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Big-Bus-Data
Mit Daten von Bussen den Verkehr verbessern

Mit Bussen, Zügen und U-Bahnen werden nicht nur viele Menschen befördert. Es fallen auch Unmengen an Daten an: Informationen zu Fahrkartenkäufen, zur Pünktlichkeit, zur Position von Bussen. Solche Daten könnten, richtig ausgewertet, für intelligentere Verkehrssysteme genutzt werden.

Von Piotr Heller |
    Ein Linienbus der Duisburger Verkehrsgesellschaft (DVG) in Duisburg, Nordrhein-Westfalen.
    Datenanalysen könnten zu einem besseren öffentlichen Nahverkehr führen. (imago )
    Es gibt Annahmen, die stehen schon so lange im Raum und wirken so offensichtlich, dass sie einfach als wahr gelten. Und es gibt Menschen wie Kristian Hegner Reinau, die solche Annahmen hinterfragen. Der Geograf lehrt an der Universität im Dänischen Aalborg und ist Experte für das Transportwesen.
    "Das nördliche Jütland ist eine Region mit einem Zentrum – das ist die Stadt Aalborg – und vielen kleinen Orten drum herum. Bei so einer Struktur denkt jeder, dass die Passagiere der öffentlichen Verkehrsmittel täglich von den kleinen Orten nach Aalborg und zurück pendeln. So werden auch die Routen der öffentlichen Verkehrsmittel geplant. Aber wir wollten überprüfen, ob diese Annahme wirklich stimmt."
    Normalerweise würde man dafür Passagiere befragen. Doch die Aussagekraft dieser Methode ist limitiert, also nutzten Kristian Hegner Reinau und ein Kollege Daten von so genannten Smart-Cards. Das sind Dauerkarten mit elektronischem Chip, die die Buspassagiere beim Ein- und Aussteigen vor einen Scanner halten. "Wir haben uns nur den Start- und den Endpunkt jeder Reise angeschaut."
    Die Forscher bekamen insgesamt Daten von 900.000 einzelnen Fahrten zusammen. Und dann wurden sie kreativ. Denn es gab keinen Königsweg, wie man solche Daten auswertet. Sie bedienten sich einer Methode aus der Soziologie. Es war ein abstraktes Konzept, das sie nutzten. Man kann es sich in etwa so vorstellen: Die einzelnen Haltestellen der öffentlichen Verkehrsmittel behandelten sie wie Punkte in einem Netzwerk. Und die Anzahl der Reisen zwischen den Haltestellen definierte, wie eng diese Punkte verknüpft sind. So konnten sie berechnen, auf welchen Routen die Menschen durch das nördliche Jütland reisen.
    Viele sind in kleinen Teilbereichen unterwegs
    "Die Analyse hat gezeigt: Obwohl einige zwischen dem Zentrum und der Peripherie hin und her fahren, sind viele Passagiere ausschließlich in kleinen Teilbereichen des Netzwerks unterwegs. Die Erkenntnis ist wichtig, um die Routen der öffentlichen Verkehrsmittel zu optimieren. So kommen die Leute besser ans Ziel und mehr von ihnen werden Busse nutzen."
    Kein Wunder, dass ein Busunternehmen an der Forschung beteiligt ist. Man könnte jetzt streiten, wie überraschend das Ergebnis wirklich ist. Aber darum geht es nicht. Das Beispiel zeigt etwas anderes: Allerorten hört man, dass Daten das Kapital von morgen sind. Mag sein. Aber dieses Kapital ist nichts Wert, wenn der Erfindergeist beim Umgang mit diesen Daten fehlt. Es braucht Forscher wie Kristian Hegner Reinau, die die richtigen Fragen an die Daten stellen und kreative Methoden entwickeln, um Antworten zu bekommen.
    "Jetzt wollen wir Werkzeuge entwickeln, die die Verkehrsplaner-Planer nutzen können. Das machen wir im Dialog mit dem lokalen Busunternehmen."
    Die Daten der Passagiere waren exklusiv. Kristian Hegner Reinau war der erste Forscher, der die anonymisierten Daten nutzen durfte. Aber auch aus offenen Daten von öffentlichen Verkehrsmittel lässt sich viel herauslesen, wenn man sich geschickt anstellt. Das hat Paula Syrjärinne von der finnischen Universität Tampere unter Beweis gestellt. "Die Busse in Tampere übermitteln jede Sekunde ihre Position. Passagiere nutzen diese Daten, um Verspätungen zu erkennen."
    Bus-Daten für die Verkehrsüberwachung
    Nicht gerade spektakulär, könnte man meinen. Doch auch Paula Syrjärinne ist clever mit ihren Daten umgegangen. Aus alten Daten hat sie zunächst ermittelt, wie die Busse normalerweise fahren. Dann hat sie ein System entworfen, das diese historischen Daten mit den Echtzeit-Daten vergleicht. Wenn es da große Abweichungen gibt, muss etwas vorgefallen sein, das den Verkehr behindert.
    "Das kann ein Unfall sein oder eine zugeschneite Straße. An einem Morgen etwa, da krachte ein Auto auf einer stark befahrenen Straße in eine Ampel. Die war dann kaputt. An dieser Kreuzung hatten dann gerade die Autofahrer Probleme, die links abbiegen wollten. Das konnte man sehr gut in den Bus-Daten sehen."
    Das System befindet sich gerade in der Entwicklung. Wenn es fertig ist, kann die Stadt es nutzen, um den Verkehr zu überwachen. Ganz ohne zusätzliche Kameras, Polizisten oder Sensoren. Das alles wird dank Daten funktionieren, die sowieso anfallen und intelligent genutzt werden.