Tochter, der Ferienflieger Niki mit 20 Maschinen interessiert die Frankfurter sowie die Langstreckenflieger von Air Berlin. Dafür bietet Lufthansa einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag. Allerdings regt sich Unmut über die mutmaßlich allzu gute Vorbereitung auf die Insolvenz Air Berlins - auch im Zusammenspiel mit der Politik, die quasi in Überschallgeschwindigkeit reagierte. So konstatiert etwa der Luftfahrtunternehmer Hans Rudolf Wöhrl, der ebenfalls ein Gebot für Air Berlin abgegeben hat:
    "Es kann einfach nicht sein, dass innerhalb von wenigen Stunden hier plötzlich eine der größten Airlines in Europa das Fliegen aufhört, und angeblich, weil ein Gesellschafter seine Kreditzusagen zurückgezogen hat. Und wenige Stunden später gibt es dann schon eine Überbrückungszusage der KfW, gedeckt vom Bund, eine Aussage, dass man eine ganz große, starke europäische beziehungsweise deutsche Airline haben will, und Lufthansa steht bereit, das alles genauso zu machen. Das erscheint mir doch etwas fragwürdig. Und ich sehe hier von langer Hand eine ganz klare Strategie dahinter, für die ich durchaus Lufthansa bewundere, aber das ist nicht im Interesse des Marktes, und vor allen Dingen ist es nicht im Interesse der Mitarbeiter."
    Ryanair-Chef O'Leary, der ein zu schnelles Wachstum des Konkurrenten, der Lufthansa-Tochter Eurowings verhindern möchte, empörte sich schon vor zwei Wochen:
    "Alles, was wir sehen, ist eine Abfolge deutscher Politiker, die sich überschlagen, Air Berlin der Lufthansa zuzusprechen, indem sie Lufthansa einen deutschen Champion nennen und ihr deshalb erlauben wollen, 95 Prozent des Inlandsmarktes zu übernehmen. Damit wäre es nicht nur ein deutscher Champion, sondern ein deutsches Monster, das in den nächsten 10, 15, 20 Jahren die Reisekosten für Millionen Deutsche erhöhen wird."
    Kritik an dieser eilfertigen Anbiederung der deutschen Politiker kommt aber nicht nur von Lufthansa-Wettbewerbern. Auch die Monopolkommission beobachtet das Treiben mit Argwohn. Deren Chef Achim Wambach warnt:
    "Auf vielen Strecken in Deutschland sind Air Berlin und Lufthansa die einzigen Konkurrenten, und da haben wir ein wettbewerbliches Problem. Bei diesen Linien ist es keine gute Idee, wenn die Lufthansa versuchen würde, die zu übernehmen, aber dafür gibt's dann auch die Wettbewerbsbehörden, die das kontrollieren werden."
    Das aber dürfte der Lufthansa klar sein, meint Luftfahrtexperte Cord Schellenberg:
    "Nicht umsonst hat man ja das Gefühl, die Lufthansa sieht sich in gewisser Weise hier in einer Art Tandem mit Easyjet, wobei sicherlich nicht klar ist, ob Easyjet sich für Europa-Strecken hauptsächlich interessieren würde, so dass man einen Teil dort platziert, oder ob sie sich für innerdeutsche Strecken interessieren. Aber Easyjet, das haben auch die Gewerkschaften betont, kann man sich als Partner in Deutschland vorstellen, und möglicherweise ist das auch so ein gemeinsamer Versuch, auch mit den Gewerkschaften, Ryanair als irische Fluggesellschaft rauszuhalten."
    Ryanair-Chef O'Leary aber hat inzwischen erklärt, er habe kein Interesse.Stattdessen gab Ryanair am Dienstag bekannt, man werde die Zahl der angebotenen Strecken von und nach Deutschland stark steigern, auch von Frankfurt/Main aus - und auch Geschäftsreisende vermehrt umwerben - also ein wichtiges Kundensegment der Lufthansa.
    Ein bunter Strauß an Interessenten
    Neben ihr und der britischen Easyjet gibt es weitere Interessenten: Niki Lauda, der ehemalige Formel-1-Fahrer, hat nach eigenen Angaben zusammen mit der Ferienfluggesellschaft Condor und deren Mutter Thomas Cook ein Angebot im Volumen von 100 Millionen Euro vorbereitet. Er möchte 38 Flugzeuge von Air Berlin und deren Tochter Niki erwerben. Niki hatte er selbst gegründet und 2011 vollständig an Air Berlin verkauft.
    Ryanair-Chef Michael O'Leary bei einer Pressekonferenz vor einem Modell eines Flugzeugs seiner Linie.
