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Big Data
Die Dynamik sozialer Kräfte

Das Schlagwort Big Data fällt oft in Zusammenhang mit Überwachungstechnik. Mittlerweile haben sich spezielle Gruppen an Universitäten gebildet, die die Qualität der Datenmengen erforscht. Dabei wird das Zusammenwirken der physikalischen Kräfte mit den sozialen Dynamiken untersucht.

Von Maximilian Schönherr |
    'Next Level Big Data' steht am 17.03.2015 auf der CeBIT in Hannover mit Graffiti auf einem Container
    'Next Level Big Data' steht am 17.03.2015 auf der CeBIT in Hannover mit Graffiti auf einem Container (dpa/picture alliance/Ole Spata)
    Big Data ist für Geheimdienste wie für Informatiker ein qualitativer Sprung. Mit der drastischen Zunahme von Daten aus sozialen Netzen im Internet, aus Umweltsensoren am Straßenrand und in Automobilen, aus Bewegungsprofilen, Sport- und Aktivitätsprofilen von Menschen ist etwas möglich geworden, was Mathematiker, Mediziner und Sozialwissenschaftler lieben: solide Statistik. Signifikanzen, Auffälligkeiten und Trends findet man nämlich in wenigen Daten nicht.
    "Diese Daten sind ein Reichtum. Mit diesen Daten können wir viel mehr Sachen interpretieren. Aber es ist wichtig, dass wir diese Technologie verstehen. Wir sind als Wissenschaftler verantwortlich, und Wissen ist die Voraussetzung, um verantwortlich zu sein."
    Datenreichtum
    Massimo Fornasier stammt aus Italien. Er hat seit einigen Jahren eine Professur für Angewandte numerische Analysis an der Technischen Universität München. Seine Spezialität sind Kompressionsverfahren. Big Data benötigen andere Methoden zur Verdichtung als zum Beispiel digitale Bilder oder Töne. Ein Sensor misst bestimmte Aspekte der Umwelt. Fornasier stellt sich die grundsätzliche Frage, welche Qualität die gelieferten Daten eigentlich haben.
    "Daten sind eine Projektion der Realität, und Realität ist strukturiert. Sie hat viel Struktur, viele Beziehungen. Jetzt kommt ein Bild zu einem Sensor. Was wir dann bekommen, ist eine unklare Version der Realität. Aber die Struktur ist schon da."
    Das heißt, wenn man zum Beispiel einen Ultraschallsensor hat, kann man davon ausgehen, dass er feste Strukturen wie Häuser, Autos und Fußgänger in seiner Nähe 'sieht'. Man wird sich für die Daten aus diesem Sensor ein mathematisches Modell bauen, das die festen Strukturen beinhaltet, nicht aber zum Beispiel Helligkeit und Regen – für die ist der Ultraschall blind.
    Massimo Fornasier weist auf die Daten aus sozialen Netzen wie Twitter hin, die man nicht mehr wie Ultraschallbilder in drei Dimensionen beschreiben kann.
    "Die Algorithmen sollten effizient sein, weil die Dimensionalität der Daten extrem groß ist. In der Physik zum Beispiel haben wir Teilchen und physikalische Kräfte, und diese Kräfte haben wir genau verstanden.
    Effizienz der Algorithmen
    Personen können wir zwar als mathematische Teilchen interpretieren. Aber diese Teilchen sind nicht mehr nur dreidimensional, sie sind komplizierter. Da gibt es soziale Kräfte."
    Die Dynamik sozialer Kräfte ist ein zentrales Forschungsgebiet der neu gegründeten Big Data-Gruppe an der TU München. Physikalische Kräfte wie der Magnetismus sind universell und gelten immer; soziale Kräfte dagegen sind individuell, sie kommen und gehen.
    Junge Leute, so Massimo Fornasier, ändern durch die sozialen Netze und mobilen Telefone ihr zwischenmenschliches Verhalten. An der TU München wird auch an Verschlüsselungstechniken gearbeitet, die den unbefugten, heimlichen Zugriff auf große Datenspeicher und Datenübertragungen verhindern. Massimo Fornasier plädiert bei Big Data für eine Fusion von Mathematik und Informatik:
    "Es ist wichtig, dass wir Leute ausbilden, die nicht nur einen Teil dieser Kette kennen. Dieses Profil ist bei der traditionellen Ausbildung schwer zu bekommen. Man muss dafür extrem eklektisch sein."