    Ryanair-Chef Michael O'Leary (dpa/picture alliance/Andrew Gombert)
    TUI, Europas größter Ferienkonzern, hat anders als zunächst erwartet kein Interesse. Doch das Berliner Logistikunternehmen Zeitfracht prüft eine Übernahme, auch die chinesische Betreibergesellschaft des Flughafens Parchim, LinkGlobal, bekundet Interesse. Und schließlich hat auch der Luftfahrtunternehmer Hans Rudolf Wöhrl schon ein Gebot für Air Berlin als Ganzes eingereicht. Er hatte die dba und die LTU-Luftverkehrsgesellschaft nach deren Sanierung 2006 beziehungsweise 2009 an Air Berlin verkauft. Air Berlin sei lebensfähig, glaubt er, erst mit dem Eintritt der Etihad seien die alten Tugenden über Bord geworfen worden:
    "Wir versuchen im Falle eines Zuschlags auf die alten Werte zurückzugreifen und Air Berlin als Kernmarke insbesondere in Berlin und in Düsseldorf zu erhalten, schwerpunktmäßig auf Kurzstrecken einzusetzen und die übrigen Flugzeugkapazitäten möchten wir weitgehendst für andere Gesellschaften einsetzen. Insgesamt gesehen glauben wir, dass unser Konzept ein sehr gutes ist und die besten Chancen bietet, dass nicht nur die Marke Air Berlin, sondern auch alle Arbeitsplätze erhalten werden können."
    Insolvenz als Gelegenheit für einen Marktzugang
    Doch eine positive Resonanz von Lufthansa oder Easyjet blieb bisher aus, obwohl die Air Berlin-Beschäftigten es gern sehen würden, wenn die Fluggesellschaft als Ganzes veräußert würde. Mehr noch als die Piloten müssten sich sonst die Mitarbeiter in Technik und Verwaltung Sorgen machen. Das Bieterinteresse in den deutschen Luftverkehrsmarkt, einen der wichtigsten weltweit, einzusteigen, sei nachvollziehbar, erklärt Eric Heymann, Verkehrsexperte der Deutsche Bank Research:
    "Wir haben nicht nur ein Wirtschaftszentrum wie in Frankreich oder England mit Paris und London. Wir haben sehr viele Wirtschaftszentren, die natürlich auch verkehrstechnisch miteinander angebunden werden. Wir haben einige Drehkreuze von internationaler Bedeutung, und die Subzentren sind von der Flughafenstandortseite her auch bedeutsam, um die Verkehre von dort zu den Drehkreuzen zu organisieren, aber auch ins Ausland."
    Die Insolvenz einer großen Fluggesellschaft sei deshalb eine gute Gelegenheit, Zutritt zu diesem interessanten Markt zu erlangen, meint Achim Wambach, Chef der Monopolkommission:
    "Jetzt geht ein großer Spieler aus dem deutschen Markt raus. Was passiert mit den Start- und Landerechten, und besteht hier die Gefahr, dass der Wettbewerb stark reduziert wird. Das ist jetzt noch zu früh zu beurteilen, weil die Gespräche ja noch nicht zu Ende geführt sind. Es ist ja noch keine Lösung präsentiert worden. Hier bin ich aber insofern optimistisch, weil wir dafür ja die Wettbewerbsbehörden haben, die in solchen Fällen dann auch ihr Votum geben können und einschreiten können, wenn Gefahr für den Wettbewerb droht."
    Die Start- und Landerechte Air Berlins nämlich sind deren größte Aktivposten. Auch deshalb ist die Insolvenz einer Fluggesellschaft eine gute Gelegenheit, die Marktpräsenz zu steigern. Auf anderem Weg ist dies für Newcomer bisher kaum möglich. Die Neuordnung am deutschen Himmel aber ist überfällig, meint Michael Gierse von Union Investment.:
    "In vielen Ländern gibt es sogar nur noch eine dominierende Fluggesellschaft. Insgesamt können wir feststellen, dass sowohl in Europa, wo sich drei große Gruppen herausgebildet haben, neben der Lufthansa noch die British Airways zusammen mit Iberia und der Air France, und im amerikanischen Kontext sogar - dort haben vier Fluggesellschaften 80 Prozent des Marktes, also dort gab es auch eine enorme Konsolidierung. In Amerika hat das vor allen Dingen dazu geführt, dass die Flugpreise im Durchschnitt gestiegen sind, das kann man heute schon sagen, und auch entsprechend die Margen der Fluggesellschaften."
    Die Insolvenz Air Berlins wird diesem Prozess einen Schub geben. Doch die Uhr tickt: Sollte sie nicht in der Lage sein, den Flugbetrieb aufrecht zu erhalten, verfallen auch die Start- und Landerechte und werden dann vom Staat neu verteilt. Dann richtet es allein der Markt.